Praxis
In Sachen Design und Verarbeitung kann man dem Transatlantic auf jeden Fall schon mal Bestnoten geben. Aber was nutzt das schickste Outfit, wenn der Sound nicht stimmt. Als Nachttisch-Lämpchen wäre das Teil doch etwas zu kostspielig… Daher geht es jetzt ans Eingemachte und wir checken, ob der Verstärker auch klanglich bestehen kann. Dabei bewegen wir uns Schritt für Schritt von „Clean“ in Richtung „Verzerrt“. Zum Einstieg habe ich die übliche 12Uhr-Einstellung gewählt (alle Regler auf Mittelstellung) und wir hören uns den Unterschied der beiden Klangmodi ´Normal´ und ´Top Boost´ bei voller Leistung (25 Watt) an.
Gitarre | Volume | Treble | Bass | Cut/Master | Mode | Power |
Strat | 12 | 12 | 12 | 12C | Normal, Top Boost | 25W |
Der Top Boost-Mode ist an den Klangcharakter des Vox AC30 angelehnt, kommt aber mit einer Prise mehr Gain und etwas mehr Lautstärke daher. Im Normal-Mode bekommen wir es mit einem typischen Clean-Sound aus der kalifornischen Ecke zu tun. Den Cut-Regler kennt man auch vom AC30, hier werden die Höhen abgesenkt. Die Absenkung beginnt schon ab 1 kHz, wird breitbandig nach oben durchgeführt und besitzt im höheren Bereich einen stärkeren Wirkungsgrad. Jetzt das Ganze noch einmal im Gitarristen-Deutsch: Regler nach links – heller Sound, Regler voll aufgedreht – dumpf. Die optimalen Klangergebnisse bekommt man in einer eher mittleren Einstellung, aber auch das ist immer abhängig von der Position des Treble-Reglers. Im folgenden Beispiel hört ihr die eben beschriebenen Extrem-Einstellungen des Cut/Master-Reglers, bei einer Treble-Einstellung von 12 Uhr.
Gitarre | Volume | Treble | Bass | Cut/Master | Mode | Power |
Strat | 12 | 12 | 12 | 7C-17C | Top Boost | 25W |
Wenn man im Top Boost-Mode den Treble-Regler weiter aufdreht und Cut/Master total zurücknimmt, erhält man einen sehr bissigen angezerrten Ton mit ausgezeichnetem Dynamik-Verhalten. Bei leichtem Anschlag bleibt der Klang weitestgehend clean, haut man aber etwas beherzter in die Saiten, erhält man eine Verzerrung, die sich hauptsächlich in den oberen Frequenzen abspielt. Wem das zu hell klingt, der könnte jetzt noch die Höhen etwas mit dem Cut/Master absenken, der crispe Sound und die höhenbetonte Verzerrung blieben aber dennoch erhalten. Die Einsatzfrequenz sowie die Wechselwirkung beider Regler sind sehr gut aufeinander abgestimmt.
Gitarre | Volume | Treble | Bass | Cut/Master | Mode | Power |
Strat | 12 | 15 | 14 | 7C | Top Boost | 25W |
Im Normal-Mode ist die Zerrgrenze etwas höher angesiedelt. So liefern Volume-Einstellung bis ca. 14 Uhr einen relativ unverzerrten Ton, dann beginnt es im Höhenbereich crisp zu zerren. Die Endstufe macht sich mit einem schmatzigen Sound und einer guten Portion Kompression bemerkbar.
Gitarre | Volume | Treble | Bass | Cut/Master | Mode | Power |
Strat | 14 | 14 | 16 | 10C | Normal | 25W |
Mit dieser Einstellung, ich nenne so etwas immer den maximalen Cleansound, erreichen wir einen Schalldruck, der locker ausreicht, um im Proberaum oder auf einer kleinen Bühne mit Bass und Schlagzeug mithalten zu können. Die Lautstärke des Clean-Sounds ist für mich ausschlaggebend dafür, ob ein Amp bühnentauglich ist oder nicht, denn bei den verzerrten Sounds gibt es meist keine Probleme mit der Lautstärke.
