Der Start in die Welt des Euroracks ist nichts für schwache Nerven! Viele Module stehen zur Auswahl, weshalb wir in unserem Workshop Eurorack System planen leicht gemacht auch ein paar Kauftipps geben. Noch wichtiger ist jedoch, was man danach mit seinen Modulen anstellt: Soll der modulare Synthesizer eher für den Zweck des Sound Designs verwendet werden, als Multi-Effekt dienen oder doch sequenzbasierte Melodien ausgeben? Ein wenig sollte man das schon in der Theorie bedenken. Doch es geht nichts über die Praxis. Für diese bieten wir in diesem Artikel einige Ansatzpunkte und erklären im Detail, wie man ein Eurorack Patch baut und woran man dabei denken muss.
In diesem Workshop konzentrieren wir uns auf zwei Herangehensweisen an modulare Synthesizer: Sound Design und die sogenannte ‚subtraktive Synthese‘. Wir zeigen, wie man grundlegende Modultypen miteinander verbindet, um interessante Klangexperimente durchzuführen und klassische Synth-Sounds zu erzeugen. Aber immer dran denken: Die folgenden Beispiele sind dazu gedacht, einen Ausgangspunkt zu liefern, von dem aus experimentiert werden soll. Wenn die hier erklärten Grundkonzepte verstanden sind, kann man leichter eigene Patches im Eurorack entwickeln.
- Was ist ein modularer Synthesizer und was bezeichnet man als Patch?
- Klangerzeugung: Was bedeutet subtraktive Synthese?
- Diese Komponenten kommen zum Einsatz
- So startet man den ersten Eurorack Patch
- VCAs kann man nicht genug haben
- Wie man einen Feedback Patch aufbaut
- So entsteht ein Formant-Patch
- Zum Schluss
- Begriffe und Erklärungen
Was ist ein modularer Synthesizer und was bezeichnet man als Patch?
Der Modularsynthesizer gehört zur Gattung der elektronischen Musikinstrumente und setzt sich aus einer Reihe unterschiedlicher Bauteile (Module) zusammen.
Diese setzt man in Kombination zur Erzeugung und Formung elektronischer Klänge ein. Durch flexible Kabelverbindungen (Patches) findet die Kommunikationen der Module statt. Dabei müssen Module ein einheitliches Format haben, damit die Verbindungen kompatibel sind. Wir konzentrieren uns auf das Eurorackformat, welches das Beliebteste ist. Mithilfe von 3,5-mm-Monokabeln (Patch-Kabeln) überträgt man in Eurorack-Synthesizern Audiosignale und Steuerspannung (CV) zum Modulieren von Parametern. Das klangliche Ergebnis einer solchen Verkabelung im Eurorack wird als Patch bezeichnet.
Klangerzeugung: Was bedeutet subtraktive Synthese?
Die meisten synthetischen Klänge, die man in der gegenwärtigen Musiklandschaft zu hören bekommt, werden durch subtraktive Synthese erzielt.
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Im Gegensatz zu exotischeren Tonerzeugungen, wie z. B. additiver, granularer oder FM-Synthese, kann man Klänge durch subtraktive Synthese im Eurorack mit relativ wenigen Modulen erzeugen. Auch die meisten Synthesizer (Desktop– und Tastatur-Synthesizer) basieren auf subtraktiver Synthese. Sie folgt einem festen Schema: Es wird ein Grundton erzeugt, welcher dann in ein Filter und danach in einen VCA (spannungsgesteuerter Verstärker) geroutet wird. Filter und VCA werden dann mit Hüllkurven gesteuert. Dieses Konzept stellt die Grundlage der folgenden Beispiele dar.
Diese Komponenten kommen zum Einsatz
Also, los geht’s! Natürlich müssen wir zunächst klären, welche Module und welches Case zum Einsatz kommen. Wir bauen unser Einstiegssystem in ein zweireihiges Low-Cost Case von Doepfer mit der Breite von 84TE. Kernmodul ist der Complex Oscillator von Verbos. Dieser basiert auf dem doppelten Oszillator gleichen Namens von Buchla. Ein ähnliches Modul ist der Frap Tools Brenso. Der Complex Oscillator bietet nicht nur zwei verschiedene VCOs, die duophones Spielen und FM ermöglichen, sondern hat auch einen Waveshaper mit verbaut. Das erweitert die mögliche Klangpalette um ein Vielfaches. Man kann jedoch auch einen günstigeren Oszillator wie den NANO Modules ONA nutzen.
