Mdsp Livecut zerlegt, zerhackt, verschwurbelt und rearrangiert jegliches Audiomaterial – vom einzelnen Beat bis zum Summensignal. Warum das Freeware-Plug-in trotz seines fortgeschrittenen Alters in keiner Sammlung fehlen sollte, erläutert dieser Test.
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Details + PRaxis
Allgemeines
Livecut basiert auf einer Algorithmus-Library, die für die Musikproduktionsplattform SuperCollider zum Zerhacken von Breakbeats entwickelt wurde. Das Audio-FX-Plug-in für Stutters und Glitches gibt es für Mac (AU + VST) und PC (VST), allerdings nur als 32-Bit-Version. Das ist aber auch kein Wunder, denn die letzte Version, die es immerhin bis zur Nummer 0.9 geschafft hat, stammt aus dem Jahr 2006. Auch dem letzten Optimisten sollte wohl klar sein, dass eine Weiterentwicklung ziemlich ausgeschlossen zu sein scheint.
Und dennoch: Hier lohnt sich sogar die Anschaffung eines 32-Bit-Wrappers, um die Freeware in modernen 64-Bit-DAWs zum Laufen zu bringen. Denn so viel verrate ich direkt mal vorweg: Kaum ein kostenpflichtiges Plug-in – und erst recht keine Freeware – zerlegt und rearrangiert Beats so gekonnt und immer wieder überraschend frisch!
Cleane Optik
Mdsp Livecut ist ein übersichtliches Plug-in ohne versteckte Reiter und geheime Zusätze. Alle Regler sieht man auf einen Blick. Das Fenster teilt sich grob in drei Bereiche auf: Global, Zerhacker und Zusatzeffekte.
Im Global-Bereich, dem offensichtlich der Platz in der linken Spalte ausging und der sich deswegen auch noch über die ersten beiden Parameter in der mittleren Spalte erstreckt, werden das Slicing-Programm, die Teilerwerte sowie Minimal- und Maximalwerte für verschiedene Parameter wie Lautstärke, Panorama oder Pitch festgelegt.
IDM Homage
Zum Rearrangieren des Audiomaterials gibt es die Programme CUTPROC11, WARPCUT – ja, da war das Londoner Label Warp Records mit Künstlern wie Aphex Twin oder Squarepusher Namenspate! – und SQPUSHER (auch hier ist der Name wohl eindeutig), die mit jeweils angepassten Werten justiert werden können und die man am besten einfach selbst ausprobiert. Denn manchmal sind die Beschriftungen schon etwas merkwürdig: So bedeutet Activity 0 beim SQPUSHER nämlich keinesfalls, dass der nichts macht.
Zusätzlich gibt es noch einen zuschaltbaren Bitcrusher, bei dem sich Minimal- und Maximalwerte für Bits und Samplefrequenz einstellen lassen, sowie einen Feedbacker mit Minimal- und Maximaldelay.
Grundsätzlich funktioniert Livecut dabei so: Die Länge und Anzahl einzelner Cuts hängen vom Inhalt und der ausgewählten Schnittprozedur ab. Die Cuts werden in Blöcken organisiert, die wiederum eine Phrase bilden. Jede Phrase kann mit einem Roll oder Fill beendet werden – und alles selbstverständlich immer passend zum Tempo des DAW-Hosts.
Klingt jetzt vielleicht ein bisschen merkwürdig und ein passendes Schaubild auf der Webseite lädt leider nicht. Auch die Anleitung ist längst in den Untiefen des Netzes verschollen. Macht aber nichts, denn Mdsp Livecut muss man einfach nur ausprobieren. Ich könnte jetzt schreiben: „Kaputt machen kann man ja nichts“, aber doch: Genau darum geht’s! 🙂
Da alle Parameter im direkten Zugriff liegen, erklärt sich das Freeware-Plug-in auch wirklich quasi von selbst: Slicer-Programm auswählen, Minimal- und Maximalwerte für die verschiedenen Bereiche auswählen und dann: Starten und alles aufnehmen!
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Livecut besser nicht live benutzen
Livecut ist kein Effekt, der beim Restart exakt das gleiche Ergebnis produziert. Für einen echten Live-Einsatz kann ich es nicht empfehlen, denn was rauskommt, ist doch zu unberechenbar. Das liegt vor allem an den Zufallssprüngen, die innerhalb der Minimal- und Maximalwerte vorgenommen werden.
Ich gehe stets so vor: Ich wähle einen Bereich des Signals – egal ob nur einen Beat ein einzelnes Soundsignal, eine Subgruppe oder auch den kompletten Mix – loope den Bereich, der rearrangiert werden soll, stelle grob die Parameter ein und nehme alles mehrere Loop-Durchgänge lang auf. Es kann auch mal eine ganze Weile dauern, bis ich alles habe, was ich gerne hätte. Oft genug überrascht mich Livecut aber auch mit Breaks, die meine Erwartungen noch übertreffen.
Dann höre ich die Ergebnisse durch, justiere eventuell die Parameter noch mal nach, nehme wieder auf und höre alles wieder durch. Wenn ich genügend Varianten habe, die mir gefallen, schneide ich daraus eine neue Spur mit dem finalen Ergebnis, die ich wieder in den Mix einbaue. Richtig: Das ist kein Nur-einen-Knopf-drücken-rundum-sorglos-Plug-in. Aber ein bisschen Arbeit darf das Produzieren ja auch machen.
Alle vier Klangbeispiele habe ich mit einem eher einfachen Four-to-the-Floor-Loop erstellt, damit du besser hörst, was Livecut daraus macht. Die ersten zwei Takte sind das Original, dann folgt die Bearbeitung. Die Beispiele zeigen allerdings nur einen winzigen Ausschnitt dessen, was Livecut mit einer Spur anstellen kann.
- Cutproc11: Fängt zunächst unspektakulär an und baut dann groovige Verschiebungen ein.
- Warpcut: Geht sehr schnell zur Sache und zerlegt den Beat durch diverse Wiederholungen einzelner Cuts.
- Sqpusher: Gerade, wenn man denkt, dass sich dieser Variante hauptsächlich auf den die 1 des Beats konzentriert, wird man eines Besseren belehrt.
- Hier kam wieder Cutproc11 zum Einsatz, aber diesmal mit mehr Wiederholungen. Dazu habe ich den Bitcrusher aktiviert und dort die Minimalfrequenzen von Bit-Auflösung uns Samplefrequenz stark nach unten geschraubt.
- große Parametervielfalt
- sehr musikalische und immer wieder positiv überraschende Ergebnisse
- macht richtig Spaß
- nur 32 Bit
- wird wohl nicht mehr weiterentwickelt