PRAXIS
Erster Kontakt mit den Reglern von Melbourne Instruments Delia
Erst nach gut 20 Sekunden ist Delia am Start. Solange bootet der Synthesizer und kalibriert seine motorbetriebenen Regler. Das ist für ungeduldige Musiker wie mich schon grenzwertig. Zum Glück macht ein Zupacken aber sofort Spaß: Die Motor-Regler fühlen sich hochwertig an. Sie bewegen sich selbst bei raschem Presetwechsel wirklich sehr schnell und zuverlässig. Als User muss man nichts vorbereiten, man kann sofort genießen.
Wer schon lange ohne ein motorbetriebenes Panel zurechtkam, fragt sich jetzt nach dem praktischen Sinn. Ein Pro-Argument ist das Vermeiden von Klangsprüngen. Dank Motor-Regler lassen sie sich während einer Live-Performance vermeiden. Gut so, denn es kann peinlich werden, wenn Soloparts oder Arpeggios plötzlich im Filter versinken.
Ob man grundsätzlich Motor-Potis benötigt, muss jeder fürs sich entscheiden. Am sinnvollsten finde ich selber die Motor-Regler im Modulations-Mode. Wenn man sich schon mühsam durch etliche Menüs einer Modulationsmatrix schlängeln musste, stellt sich bei Delia ein neues befreiendes Gefühl ein. Praktischer lassen sich Modulationsverbindungen bei einem Hardware-Synthesizer kaum überschauen.
Melbourne Instruments Delia ist mit Display bedienbar
Nach anfänglicher Begeisterung für das Panel wird deutlich, dass motorisierte Regler noch lange keine Garantie für eine intuitive Bedienung bieten. Man ist auf das hilfreiche User Manual angewiesen. Ohne Display geht es leider auch nicht. Meine beiden Augen müssen beim Soundprogramming zu häufig zwischen Taster und Bildschirm springen.
Definitiv spielt das Display eine größere Rolle. Es gibt eine Menge an Parametern und Funktionen, die nicht direkt übers Panel angewählt werden können. Bedauerlich ist, dass kein Taster für Unisono, kein separater Glissando-Regler und insbesondere auch kein Effekt-Bypass auf dem Panel angeboten werden. Die Oberfläche ist nun einmal kompakt und setzt Grenzen.
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Anders formuliert: Delia ist für mich leider keine simple Klangmaschine, bei der man schnell einmal zwei Oszillatoren gegeneinander verstimmt, einen Chorus-Effekt beimischt und sofort mächtige Pads oder Polysynths erhält. Man sollte sich auf eine durchwachsene Bedienung einstellen.
Basisklänge mit Melbourne Instruments Delia erstellen
Natürlich probiert man ein paar Basics des Synthprogrammins. Da geht es um Oszillatoren, Filter und Effekte, die man per „Basic Preset“ auf den Zahn fühlen kann. Die Ergebnisse habe ich mit sechs Audio-Demos dokumentiert. Reizender als das Shaping von Oszillator 1 finde ich das Aufgebot an Wavetables. Im Grunde listet Delia 32 Wavetables auf, die 80s Charakter haben, und nochmal über 15 aktuelle Wellensätze. Das ergibt schon einen so abwechslungsreichen Fundus, dass man sich nicht so eilig um den Import zusätzlicher Wavetables zu kümmern braucht.
Das Filter ist bei den Hörbeispielen alternativ mit und ohne Resonanz, die den Basisklang massiv ausdünnen kann, wenn man das möchte. Grundsätzlich ist die Filtersektion mit der praktischen Link-Funktion gut einsetzbar. Eine Kostprobe gibt es auch vom Shimmer Reverb. Während ein simpler 1-Osc-Klang läuft, wird die Hall-Intensität erhöht. Dieser Reverb kommt zwar qualitativ nicht an Premium-Effektpedale wie Strymon Big Sky heran, klingt aber rund und sollte in der Praxis ausgekostet werden.
