PRAXIS
Viele Anschlüsse bietet die Geithain nicht, deswegen ist sie auch sehr schnell verkabelt. Strom rein, XLR rein – fertig. Das Rücken, Hören und Anpassen an den Hörraum erfordert allerdings schon etwas mehr Mühe und für das letzte Fünkchen auch entsprechendes Mess-Equipment, sprich einen möglichst lineare Signalkette aus Mess-Mikro, Preamp, Wandler und Software.
Das sollte man übrigens mit jedem Lautsprecher tun, wenn man den akustischen Auswirkungen mehr Beachtung schenkt als den optischen Veränderungen. Zugegebenermaßen lohnt sich das teure Mess-Equipment nicht für jeden, allerdings kann man auch bereits mit einem preiswerten Mikro (ca. 50 EUR) und entsprechender Shareware-Software (PC: ARTA, MAC: FuzzMeasure) erste Gehversuche wagen.
Ein seriöser Händler sollte einen entsprechend darüber informieren und mögliche, folgende Akustik-Maßnahmen nicht verschweigen und sie gegebenenfalls auch anbieten können bzw. über die entsprechenden Kontakte verfügen. Denn auch eine Geithain klingt in einem “akustisch-katastrophalen” Raum nicht wirklich optimal. Und das obwohl sie von Haus aus “linear” ausgeliefert wird und durch ihre Nieren-Richtwirkung den Raum so wenig wie möglich anzuregen versucht.
Doch sollte der Einfluss des Raumes auf das Klangerlebnis zu stark werden, so können die “versteckten” Korrekturfilter bemüht werden, die weit über das “Mehr Bass – Mehr Höhen – und das war’s” semi-professioneller Monitore hinausgehen. Um ein versehentliches Verstellen oder die Bedienung durch “nicht autorisiertes Personal” auszuschließen, ist dieses Filternetzwerk aber nur über die aufzuschraubende Rückwand zu erreichen.
Man spricht in diesem Fall auch von Ortsanpassungsfiltern und nicht etwa von einem EQ. Obwohl manches Pult sicherlich froh wäre, über solch einen umfangreichen “Entzerrer” zu verfügen. Die Korrekturfilter bieten wirklich praxisorientierte Features, die man allerdings nur bemühen sollte, wenn man wirklich weiß, was man tut und, wie bereits angesprochen, über passendes Kalibrierungsequipment verfügt. Ansonsten fragt man lieber jemanden, der sich damit “wirklich” auskennt und bezahlt ihn anschließend auch dafür. Den Fachmann sollte man am besten auch schon vor dem Kauf zu Rate ziehen, da die wichtigsten Entzerrungen eines Raumes sowieso über akustische Maßnahmen (Absorber, Diffusoren, etc.) und nicht über elektronische Filter getroffen werden sollten, seien sie nun digital oder analog.
Die oftmals problematische “zu Wand-nahe” Aufstellung von Lautsprechern wird, bedingt durch die Nieren-Richtcharakteristik der 901, bedeutend unkritischer, denn wo weniger Wellen nach hinten gelangen, können diese auch nur weniger reflektiert werden und am Abhörpunkt somit auch nur weniger “auslöschen”. So einfach ist das.
Auf die Bündelung und den Übertragungsverlauf in gewissen Hörabständen wird bei ME-Geithain übrigens generell sehr viel Wert gelegt, um die Vergleichbarkeit des Klangeindrucks über alle Monitormodelle gleich zu halten. Natürlich fehlt es den kleineren Modellen an Tiefgang und Pegel, dennoch überzeugen auch sie in ihren empfohlenen Hörabständen mit einem sehr-ähnlichen, äußerst neutralen und unaufgeregten Klangbild. Das ist vor allem für Rundfunkanstalten sehr wichtig, da sie sich im Ü-Wagen auf den gleichen Klang wie im großen Studio verlassen können müssen.
Für dich ausgesucht
In “normal-kritischen” Räumen sind die deutlichsten Verzeichnungen im Bass-Bereich zu suchen (Stichwort Raummoden bzw. “stehende” Wellen), hier kann mit dem eingebauten 30 Hz Glocken-Filter (Im Bild: P4) und dem bei 300 Hz einsetzenden Low-Shelf (Im Bild: P3) schon sehr effektiv kompensiert werden. Es wird hier in der Regel rausgedreht statt reingedreht, denn die lineare Leistung der Geithain liegt schon von Haus aus über einen sehr großen Frequenzbereich an. Ursachen für Einbrüche im Übertragungsverlauf sind deshalb nur in der Raumakustik zu suchen. Durch Reflexion an Decke, Fußboden und Konsole kommt es zu Laufzeitunterschieden im Signal, was in gewissen Frequenzbereichen eben zur Phasendrehung – und damit zu Auslöschungen – führt.
