Praxis
Die Verarbeitung der Becken ist im Prinzip sehr gut. Die Ränder und Mittellöcher sind sauber entgratet, die Finishes makellos ausgeführt. Alle Becken sind auch sehr akkurat in Form gehämmert worden, denn sie liegen plan auf einer ebenen Fläche auf. Eine Kleinigkeit, die das Bild etwas trübt, fällt mir dann aber doch auf: Insgesamt fünf der zwölf Einzelbecken sind ungleichmäßig gegossen, was sich darin äußert, dass sie sich auf dem Beckenständer nach einer Weile immer in die gleiche Endposition drehen. Man kann teilweise sogar mit dem bloßen Auge sehen, dass die Materialstärke am Rand auf den gegenüberliegenden Seiten unterschiedlich ausfällt. Hier müsste meines Erachtens die Qualitätskontrolle im türkischen Werk etwas sorgfältiger sein. Doch das Wichtigste ist natürlich der Sound, und den wollen wir im folgenden Abschnitt untersuchen.
Thin Hi-Hats
Spielt man das Top-Becken der 14“ Hi-Hat einzeln an, so erklingt ein recht eigenwilliger, dunkler, beinahe trashiger Sound, der über wenig hochfrequente Anteile verfügt. Interessanterweise tritt diese extreme Charakteristik aber bei geschlossener Spielweise weniger stark hervor. Dies liegt daran, dass das schwere Bottom dem Gesamtsound einige hohe Frequenzen hinzufügt, wodurch das Spektrum insgesamt etwas breiter wird. Dennoch haben diese Becken eine besondere Note, wobei der warme, mittenbetonte, leicht verwaschene Klangcharakter sofort Assoziationen mit Soul und Motown-Sound hervorruft. Bei halboffener Spielweise zeigt sich, dass die Thin Hi-Hats trotz der leichten Tops auch ganz ordentlich Dampf machen können, ohne dabei aufdringlich zu klingen. Die Ansprache der Becken ist durchweg sehr gut, der Chick-Sound setzt sich trotz des geringen Gewichts immer gut durch. Im direkten Vergleich verfügen die beiden Testpaare über eine ähnliche Klangcharakteristik, wobei das 13“ Modell tonal eine Stufe höher angesiedelt und insgesamt etwas leiser ist.
Splash
Das hauchdünne Splash bietet erwartungsgemäß eine sehr schnelle Ansprache und kann innerhalb eines Percussion-Setups auch mühelos mit den bloßen Händen gespielt werden. Dieses kleine Ding hat es soundmäßig wirklich in sich. Es klingt schön kurz und kompakt und hat dabei die für die Byzance Jazz Becken typische dunkle Färbung, wodurch sich der weiche Sound immer wunderbar in die Musik integriert und niemals unangenehm heraussticht. Dabei ist der Sound für ein so kleines Becken erstaunlich facettenreich. Viel besser kann ein Splash meines Erachtens nicht klingen.
Extra Thin Rides
Diese beiden extrem leichten Becken entwickeln einen seidenweichen, dunklen Klangteppich, der von einem deutlichen Vintage-Charakter geprägt ist. Die Aufschläge des Sticks sind eingebettet in ein düsteres Grundrauschen, welches beim 22“ Modell besonders schön hervortritt. Das 20“ Becken ist tonal etwas höher angesiedelt, verfügt aber über die gleiche Grundcharakteristik. Dank des nicht allzu langen Sustains bleiben die Stockaufschläge bei beiden Becken auch bei schnell gespielten Patterns immer gut hörbar, wobei man nicht zu schwere Sticks wählen sollte, denn dann gewinnt das Grundrauschen schnell die Oberhand. Die Kuppe der Becken ist in den Gesamtklang integriert, bietet also nicht den für schwerere Ride-Becken typischen glockigen Ton, denn dafür besitzt sie einfach zu wenig Masse … ein Kompromiss, den das geringe Gewicht zwangsläufig mit sich bringt. Dafür klingen aber Anschläge am Rand des Beckens absolut phänomenal. Gerade das 22“ Modell entwickelt einen gewaltigen, tiefen, exotisch anmutenden Crash-Sound, der seinesgleichen sucht. Der außergewöhnlichste Aspekt bei diesen Becken ist aber der „eingebaute“ Sizzle-Effekt, der sich in einem feinem hochfrequenten „Rasseln“ äußert, welches sich in perfekter Weise mit dem dunklen Grundsound verbindet. Beim ersten Anspielen des 22“ Beckens hatte ich zunächst den Verdacht, dass mein Beckenständer diese Geräusche produziert. Nachdem ich das Becken dann aber testweise auf dem Finger balancierend angeschlagen habe, war der Effekt immer noch zu hören. Ein Riss war definitiv auch nicht vorhanden, und so staune ich immer noch darüber, wie Meinl diesen Sound hinbekommen hat. Dieses Phänomen, das man im Einzelsoundfile gut hören kann, tritt in etwas abgeschwächter Form auch beim 20“ Becken auf und ist mir so noch nie vorher begegnet. Auf jeden Fall ein sehr interessanter Effekt.
