Praxis
Sound
Ende der 80er Jahre gab es einen großen Hype um die kalifornischen Gitarrencombos. Angeblich spielte damals so gut wie jeder Studiogitarrist in LA die sagenhaften Amps, die schon Carlos Santana zu schätzen wusste. Während sie damals den schon erwähnten nasal-mittigen Sound repräsentierten, klingen die aktuellen Modelle wesentlich offener und größer. Unser Testkandidat bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten und eine satte Endstufenleistung von 35 Watt, mit der man auch problemlos gegen etwas lautere Drummer und Basstiere anstinken kann.
Kommen wir zu den cleanen Sounds. Hier kann der Mark Five:35 absolut überzeugen. Dank seiner 35 Watt steht ein gewaltiger Headroom zur Verfügung, der auch bei hohen Lautstärken einen stabilen Cleansound ermöglicht. Der erste Kanal bietet drei unterschiedlich gefärbte Klänge, die sich neben ihrem Frequenzgang und ihrer Ansprache auch in ihrer Zerrintensität unterscheiden. Beginnen wir mit der cleansten Einstellung, die durchaus fenderartige Qualitäten besitzt. Der Gainregler steht hier auf 10 Uhr, Treble und Bass auf 12 Uhr und der Mittenregler auf 11 Uhr.
Dreht man den Gainregler weiter auf, erhält man einen schmutzigen, aber immer noch kultivierten Sound, der mich an einen aufgerissenen Princeton erinnert. Im folgenden Soundbeispiel habe ich den Gainregler auf 13 Uhr gestellt und die Klangregelung unverändert gelassen. Der EQ ist auch hier deaktiviert und der Amp läuft, wie bei allen Soundbeispielen, im 35-Watt-Modus.
Der Fat Modus ähnelt dem erste Modus, er hat jedoch einen rundum wärmeren Sound und einen etwas fetteren Tieftonbereich. Dadurch eignet er sich nicht nur gut für jazzige Gelegenheiten. Bei Bedarf entschärft er auch zu harsch klingende Stegpickups von Tele- oder Stratocaster.
Im vorherigen Soundbeispiel hatte ich den Gainregler noch in der 10-Uhr-Position, was einen cleanen und lebendigen Ton zur Folge hat. Aber auch hier lässt sich das Ganze fein nuanciert anzerren. Für mich liegt der Sweet Spot je nach verwendeter Gitarre zwischen 13 und 15 Uhr, ideal für Blueser und Country-Rocker.
Die dritte Einstellmöglichkeit des oberen Kanalzuges ist der sogenannte “Crunch Mode”. Hier zerrt der Amp schon weitaus saftiger als in den beiden vorherigen Modi, klingt jedoch auch eine Spur komprimierter. Der Übergang von clean zu verzerrt fällt allerdings nicht so fließend und weich aus wie beim Meister dieser Disziplin, dem Vox AC 30. Der Testamp klingt eher fendermäßig und dementsprechend etwas ruppiger, was natürlich auch seinen Reiz hat. Zuerst gibt es wieder ein Audiobeispiel mit dem Gainregler auf der 10-Uhr-Marke.
Für dich ausgesucht
Hier nun ein zweites Soundbeispiel im Crunch-Modus mit einer etwas höheren Verzerrung. Der Gainregler steht jetzt auf 14 Uhr, wobei der Ton eine leicht rauchige und singende Note bekommt. Hier lassen sich bestens kantige Riffs im Stil von AC/DC und Aerosmith abfeuern.
Kommen wir zum unteren Kanalzug, der ebenfalls drei unterschiedliche Modi bietet. Hier geht es nicht nur um immer mehr Gain, sondern auch um die Zerrstruktur, die Ansprache und das Spielgefühl. Man braucht übrigens keine Angst zu haben, dass der Amp wegen seiner 35 Watt im Bassbereich nicht fett genug klingt. Ganz im Gegenteil habe ich den Bassregler bei keinem Soundbeispiel über die 12-Uhr-Position gedreht, danach wird es einfach zu viel des Guten. Hier nun ein Soundfile mit dem Mark II Modus. Der Gainregler steht auf 11 Uhr, Bass und Mid ebenfalls, und der Trebleregler in der 12-Uhr-Position.
Mit Gain-Einstellungen zwischen 14 und 15 Uhr kann man etliche Classic-Rock-Facetten abdecken. Der Ton ist noch nicht zu überbraten und eignet sich gut für Rhythmus/Solo-Kombinationen. Dank der beiden abrufbaren Sololautstärken könnten Hardrocker hier schon ihren heiligen Gral gefunden haben.
Der Mark IV Modus klingt für meinen Geschmack am breitesten von den drei Sektionen des “heißen” Kanals. Hier erhält man viel Verzerrung mit vielen Obertönen ohne jegliche Tendenz zu einer undifferenzierten Wiedergabe. Der Ton bleibt trotz der satten Verzerrung durchsichtig und klar. Man muss nur mit dem Bassregler aufpassen, denn gerade mit viel Verzerrung wird es bei zu hohen Einstellungen zu fett. Im kommenden Soundbeispiel steht der Gainregler auf 12 Uhr.
Obwohl es noch heftiger geht, habe ich im nächsten Audiofile den Gainregler nur auf 15 Uhr gedreht, weil es für meinen Geschmack sonst einfach zu überbraten wirkt. Hier ist der Ton allerdings schon stark komprimiert und es beginnt eine “Gleichmacherei” und leichte Schönfärberei, die man entweder mag oder auch nicht. Dank der hohen Kompression lassen sich Flitzefingeraktionen sehr gut realisieren.
Obwohl “XTream” irgendwie nach mehr klingt, hatte ich nicht den Eindruck, dass der Amp in diesem Modus noch mehr Verzerrung oder Brachialität bringt. Was sich ändert, ist das Spielgefühl und ein etwas strafferes Mittenbrett wird generiert, wodurch man bei sehr hohen Verzerrungen eine bessere Definition im Anschlag hat.
Zum Schluss gibt es noch ein Beispiel mit dem eingebauten EQ. Sehr populär ist die sogenannte “V”-Einstellung, bei der die Mitten bei 750 Hz herausgenommen und die Bässe und die Höhen geboostet werden. Im Grunde genommen macht es jedoch keinen Sinn, mit dem EQ den Frequenzbereich um 80 Hz zu stark anzuheben, weil die meisten Toningenieure live und im Studio genau diesen Bereich für den Bassisten und die Bassdrum mit einem Low Cut freischaufeln. Wenn man nun auch noch den Mittenbereich zu stark absenkt, bleiben am Ende nur noch Höhen übrig. Deshalb würde ich diese Einstellung nur mit äußerster Vorsicht einsetzen. Aus diesem Grund habe ich im letzten Soundbeispiel die Mitten nur leicht abgesenkt und den unteren und den oberen Fader auch nur einen Tacken angehoben.