Praxis
Bedienung
Mit seiner griffigen Oberfläche spielt der Mayer EMI MD900 selbstverständlich den Trumpf des guten Handlings aus. Sagen wir es einmal so: Wer sich mit Synthesizern prinzipiell auskennt, wird die Klangerzeugung des Mayer EMI MD900 innerhalb einer guten Stunde verstehen und damit seine Presets entwickeln können.
Nur manchmal ist der Blick in das deutschsprachige Manual erforderlich. Dieses PDF ist zwar angenehm lesbar geschrieben, springt aber ein wenig zwischen den Themen und geht überraschenderweise nicht auf die Effektsektion ein. Das ist aber nicht weiter tragisch, denn das Stichwort lautet Konnektivität: Horst Mayer erreicht man über seinen eigenen Discord-Kanal. Der MD900 kann über einen USB-to-LAN-Adapter mit dem Netzwerk und Internet verbunden und von Mayer persönlich gewartet werden. Bei technischen Fragen oder Problemen bleibt man nicht auf sich gestellt, sondern bekommt sehr persönlich kompetente Hilfe.
Das Zusammenspiel von Touchscreen und physikalischen Bedienelementen läuft rundum flüssig. Mit den Fokustasten des MD900, die in der Praxis regelmäßig genutzt werden, zeigt der Bildschirm relevante Abschnitte fürs Editieren. Durch spielerisches Tippen am Gerät findet man dies eigentlich quasi selber heraus. Die Fokustaste dient übrigens auch beim Zuweisen von Quellen innerhalb der Modulationsmatrix.
Klangcharakter
Kommen wir zum wichtigsten Kriterium: Wie klingt der Mayer EMI MD900? Generell lässt sich dies schnell und einfach beantworten. Zu seinen Stärken zählt der transparente und druckvolle Gesamtsound, der über einen weiten Frequenzbereich – von richtig tiefen Bässen über satte Flächen bis hin zu klaren Höhen – reicht. Er hat ordentlich viel Präsenz und lässt sich irgendwo zwischen „analog“ und „digital“ einordnen. Trotz seiner in vielen Belangen klassischen Struktur wirkt der MD900 charakterlich eher modern als Retro-orientiert. Wenn man ihn mit anderen virtuell-analogen Instrumenten vergleichen müsste, wäre ein Clavia Nord Lead klanglich am nächsten verwandt.
Effekte und mehr
Die internen Effekte klingen durchweg gut, nur bei den Reverbs sollte man vielleicht nicht die allerhöchsten Erwartungen haben. Im Studio wird man sowieso mit Reverb-Plugins mischen und für Live-Performance ist die Klangqualität mehr als gut.
Grundsätzlich ist der MD900 in der Lage, sämtliche Standardklänge zu liefern und auch bei Natursounds muss er nicht kapitulieren, wenn man entsprechende Samples lädt. Leider zeigen die aktuellen Werksklänge längst noch nicht die klanglichen Eigenschaften sowie die wirklich vielen und vielfältigen Möglichkeiten des MD900. Es dürfen gern viel mehr und darunter auch einige klassische und solide Klänge („Brot und Butter“) hinzukommen, die sich mitunter reichlich der Effektsektion bedienen. Layer- und Split-Kreationen mit bis zu vier Parts sowie ein buntes Aufgebot an Drums und anderen One-Shot-Samples sind auch Themen für den MD900. Wie auch immer, insgesamt acht Audio-Demos zeigen einen Querschnitt der aktuell mitgelieferten Presets.
Performance
Kann man mit dem MD900 autark Musik performen? Ja, das geht. Es können Drum Grooves zum Besten geben werden und neben korrespondierenden Sequencer-Passagen lässt es sich sogar noch live mit dem Arpeggiator über ein angeschlossenes MIDI-Keyboard dazu jammen. Der Drum-Part lässt sich auf Wunsch schnell abschalten (Mute Drum) und per Tracking-Funktion ist das Regler-Verhalten (aktiviert lassen sich Klangsprünge vermeiden) auf die Sounds wählbar. Insgesamt darf man sich schon intensiver beschäftigen, um den MD900 fürs Sequenzer-orientierte Performen mit allen Parts in den Griff zu bekommen.
Der Arranger bietet momentan nur ein halbes Dutzend an Vorlagen, die sich fast ausschließlich um technoide Musik drehen. Für den User sollte man bitte das Doppelte an Settings in einer größeren stilistischen Vielfalt verfügbar machen. Sofern diese Vorlagen noch ausführlich dokumentiert sind, wird man sich schneller in den „Arranger“ des MD900 eingrooven. Selbst der Step-Sequencer und der Arpeggiator sind nicht gerade so handzahm, dass sie den Anwender mit zahlreichen typischen Mustern füttern. Viel Lust zum Experimentieren sollte man schon mitbringen. Eine gute Idee ist es, den Drum-Sampler mit beliebigen eigenen Audio-Dateien zu versorgen und diesen Part des MD900 zum universellen Sample-Player umzufunktionieren.
Wie ein minimalistischer Techno-Live-Jam aus Drums und Bass auf Basis eines Presets klingt, verdeutlicht das nächste Beispiel. Der arpeggierte Synthbass ist live gespielt und per Filtercutoff/Resonanz noch moduliert worden.
Zwei weitere Audio-Demos demonstrieren einfache Techno-Arrangements – ebenfalls auf Basis der Factory Presets. Dabei wurden die Effekte gar nicht oder extrem sparsam beim internen Mixing verwendet.
Zum Schluss noch ein live-improvisiertes Demo mit Arpeggiator-Einsatz, das die verschiedenen Reverb-Typen des MD900 zeigt.
Das Sequencing mit den vier Synth-Parts und Drum-Track macht zwar durchaus Spaß, ist aber für den Live-Gig nicht immer praktisch. Direkt über das Display gezielt Clips zu anzuwählen, gestaltet sich eher heikel – vor allem bei richtigen Wurstfingern. Dem Performer sollte man besser separate Start- und Stopp-Tasten sowie einen Tempo-Regler in die Hand geben. Allerdings ist der MD900 letztlich primär ein Synthesizer mit der praktischen Option, MIDI-Live-Sequencing betreiben zu können.
prutz sagt:
#1 - 12.09.2022 um 16:58 Uhr
Stichwort Reverbqualität - das, was ich da höre, ist meinem Yamaha Modx hörbar überlegen, zumindest was dessen Part-Reverb-Algorithmen betrifft. Da verwende ich lieber ein Zoom Multistomp, das klingt noch "musikalischer" als das, was Yamaha da hinein verbrochen hat. Wenige Presets sind natürlich schade, aber deswegen 3/5 Bewertung ? Auf den in der Tat ausgeklügelten Arp pro Track wird leider nicht eingegangen. Aus der Anleitung ersehe ich starke Ähnlichkeiten mit dem BlueArp. Wenn das Teil nicht so teuer wäre, tät ich es schon nur deswegen kaufen, zumal meine Yamaha-Büchse in diesem Bereich sehr stark schwächelt (niemand will 10k Arps durchblättern, die nicht step-editierbar sind). Aber meine Schmerz/Abwinkgrenze liegt dzt. leider bei ca. 1800,- für so ein Instrument. Zu schade.