In Geithain setzt man deshalb auf einen weiteres semi-parametrisches Filter (P1; 90 bis 150 Hz), das mit Einsatzfrequenz und Gain (P2) auf den “unterbetonten” Problembereich angesetzt werden kann. Durch Arbeitsbereichsüberlagerungen muss man natürlich auch die Wirkung des Low-Shelfs mit berücksichtigen.
Zu guter Letzt bietet uns Poti 5 einen High-Shelf, der bei 3,5 kHz ansetzt, um überdämpfte bzw. stark hallende Räume zu kompensieren, was allerdings durch die Bündelung der 901 (etwa 90° horizontal und vertikal) eher selten zu bemühen ist und im Falle schlechter Nachhallzeiten auch nichts bringt.
Generell ist zu sagen, dass die 901 derart neutral ist, dass es bei qualitativ mittelmäßigen Aufnahmen/Produktionen schwer wird, etwas von Klanggenuss berichten zu können: “Wo kein Gold, da nix glänzt”. Gleichzeitig war dies aber auch Hauptargument für mich, denn wenn ein Mix auf der 901 wirklich gut klingt, dann ist er auch “perfekt”. Anhand einiger ausgewählter Musikstücke möchte ich deshalb die Klangeindrücke schildern, die mir in Verbindung mit meiner Abhöre besonders aufgefallen sind:
The Libertines – The Man who would be king
Sehr gute Trennung und Stereoauflösung, das harte Panning der Gitarren ist wunderbar nachvollziehbar. Bei geringen Lautstärken wirkt der Song sehr poppig, alles ist sehr gut verständlich, die Gitarren treten in den Hintergrund, die Stimme ist sehr deutlich, und auch der Bass ist schön subtil wahrnehmbar. Bei höherem Pegel werden die Gitarren rockiger und es wird deutlich, dass es sich um einen “Vocals-Up”-Mix handelt, radiotauglich eben. Ich persönlich hätte die Vocals ein wenig mehr de-essed.
Marilyn Manson – Evidence
Im Direktvergleich zu ” The Man who would be king” auf gleichem Pegel eine deutliche Ansage. Ich stelle leichtes Blinzeln meinerseits im Takt der Snare fest, die sehr ” in your face” geht. Auch die Toms im Intro ließen mich im Regiestuhl erschüttern. Farfield-Feeling! Der Refrain ist extrem laut und dicht. Ich wage mich in die Vollaussteuerung. Mein Pegelmesser zeigt 110 dB C/Slow in 2,20m Stereobasisbreite. 2dB mehr und die Schutzschaltung schaltete die Speaker ab, bis dahin blieb die Wiedergabe allerdings verzerrungsfrei, soweit man dieser Musikrichtung dieses Attribut überhaupt zuschreiben darf.
50 Cent – Candy Shop
Die Kick variiert zwischen knacke-trockenem Impuls und langem, tiefem Decay. Ist der Abhörraum in Ordnung, sollte hier nichts dröhnen. Bei mir kommt Club-Feeling auf. Über den recht lauten Vocals schweben die Sample-Strings, völlig unbeeindruckt vom Bassfundament, welches keinerlei Wünsche nach einem Subwoofer in meiner ca. 42 qm großen Regie aufkommen lässt. Tiefgang zahlt sich eben aus, cutten kann man ja auch immer noch später. 🙂
Gaiser – Zebra Talk / Unstable Witness
Minus Minimal Techno (Minus90). Wie viel Spaß Nadelimpulse kombiniert mit den richtigen Delays und Räumen machen können, hört man hier sehr eindrucksvoll. Die Geithain lösen dies auch wunderbar auf. Die Räumlichkeit des Sound-FX ist genauso beeindruckend wie der unaufhaltsam schiebende Bass, der an sich gar nicht mal so tief geht, sondern vor allem dank der richtigen Flanken-Settings psychoakustisch gehörig in den Vordergrund tritt. Hab ich gerade schon wieder lauter gemacht!?
Klaus Jahn sagt:
#1 - 29.06.2012 um 20:37 Uhr
Der Kiesler ist echt der verrückte Prof. in Person. Hab gerade noch folgenden Artikel über den "Verdienten Techniker des Volkes 1986" gefunden: www.open-end-music.de/vb3/s...
Jan Gerhard sagt:
#2 - 05.12.2014 um 17:37 Uhr
Der Felix hat echt Eier, für solche Brecher zur Bank zu gehen. Aber manchmal muss ein Mann halt tun, was...Gerüchteweise verbaut Geithein ICEpower Module in seinen Monitoren. Stimmt das?
Daniel Rothermund sagt:
#3 - 12.01.2016 um 23:32 Uhr
Kann man die in Berlin irgendwo probehören? Mich würde ein AB-Vergleich zu Neumann und Co. interessieren, aber die Geithains scheint es bei justmusic, thomann, musicstore, etc. nicht zu geben ...
Tommy Vogel sagt:
#3.1 - 22.11.2017 um 14:16 Uhr
Musikhaus Korn führt Geithain Boxen
Antwort auf #3 von Daniel Rothermund
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