Factory Library von Delia Instruments
Bei Null muss man nicht starten. Es warten schon einige Presets in der mitgelieferten Library auf ihren Einsatz. Der Content ist in neun Bänke unterteilt (Basses, Leads, Keys, Pads, Effects, Perc, etc.). In der ersten Bank „Favorites“ ist eine Auswahl von rund 70 Presets spielbereit. Genau diese Sounds nehme ich für meine Audio-Demos. Nicht wenige Sounds orientieren sich an die Vorbilder aus den 70er und 80er Jahren. Vangelis, Jean Michel Jarre und auch Van Halens Jump mussten wieder einmal interpretiert werden.
Erfreulicherweise sind auch moderne und cinematische Presets vorhanden. Absolut trendige Sounds für LoFi, Glitch oder Chiptune, die man von dieser leicht nerdig ausschauenden Maschine erwartet, tauchen aber nicht auf. Über die Herstellerseite von Melbourne Instruments werden bald weitere Sounds kostenfrei erhältlich sein. Für Nina gibt es übrigens schon einige Packs. Die Preset-Verwaltung gestaltet sich bei den Synthesizern von Melbourne Instruments einfach.
Ambiente Sounds mit Shimmer-Reverb und das Morphing sind stark
Nimmt man die Factory Presets als Referenz, punktet Delia hauptsächlich bei ambienten und cinematischen Sounds, die mit dem Shimmer-Reverb noch veredelt werden. Wie gut das klingt, zeigen der „CS Brass“ Vangelis-Stil sowie das Preset „Moving Target“ oder „Eighties Nostalgia“ mit hörbarem Grit im Basisklang. Als eine weitere Attraktion von Melbourne Instruments Delia schätze ich die Morphing-Sounds, von denen vier Beispiele gezeigt werden.
Melbourne Instruments Delia bietet eher durchschnittliche Digitalsounds
Spielt man Wavetable- und andere Digitalsounds an, die Melbourne Instruments als Favoriten offeriert, werden meine Ansprüche nicht erfüllt. Diese Sounds präsentieren sich für meinen Geschmack ein wenig zu harsch und grob. Delia wird einen guten Wavetable-Synthesizer kaum ersetzen können. Als zusätzliche Soundquelle gehen die Wavetables aber in Ordnung.
Bis auf klassische Pads liefert Delia solide Vintage Presets
Natürlich sind gute klassische Presets realisierbar, die stark an die 70er oder 80er Jahre erinnern. Ich spiele sie live und direkt über die Tastatur mit Aftertouch an. Delia ist keine hundertprozentige Retro-Maschine. Man spürt immer wieder einen leicht digitalen Beigeschmack und einen „Gritty“-Sound, das dieses Gerät von den meisten Vintage Synths unterscheidet.
Eine herbe Enttäuschung erlebe ich bei den Pads. Wie das überraschend bläserartige Jupiter Strings“-Beispiel schon offenbart, haben die Presetdesigner hörbar kapituliert. Auch weitere Synthpads erzeugen nicht viel Dichte, Wärme und Fülle. Kurz: Delia ist kein Tipp für Pad Lover.
Phrasen erstellen mit Melbourne Instruments Delia
Bei den Factory Presets nehme ich Arpeggiator- und Sequenzer-Patches eindeutig als Mangelware wahr. Eigentlich muss man bezüglich Sequenzer-Phrasen selbst initiativ werden. Auf eigene Faust wird man auch die Multis mit zwei verschiedenen Layer-Sounds im 12-Stimmen-Modus erforschen. Ganz so flüssig laufen die Aktionen nicht. Im multi-timbralen Betrieben wünsche ich mir, dass man vorhandene Presets als Vorlage schnell anwählen und miteinander kombinieren kann. Auch ein paar fertige rhythmische Muster für den Sequenzer und Phrase Looper würden den Start ins kreative Sounddesign vereinfachen. Hier lässt der Hersteller seine Kunden ein wenig im Stich. Deshalb rate ich jedem neuen Besitzer eines Melbourne Instruments Delia, dranzubleiben und eigene Sounds zu kreieren. Es liegt viel mehr Potenzial versteckt, als die Factory Presets vermuten lassen
Die Alternativen zum Melbourne Instruments Delia
Egal, welchen Mitbewerber man sich anschaut: Es stellt sich immer die Gretchenfrage: Wie hast du es mit einem Panel aus Motor-Reglern? Melbourne Instruments steht mit diesem Feature ziemlich allein dar. Ich möchte Delia dennoch mit anderen Tastatur-Synthesizern vergleichen.
