ANZEIGE

Microtech Gefell M 221 Test

Praxis

Es fällt in unserem ersten Versuch mit dem Microtech Gefell M 221 zunächst auf, dass das Mikrofonsignal nicht besonders spritzig und höhenreich klingt. Das ist bei unserem Testaufbau auch kein Wunder, denn das Kondensatormikro ist freifeldentzerrt – eine Diffusfeldentzerrung macht durch eine Höhenanhebung wieder wett, dass Druckempfänger mit zunehmendem Abstand zur Schallquelle im oberen Frequenzband abnehmende Pegel empfangen. In der Positionierung wie in den Soundbeispielen leidet naturgemäß etwas die räumliche Darstellung, im Gegenzug wird das Signal aber etwas voluminöser, dicker und mächtiger. Dieser Umstand ist keineswegs negativ zu betrachten, sondern hat schlicht mit der Wahl des Aufstellungsortes zu tun, der für die Vergleiche für alle Mikrofone identisch war. Bei geringeren Abständen (aber selbst weit im Raum wie im Beispiel mit der Akustikgitarre) wird deutlich, dass das Gefell ein hervorragend natürlich klingendes Mikrofon ist, welches auch den kleinsten Anflug von Charakter verhindern zu wollen scheint. Vergleicht man das Signal mit den ebenfalls grandios natürlich klingenden Schoeps-Systemen und den tendenziell analytisch-drahtiger klingenden DPAs, kann man dennoch einige Eigenschaften feststellen, die das M 221 ausmachen. So wirkt es etwas konkreter, direkter und durchsetzungsfähiger, was an der gefühlt höheren Präsenz des Gesamtsignals liegt. Mit der Nähe der Besprechung und höherem Anteil axial aufgenommenen Direktschalls nimmt dieses Phänomen wieder etwas ab – wahrscheinlich ist die weit in den oberen Frequenzbereich hinein stabile Richtcharakteristik ein gutes Stück mit dafür verantwortlich. 

MG M 221 während des Tests im AB-Betrieb
MG M 221 während des Tests im AB-Betrieb

Es ist schon erstaunlich, wie schnell und wie trocken dieses Mikrofon ist– da schmiert nichts. Anders als etwa ein Oktava 012 ist es eben nicht bauchig, was in vielen Recordingsituationen vorteilhaft sein kann. Wo ein Drumkit durchaus mal etwas schwimmen darf, ist dies beispielsweise bei Orgelaufnahmen zu vermeiden, da hier der Raum und die Phasenlagen an den (meist nur zwei) Mikrofonorten für das “große” Gefühl zuständig sind – und auch ausreichen sollte. Der Akustikgitarre im Soundbeispiel tut das ebenfalls sehr gut, achtet mal auf den Direkt- und Diffusschall der Basssaiten! 

Audio Samples
0:00
Microtech Gefell M 221 Microtech Gefell M 221 mit KA 3 Microtech Gefell M 221 mit KA 6

Möchte man den Frequenzgang verändern, greift man zu den Kugelaufsätzen KA 3 oder KA 4, die natürlich nicht nur auf der Achse, sondern insgesamt wirken. Derartige Kugelaufsätze übrigens sind keine Besonderheit von Microtech Gefell, sondern finden zum Beispiel auch bei DPA ihre Verwendung. Was ich bei DPA praktischer finde: Hier muss das Kapselgitter nicht abgenommen werden, um die Kugeln zu installieren (dafür erfordert dort die Änderung des Grids oder die Verwendung des Nose Cones die Arbeit vor der offenen, frei zugänglichen Membran!). Der kleinere KA 3 hebt zwischen 4 und 12 kHz um ganze 3 dB an, der größere KA 4 wirkt in diesem Umfang schon ab etwa 3 kHz. Beide akustische Equalizer setzen bei etwa 1000 Hz ein, das Air Band bleibt eher unbeeinflusst. Die Eigenschaften des M 221 ähneln mit Aufsatz denen des legendären Neumann M 50, welches heute als M 150 Tube erhältlich ist und entgegen dem ersten Eindruck ein Kleinmembran-Kondensatormikrofon ist. Die Kapsel mit der Titanmembran ist dort fest in eine kleine Kugelfläche eingebaut. Die Wirkungsweise ist neben der Änderung des Pegelfrequenzgangs auch die stärkere Richtwirkung des Systems, was bei Überhallung an der Mikrofonposition hervorragende Ergebnisse liefert. An der Mikrofonposition für die Audiobeispiele klingt das Signal dann auch deutlich passender – hier wäre die Verwendung eines der Kugelaufsätze also die deutlich bessere Entscheidung. Generell habe ich jedoch die Erfahrung gemacht, dass man im Zweifel lieber aus klanglichen Gründen auf den Kugelaufsatz verzichten sollte – auch ein akustischer Equalizer ist schließlich ein Equalizer, was die Phasenlage nicht unbeeindruckt lässt. Allerdings gilt auch hier, dass der Qualitätsabfall oftmals am Rande der Wahrnehmungsschwelle rangiert. Wen Schallbeugungskugeln weiter interessieren, der sollte sich übrigens mal bei Schoeps das Stereomikrofon KFM 6 ansehen sowie seine Weiterentwicklung für Surroundanwendungen. In jedem Fall ist die Verfügbarkeit der Aufsätze eine Bereicherung für das Kleinmembran-Mikrofon:

Das Gefell mit Kugelaufsatz
Das Gefell mit Kugelaufsatz

Über das Matching habe ich bislang kein Wort verloren – wozu auch? Bei derart penibler Arbeit in Gefell ist es kein Wunder, dass man einfach zwei Kisten mit zwei Mikrofonen geschickt bekommt. Wahrscheinlich hätte man in Thüringen auch blind ins Lagerregal greifen können und zwei zufällige M 221 versenden können, möglicherweise wurde genau das getan. Die Qualitätssicherung bei MG funktioniert (anders als beim englischstämmigen Autohersteller mit dem gleichen Kürzel übrigens) hervorragend, insofern sind mit den Ohren auch nach langem Kennenlernen wirklich keinerlei Unterschiede zwischen den beiden Mikrofonen auszumachen. Ein abschließender Gedanke noch: Es gibt einige Stimmen unter den Mikrofonnutzern, aber auch -herstellern, die die Nichtmodularität eines Systems begrüßen, weil in diesem Fall der Mikrofonverstärker explizit auf die Kapsel abgestimmt werden kann.

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.