Thin Ride / Sweet Light Ride
Das 20“ Thin Ride ist in Bezug auf die Tonhöhe eine Stufe höher angesiedelt als das vergleichbare Extra Thin. Der Sticksound ist im direkten Vergleich etwas definierter, wobei das dunkle, harmonische Grundrauschen aber immer gut vernehmbar bleibt. Die Glocke ist lauter und prägnanter als bei der dünneren Variante und eignet sich daher gut für Akzentuierungen innerhalb schneller Patterns. Aufgrund des höheren Gewichts reagiert das Becken beim Ancrashen zwar etwas langsamer bei gleichzeitig leicht verlängertem Sustain, aber der Crash-Sound klingt auch hier, sowohl von der Ansprache als auch von der Klangfülle her, ganz hervorragend. Alles in allem ist der Sound des Beckens weniger extrem, aber auf der anderen Seite vielseitiger einsetzbar als der des 20“ Extra Thin Rides. Wer nach dem klassischen Jazz Ride Sound sucht, wie man ihn von den alten 60er Jahre Platten kennt, sollte das Thin Ride unbedingt mal testen.
Innerhalb der Testgruppe fällt das Sweet Light Ride etwas aus dem Rahmen, da es fast schon einen „normalen“ Ride-Sound bietet, was natürlich keineswegs als Manko zu verstehen sein soll. Im Vergleich zum gewichtsmäßig ähnlich gelagerten Thin Ride entwickelt das Becken einen mittenbetonteren, weniger trashigen Klang mit einem gleichzeitig leicht erweiterten Frequenzspektrum. Dadurch wirkt es im musikalischen Zusammenhang etwas dominanter, aber dennoch nicht aufdringlich. Bei moderater Spielweise herrscht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Sticksound und Grundrauschen, wobei die Kuppe weniger prägnant als beim Thin Ride klingt. Der Dynamikbereich des Beckens ist relativ groß, das heisst, dass es bei kräftiger Spielweise und auch beim Ancrashen recht laut werden kann. Ich würde es innerhalb der getesteten Becken als das am wenigsten typische Jazz Cymbal bezeichnen, dafür dürfte es aber in Genres wie Pop, Folk oder Blues eine sehr gute Figur machen.
Extra Thin Crashes
Der Sound der drei Extra Thin Crashes ist gekennzeichnet durch ein äußerst explosives Attack, gepaart mit einem kurzen Sustain. Dabei entsteht ein dunkler, exotischer Sound mit einer mehr oder weniger trashigen Komponente, die fast schon an ein Chinabecken erinnert. Aufgrund der geringen Materialstärke steht das volle Klangspektrum schon bei sehr soften Anschlägen zur Verfügung. Daher sind die Becken nicht nur im Jazz, sondern auch in anderen, akustisch geprägten Genres einsetzbar. Interessanterweise bieten die drei Crashes, unabhängig von der Größe, recht unterschiedliche Klangfärbungen. Das 17“ Becken hat ganz klar die am stärksten ausgeprägte Trash-Komponente, während das 18“ im Vergleich dazu relativ konventionell klingt. Das 16“ Becken liegt irgendwo dazwischen. Die manuelle Fertigung birgt eben gewisse Spielräume beziehungsweise Varianzen in sich, die hier deutlich zum Tragen kommen. Eine klare tonale Reihe wie bei maschinell gefertigten Becken ist bei den Extra Thin Crashes nicht zu erkennen, vielmehr hat jedes der Becken seine ganz eigenen Reize.
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Club Ride / China Ride
Der Name „Club Ride“ vermittelt schon deutlich, dass es sich hier nicht um ein Becken für die großen Bühnen, sondern eher für den verrauchten Jazzclub handelt. Dementsprechend ist die Lautstärke dieses Rides nach oben hin auch begrenzt, was in erster Linie der besonderen Anatomie zu verdanken ist. Flat Rides verfügen nun mal naturgemäß nicht über den anschwellenden Charakter herkömmlicher Becken und werden vorwiegend in ruhigen Spielarten des Jazz eingesetzt. Der normalerweise recht kühle, trockene Sound eines Flat Rides tritt beim Club Ride weniger stark in Erscheinung. Aufgrund der Größe von 22” strahlt das Becken eine gewisse Wärme aus, wobei bei der silbrige Attack von einem dunklen Grundrauschen und dem schimmernden Sound der Sizzles ergänzt wird. Der Stockaufschlag bleibt dabei immer sehr klar zu hören, da der Sizzle-Effekt bei diesem Becken relativ dezent klingt. Und hier komme ich auch zum einzigen kleinen Kritikpunkt: Vielleicht hätte man dem Club Ride zwei oder vier Nieten mehr spendieren sollen. Dies hätte geholfen, diesen schönen Effekt stärker herauszuarbeiten.
Das China Ride stellt, wie der Name schon nahelegt, eine gelungene Symbiose aus China- und Ride-Becken dar. Durch die winzig kleine Kuppe schwillt es beim Ancrashen nicht so stark an wie herkömmliche Chinabecken, was aber durchaus Sinn macht, denn dadurch bleibt es bei seiner Zweitfunktion, dem Ride-Spiel, immer gut kontrollierbar. Der Grundcharakter des China Ride ist dunkel, mystisch, geheimnisvoll, wobei die Sizzles einen flirrenden Klangteppich darüberlegen, durch den das Becken im musikalischen Zusammenhang besser trägt. Für kurze Akzente während des Ride-Spiels reichen mittelstarke Anschläge am Rand vollkommen aus, denn der typische fauchende Sound setzt sich auch bei moderater Anschlagstärke mühelos durch. Überhaupt lädt das Becken durch den Sizzle-Sound und das modulierende Sustain eher zu Ride-Figuren mit einer exotischen Klangfärbung als zu kräftigen Einzelakzenten ein. Ein sehr interessantes Becken, das jedem Jazz-Setup eine außergewöhnliche Klangfarbe hinzufügt!