Als Konkurrenten sehe ich vor allem die ebenfalls jüngere Firma UDO Audio mit dem Super 6. Das ist ein virtuell-analoger Spezialist für binaurale Klänge. Preislich ähnlich liegt der Clavia Nord Wave 2 mit vier flexiblen Layer bei großzügiger Polyfonie. Dies erfreut jeden spielfreudigen Band-Keyboarder. Auch der Novation Summit hält mit seiner Mischung aus VA und Wavetables gut mit.
Möchte man die maximale Synthese-Vielfalt und möglichst viele Presets konsumieren, ist das Waldorf Iridium Keyboard eine sehr gute Wahl. Anders gesagt: Für über 2.000 Euro bekommt man meist eine bessere Sound- und Effektausstattung als bei Delia, aber keinen Hardware-Synthesizer inklusive Motor-Regler.
Der Waldorf Iridium und Quantum sind enorm vielseitige Premium-Synthesizer. Sie stehen bei Designern und Musikern hoch im Kurs. Sie alle lieben Presets. Wir nennen einige der besten Sounds – für umsonst oder für einen überschaubaren Kostenaufwand.
Features | Melbourne Instruments Delia | UDO Audio Super 6 | Clavia Nord Wave 2 | Novation Summit | Waldorf Iridium Keyboard |
Oszillator | Vier Oszillatoren (VA, Wavetable) | Zwei Oszillatoren (VA) | Zwei Oszillatoren (VA, Sampling, FM, Wavetable) | Drei Oszillatoren (VA,Wavetable, FM) | Drei Oszillatoren (Wavetable, VA, Sampling, Resonator, Granular, FM) |
Stimmen | 6 | 6 (Binaural) | 48 | 16 | 16 |
Multimode | zweifach | nein | nein, aber vier Layer | zweifach | zweifach |
Filter | Analoger 12/24dB Tiefpass plus Hochpass | Analoger 24dB Tiefpass | Digitales Multimode-Filter mit sechs Typen | Analoges 12/24dB Multimode-Filter | Zwei digitale Stereo-Filter |
Effekte | Chorus, Delay, Reverb | Chorus und Delay | EQ, Chorus, Tremolo, Delay und Reverb | Chorus, Delay, Distortion, Reverb | Master-FX-Rack mit 5 Slots, Master-Kompressor |
Tastatur | 49 Tasten, Aftertouch | 49 Tasten, Afterouch | 61 Tasten, Aftertouch | 61 Tasten, Aftertouch | 49 Tasten, polyfoner Aftertouch |
Abmessungen und Gewicht | 81 x 32 x 14 cm 8,7 kg | 83 x 35 x 9 cm 8 kg | 99 x 10 x 29,5 cm 8,75 kg | 99,8 x 30,2 x 7,1 cm 11 kg | 85,1 x 35,5 x 11 cm 12 kg |
Preis | 2.640 EUR | 2.699 EUR | 2.499 EUR | 2.099 EUR | 2.619 EUR |
Bewertung im Test | 4,5 | 4 | 4,5 | 4,5 | 4,5 |
Produkt bei Thomann | https://www.thomann.de/de/behringer_kobol_expander.htm?offid=1&affid=84 | https://www.thomann.de/de/udo_audio_super_6_white_se.htmoffid=1&affid=84 | https://www.thomann.de/de/clavia_nord_wave_2.htm?offid=1&affid=84 | https://www.thomann.de/de/novation_summit.htm?offid=1&affid=84 | https://www.thomann.de/de/waldorf_iridium_keyboard.htm ?offid=1&affid=84 |