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Kommen wir zu Channel 2. Und auch hier wird zunächst einmal der 12 Uhr-Sound mit allen drei Amp-Modes erforscht.
Wenn man ihn mit einer Single-Coil-Gitarre bearbeitet, bleibt der Tweed-Mode in dieser Einstellung noch clean. Kommt allerdings eine Les Paul zum Einsatz, fängt der Amp schon leicht an zu zerren. Für diesen Schaltkreis standen die alten Fender Tweed Amps Pate, die für einen glasklaren Sound und höhenbetonten Overdrive bekannt sind.
Gitarre | Volume | Treble | Bass | Cut/Master | Mode | Power |
Strat | 12 | 12 | 12 | 12 | Tweed | 25W |
Der Hi1-Mode führt uns über den Atlantik zu einem „anderen legendären britischen Amp“, wie es im Handbuch beschrieben wird. Dieser Mode hat schon wesentlich mehr Gain-Reserven, und es wird die komplette Bandbreite an mittenbetonten Overdrive-Sounds geboten. Die dynamische Ansprache ist vorbildlich.
Gitarre | Volume | Treble | Bass | Cut/Master | Mode | Power |
Strat | 12 | 12 | 12 | 12 | Hi1 | 25W |
Hi2 ist dann wieder in Amerika angesiedelt. Das Vorbild kommt aus dem eigenen Haus. Der typische Boogie-Lead-Sound mit hoher Verzerrung und einer dicken Packung Sustain, bei dem selbst eine Singlecoil-Gitarre ein dickes Zerrbrett abliefert.
Gitarre | Volume | Treble | Bass | Cut/Master | Mode | Power |
Strat | 12 | 12 | 12 | 12 | Hi2 | 25W |
Selbstverständlich lässt sich auch der Tweed-Mode zum Zerren bringen. Wer auf traditionelle Sounds steht, bei denen auch die Endstufenverzerrung eine Rolle spielt, der kommt hier voll auf seine Kosten. Das habe ich im nächsten Beispiel gemacht. Der Power-Schalter steht auf 15 Watt. In diesem Setting ist die Class A-Einstellung angewählt (In der 25W-Variante begeben wir uns in den Class A/B-Modus). Den Master habe ich voll aufgerissen und auch beim Gain ein wenig nachgelegt. Jetzt noch die Gretsch angeschlossen, und schon finden wir uns in den 50er Jahren wieder.
Gitarre | Volume | Treble | Bass | Cut/Master | Mode | Power |
Gretsch | 14 | 14 | 15 | 17 | Tweed | 15W |
Die Interaktion zwischen Gitarre und Amp ist hervorragend. Ein harter Anschlag wird mit einem knackigen Crunch-Sound belohnt, dessen Zerr-Frequenz in den oberen Mitten angesiedelt ist. Die Arbeitsweise der Amp-Modi und Power-Modes sowie die bevorzugten Einstellungen, sind übrigens im beiliegenden Handbuch sehr ausführlich beschrieben. Nicht jeder Hersteller gibt sich so viel Mühe, wie Mesa, seinen Kunden die Produkte nachhaltig und detailliert zu erklären.
Weiter geht es mit dem Hi1, dem Marshall-Sound. Hier habe ich den 5 Watt (Class A Single Ended) Power-Mode angewählt, damit die Endstufe mal so richtig ins Schwitzen kommt. Um zu demonstrieren, welche Bandbreite in diesem Modus steckt, hört ihr im folgenden Beispiel drei Einstellungen des Gain-Reglers. Man kann bei wenig Gain einen typischen, mittenbetonten Crunch-Sound erzeugen. Je weiter man aufdreht, umso mehr geht es in Richtung Hi-Gain – der Klang, den man traditionell mit Marshalls und vorgeschalteten Verzerrern erzeugt.