Nichts ist wichtiger als das Filter
Das Modul ‘SVVCF’-Modul von Manhattan Analog dient in unserem Beispiel als Filter. Es bietet einen sehr musikalischen Klang und verfügt über einen eingebauten Mischer. Das ist bei kleinen Systemen sehr nützlich und erlaubt Feedback-Patches. Mit zwei CV-Eingängen samt Abschwächern liefert das Modul zudem auch Möglichkeiten, um Modulationen anwenden zu können. Eine Alternative, die das Ganze nach klassischen subtraktiven Moog-Synthesizern klingen lässt, ist das Behringer 904A VC Low Pass Filter.
Modulation sorgt im Patch für mehr Lebendigkeit
Wie schon im Workshop Eurorack System planen leicht gemacht erklärt, leben interessante Patches von umfangreichen Modulationen. In unserem Beispiel sorgen die Module Make Noise Maths, der XAOC Batumi und das Intellijel Quadra mit Expander dafür. Zudem hilft das Mutable Instruments Shades mit den im Maths verbauten Attenuvertern bei der Dosierung. Achtung: Quadra und Shades sind nur noch auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich. Neuere Alternativen sind der vierfache Funktionsgenerator Quadrax und der Triplatt Abschwächer, beide von Intellijel.
Passend zum Quadra(x) mit seinen vier LFOs oder Hüllkurven ist zudem noch der Quad VCA von Intellijel im System. Das multifunktionale Disting mk4 von Expert Sleepers stellt außerdem noch eine ganze Armada verschiedener Werkzeuge zur Verfügung. Zum Schluss sorgen das analoge Audiointerface TAI-4 von Vermona und das CV-Interface ES-8 von Expert Sleepers für Verbindungen zur Außenwelt. Und: Man braucht noch einen Sequenzer oder ein CV-Keyboard, um das Ganze zu steuern. Hier empfiehlt sich für den Einstieg der Arturia Keystep, der mit Eurorack-kompatiblen Outputs ausgestattet ist.
So startet man den ersten Eurorack Patch
Sind alle Module verbaut – Oszillator, LFO, Hüllkurven, VCAs und Abschwächer – geht es ans Stecken. Dabei gilt zunächst einmal: Man muss keine Angst haben, versehentlich etwas falsch zu verkabeln und dabei etwas zu beschädigen. Im Eurorack kann alles ausprobiert werden. Man muss nur darauf achten, ein Signal aus einem Modul nicht in einen Signalausgang eines anderen zu patchen. Das kann mitunter für Probleme sorgen.
Tipps für einen erfolgreichen Patch-Workflow
Einfach drauflos stecken macht natürlich Spaß, aber ein wenig Routine sollte man auch entwickeln. Der Workflow beim Patchen eines modularen Synthesizers kann wie folgt aussehen: Man steckt zunächst einen Basis-Klang und danach probiert man verschiedene Varianten aus. Dafür verändert man Parameter manuell und hört, welche Anpassungen besonders interessante Ergebnisse liefern. Dann steckt man Modulationen für den jeweiligen Parameter und geht über zur nächsten Einstellung.
Vom Oszillator in den Filter in den VCA
Für unseren ersten subtraktiven Patch kümmern wir uns primär um die Audioverbindungen. Wir stecken den Ausgang des Oszillators in den Eingang des Filters und aus dem geht es in den VCA. Zum Schluss verbinden wir den VCA mit dem Output-Modul. Je nachdem wie VCA und Filter eingestellt sind, hört man einen anhaltenden Ton oder Stille. Jetzt müssen der VCA und das Filter per Steuerspannungen geöffnet und geschlossen werden. Dafür können der Arturia Keystep-Controller oder – über das ES-8 – Ableton Live sowie iPad-Sequenzerapps verwendet werden. Im Diagramm oben werden Quadra(x)-Hüllkurven für die Lautstärke (VCA) und die Filterfrequenz (Filter-Cutoff) über das ES-8 getriggert.
Auch die gespielten Noten kommen direkt aus dem ‚ES-8’. Beim Keystep wären das die Outputs „Gate“ für die Hüllkurven und „Pitch“ für die Tonhöhe.
VCAs kann man nicht genug haben
Jetzt wo der Basisklang steht, geht es darum, ihn auszubauen. Das erreicht man, indem weitere Parameter durch Modulationen gesteuert werden. Dafür stehen mit den freien Kanälen vom Quadrax, den vier LFOs des Batumi oder auch den Kanälen 1 und 4 des Maths viele Optionen bereit. „You can never have enough VCAs“ heißt ein beliebter Spruch unter Modularisten. Warum ist das so? Die Verwendung von VCAs für CV ist eine der wichtigsten Techniken beim Patchen. Im obigen Beispiel kann man etwa den Waveshaper im Complex Oscillator durch einen LFO steuern. Da der Oszillator Abschwächer an den CV-Eingängen seiner Parameter verbaut hat, kann man den LFO direkt in diese schicken. Mit dem entsprechenden Abschwächer bestimmt man, wie stark der LFO auf den Waveshaper wirken soll, um den Klang exakt einzustellen.
Mit VCAs mehr Automation für CV erzeugen
Die Intensität der Modulation bleibt in dieser Konfiguration aber immer gleich. Nun kommen die VCAs ins Spiel. Sie arbeiten als CV-gesteuerte Abschwächer. Anstatt mit dem LFO direkt in den CV-Eingang des Waveshapers zu gehen, geht er erst in einen VCA – und von dort aus in den Verbos. Mit einem weiteren LFO steuert man im Anschluss die Amplitude des VCAs. Hier wirkt dann die Intensität der LFO-Modulation auf den Waveshaper.
Diese Technik kann man weitertreiben und z. B. das Resultat aus einem zweiten VCA noch durch einen dritten schicken, bevor man in das endgültige Modulationsziel geht. Die Vorgehensweise bereichert jedes Patch, denn sie sorgt für lebendige Klänge durch komplexe Modulationen.
Wie man einen Feedback Patch aufbaut
Eine weitere grundlegende Technik beim Patchen modularer Systeme ist das Erzeugen von Feedbackwegen von Audio- und Steuerspannungen. Warum? In einem Eurorack-System kann man sogar Audio als Modulationsquelle nutzen. Oft werden auf diesem Weg Verzerrung, Clipping oder andere Effekte erzeugt. Ein Beispiel: Man kann ein Audiosignal zurück in einen CV-Eingang des gleichen Tonerzeugers schicken. Dabei können Noise-Sounds entstehen – und zwar schnell. Hier muss man besonders genau mit Abschwächern arbeiten!
Und noch eine Patch-Idee aus diesem Bereich: Schickt man den Audioausgang eines Oszillators in den Modulationseingang eines VCAs, entsteht AM (Amplitudenmodulation). Verwendet man alternativ zwei Klangerzeuger und lässt diese einander beeinflussen, so nennt man das ‚Crossmodulation‘ – beides sehr spannend. Das Verwenden von Audio als Modulationsquelle ist generell eine interessante Technik beim Patchen. Verbindet man sie mit CV-Feedback-Wegen, öffnet sich eine riesige Welt an Klängen, die digital kaum zu erhalten ist.
So entsteht ein Formant-Patch
Im letzten Tipp des Workshops geht es noch darum, wie man im Rahmen der subtraktiven Synthese formantartige Klänge patcht. So kann das Eurorack wie die menschliche Stimme wirken. Hierbei kombiniert man die beiden zuvor beschriebenen Techniken und nutzt Audio als Modulationsquelle. Das Diagramm zeigt es: Der Oszillator geht durch den Filter und moduliert mit einer zweiten Wellenform zugleich dessen Frequenz. Formante Klänge entstehen, wenn man dann noch die Intensität der zweiten Wellenform moduliert. Daher geht man auch hier erst durch einen VCA, bevor es in den Cutoff des Filters geht.
Für unser Beispiel nehmen wir den Batumi anstelle des Complex Oscillators als Tonerzeuger, da man bei ihm die Wellenformen in der Phase verschieben kann. Eine dritte Wellenform des Batumi moduliert den VCA der zweiten Wellenform, die wiederum den Cutoff des Filters der ersten Wellenform moduliert.