Gitarre | Volume | Treble | Bass | Cut/Master | Mode | Power |
SG | 9-12-17 | 14 | 12 | 17 | Hi1 | 5W |
Die Akkordverständlichkeit bei Hi-Gain-Sounds ist gut. Hier kommt der Beweis: Die Akkorde E, G, D, A, und E werden nacheinander angeschlagen und sind noch klar als solche zu erkennen. Auch wenn man einzelne Saiten des E-Dur Akkords nacheinander anschlägt, bleiben die Töne differenziert hörbar– und das trotz satter Verzerrung.
Gitarre | Volume | Treble | Bass | Cut/Master | Mode | Power |
SG | 17 | 14 | 12 | 17 | Hi1 | 5W |
Jetzt noch der Hi2-Mode in seiner ganzen Schönheit, ebenfalls bei 5 W. Für das Audio habe ich die tiefe E-Saite meiner Les Paul auf C# herunter gestimmt, und auch das bereitet dem kleinen Kasten keine Probleme. Der Sound kommt fett und druckvoll über die 1×12-Box. Wer jetzt glaubt, dass der 5 Watt Power-Mode bei dieser Einstellung wie ein kleiner Radiowecker klingt, der liegt völlig daneben. Das Teil macht einen Höllenlärm – damit kommt man in jeder Rockband durch.
Gitarre | Volume | Treble | Bass | Cut/Master | Mode | Power |
Les Paul | 17 | 16 | 13 | 17 | Hi2 | 5W |
Abschließend hören wir noch ein Beispiel mit Band, das demonstriert, wie vielseitig der Transatlantic im Recording einsetzbar ist. Alle Gitarrenspuren wurden mit dem kleinen Riesen aufgenommen. An den Sounds muss man klanglich wenig nachbearbeiten. Der Transatlantic ist wirklich ein sehr guter Recording-Amp. Dabei möchte ich besonders die Power-Modes herausheben, die es möglich machen, die Endstufe des Amp an ihr Limit zu bringen, ohne dass man im „Lärm“ vergehen muss.
js sagt:
#1 - 06.05.2013 um 23:42 Uhr
Toller amp - tolle sounds - aber live nicht zu gebrauchen!
Ich habe den amp selbst 6 Monate lang gespielt. Der amp liefert wie beschrieben wirklich jede Menge hervorragende sounds. Er ist jedoch absolut nicht bandtauglich. Warum? Vielseitigkeit ist natürlich nur zu erreichen, wenn die Potis große Wirkung auf den Sound entfalten. Und genau da beginnt live das Problem. Der amp muß komplett neu eingeregelt werden, wenn gain oder volume verändert werden. Und genau das passiert bei Proben und gigs: der Kollege an den drums wird lauter, der amp ist zu leise, also volume hoch, und sofort klingt´s nicht mehr, gar nicht. Alle anderen Knöpfe müssen nachgezogen werden, und die sweetspots sind nicht eben leicht zu finden. Oder man will von clean auf leichten crunch erhöhen, genau dasselbe: der Sound wird sofort unbrauchbar. Bei Proben ist das Nachregeln evtl. noch machbar, bei gigs sicher nicht. Zusätzlich gibt es noch einen weiteren gravierenden Nachteil: die Mitten in Kanal 1 und Kanal 2 sind sehr unterschiedlich ausgelegt. In der Praxis bedeutet dies: man stellt seinen Tubescreamer auf den wirklich himmlischen Vox- Kanal 1 ein, erhält einen unglaublich musikalischen Leadsound, beim Umschalten auf Kanal 2, egal ob Tweed oder Marshall oder Boogie, fängt´s an dann zu matschen. Kanal 2 bringt nämlich vergleichsweise schon viele Mitten mit, die bekanntermaßen durch den Tubescreamer nochmals angehoben werden. Der amp ist also auch kein echter 2- Kanaler. Ich kann also jedem nur dringend empfehlen, die Praxistauglichkeit vor der Ladenkasse zu prüfen. Das spart Ärger und Geld.