Zum Schluss
So, das waren sie, die ersten Techniken auf Basis eines klassischen Standard-Patches für das Eurorack. Diese sollten erst einmal genug Futter bieten, um weitere tolle Sounds zu generieren. Es wird einiges an Zeit vergehen, bis man das Gefühl erhält, dass sich Ergebnisse wiederholen. Dann verweisen wir auf unsere anderen Workshops, etwa zum Thema Eurorack-Sequenzer oder auch das Spezial-Thema der Filterbänke. Garantiert ist: Das Eurorack hat neben subtraktiver Synthese und Sound Design mit VCAs noch einiges mehr zu bieten!
Begriffe und Erklärungen
Begriff | Erklärung |
---|---|
VCO = Voltage Controlled Oscillator: | Modul zur Erzeugung von Wellenformen und somit von Tönen im allgemeinen Sinn |
VCF = Voltage Controlled Filter: | Modul zur Klangveränderung durch Filtern von Obertönen |
VCA = Voltage Controlled Amplifier: | Modul zum ändern des Klangverhaltens im zeitlichen Verlauf durch eine Hüllkurve |
LFO = Low Frequency Oscillator: | Der LFO (Low Frequency Oscillator) moduliert das entstehende Audiosignal per Steuerspannung (CV), um z. B. im simpelsten Fall ein Vibrato zu erhalten |
CV = Control Voltage: | Steuerspannung, die bei analogen Synthesizern und bei modularen Synthesizern verschiedene Parameter eines Klanges kontrolliert. Die unter dem Kürzel CV/Gate bekannte Technologie regelt auch Zustände, wie Ein/Aus, Tonhöhe, Lautstärke, oder den Grad einer Filterung. |
Hüllkurve: | Eine Hüllkurve arbeitet nach dem ‘ADSR’-Prinzip (Attack, Decay, Sustain und Release). Sie gestaltet den entstehenden Klang mit allen Zwischenstufen vom Einschwingen bis hin zum Abklingen |
Subtraktive Synthese: | Mithilfe der subtraktiven Synthese erzielt man das gewünschte Klangbild durch Herausfiltern oder Absenken von Frequenzanteilen aus einem meist obertonreichen Klangspektrum des Oszillators (=Subtraktion) |
FM = Frequenzmodulation: | Bei der FM-Synthese erzeugen digitale Oszillatoren (Operatoren) verschiedene Sinusschwingungen, die sich in Abhängigkeit von einem gewählten Algorithmus gegenseitig modulieren. Dadurch entstehen sehr komplexe Schwingungsformen. |
AM = Amplituden Modulation: | Bei der Amplitudenmodulation moduliert das Ausgangssignal eines Oszillators die Amplitude eines anderen Oszillators. Mit dieser Schaltung kann man rauhe und/oder verzerrte Sounds schon auf Oszillatorenebene erzeugen |
Attenuverter: | Attenuverter (Abschwächer) begrenzen die Amplitude eines Signals – wobei der Pegel abgesenkt wird – und invertieren die Phase des Signals |
Feedback = Rückkopplung: | Feedback ist ein Prinzip, bei dem das Ergebnis eines Prozesses wieder auf den ursprünglichen Prozeß einwirkt. Ein Teil des Ausgangssignales eines Systems wird auf den Eingang zurückgeführt. Die Rückkopplung ist besonders für resonante Phänomene von Bedeutung. Die bekannteste Form ist die Rückkopplung zwischen Lautsprecher und Mikrofon, die sich in hoher Lautstärke unangenehm entwickelt |
Maßeinheit “TE”: | “TE” steht für ‘Teileinheit’, oder englisch ‘HP’ für ‘Horizontal Pitch’. Das ist die Norm, um die Breite von Modulen zu definieren. Eine TE/HP beträgt genau 5,08 mm |
Formante: | Formanten bezeichnen in der Akustik und Phonetik die Konzentration akustischer Energie in einem fixen (unveränderlichen) Frequenzbereich (Hz), unabhängig von der Frequenz des erzeugten Grundtons |
Waveshaper: | In der elektronischen Musik ist Waveshaping eine Art Verzerrungssynthese, bei der man komplexe Spektren aus einfachen Wellenformen erzeugt. Mit ihr verändert man die Form und somit die Struktur der verwendeten Wellenformen. |