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Midas Venice U-24 Test

Praxis

Das Midas Venice U-24 stellt man hin, schließt das Netzkabel an und kann loslegen. Sicher: Um die Audioverkabelung muss man sich ein paar Gedanken machen, aber die Anschlussbeschriftung und die räumliche Verteilung sind hervorragend gelöst. Der Hersteller schafft den Spagat zwischen Routingflexibilität und einfacher Bedienbarkeit sehr gut. Hat man sich die Matrix und die Möglichkeiten rund um das Dreibus-Prinzip kurz im Signalflussdiagramm angesehen, kann es losgehen. Ein paar Kniffe wie die Changeover-Funktionen gehen etwas weiter, aber werden auch notwendigerweise benötigt. Dennoch lohnt es sich, sich mit den Sonderfunktionen ein wenig auseinanderzusetzen: Besonders der Aux/Bus-Changeover ist beim Betrieb als Monitorpult hervorragend, denn dadurch kann das Main-Level jedes einzelnen Monitormixes von den Aux-Sends mit dem 100mm-Fader geregelt werden – das ist deutlich komfortabler als mit einem Poti. Im Betrieb zeigt sich auch, wie wohlüberlegt die Routingmöglichkeiten des USB-I/O sind. Sie sind nicht derart üppig, dass sie verwirren könnten, aber auch nicht starr, dass manche wichtigen Möglichkeiten außen vor bleiben müssten. Ob eher auf Record oder Wiedergabe ausgelegt – es wird immer eine Lösung geben. Ich wiederhole mich bewusst, wenn ich auf die hervorragende Vielseitigkeit der Multi-Channels hinweise, die ja auch aus dem USB gespeist werden können.

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Auf Zustimmung wird sicher bei Usern durch alle Klassen vom Anfänger bis zum Vollblutprofi die optische Organisation sorgen. Alle Bereiche sind klar voneinander getrennt, Funktionsgruppen stimmig und sinnvoll aufgebaut. Eine große Hilfe ist die stringente Farbgebung. So sind Mutes und Bypasses in Rot, Solos in Gelb gehalten. Gruppen sind blau, Monitore rot, Auxe 1 und 2 grün, 3 und 4 gelb. Und so weiter: Die klaren Bonbonfarben mögen vielleicht auf den ersten Blick albern wirken, helfen aber, den Überblick zu behalten. Nicht zuletzt deswegen gehört beispielsweise der GML 8200 zu den zu den am besten zu bedienenden Equalizern. Auch die Ausstattung mit LEDs zur optischen Kontrolle ist nicht zu mager ausgefallen. Es empfiehlt sich dennoch, die beiden Lampenanschlüsse zu belegen, auch wenn diese ein Problem der Bedienergonomie nicht lösen können:
Der vierbandige Channel-EQ der Mono-Channels baut schon verdammt hoch – zwischen den engen Kranzpotis mit 3 cm Höhe muss man fast schon zusätzlich zu den Lampen die Maglite bemühen und den Kopf korrekt ausrichten, um bis auf die Gehäuseplatte blicken und die Beschriftung lesen zu können. Mir ist das zu kuschelig, wie sich die Elemente dort drubbeln, was sich auch in der Bedienung zeigt: Ich schaffe es nicht, den unteren Kranz komplett zu drehen, sondern muss ständig umgreifen. Meine Wurstfinger können den Ring nur zwischen 10 und 11 Uhr (bzw. 13/14, 16/17 und 7/8 Uhr) fassen, nicht direkt zwischen den Nachbarpotis. Es ist mir also deutlich zu eng bevölkert in der EQ-Sektion. Da machen die Pulte aus Midas’ Venice-F-Serie einiges besser: Deren Seitenansichten zeigen, dass dort ein ausgeprägtes, geknicktes Keilprofil gewählt wurde, welches das Handling deutlich gegenüber der einfacheren und flacheren Bauform verbessern kann, da Greifwege verkürzt und Sichtachsen begradigt werden. Es ist dadurch zwar etwas höher, aber das lässt sich meist verschmerzen.

Fotostrecke: 4 Bilder Die Doppelkranzpotis der EQs überragen die Pultoberfläche wie die die typische amerikanische Downtown die Vorstädte

Nun ist es natürlich so, dass es vorteilhaft ist, wenn ein EQ sich einfach bedienen lässt – vor allem im Live-Betrieb. Allerdings gilt natürlich auch dort, dass ein Equalizer vor allem klanglich überzeugen muss. Und das macht der Channel-EQ des Midas allemal! Ganz so, wie man es benötigt, packen die vier Bänder zu und können auch bei hohen Verstärkungen und Abschwächungen shapen, ohne die Signale hohl und löchrig oder klingelnd und unnatürlich klingen zu lassen. Vor allem in den Hochmitten ist es fast schon eine Kunst, ein Signal beißend werden zu lassen, im Gegenzug bleiben die Bässe auch bei höheren Boosts immer so kurz und trocken, wie sie in die Klangbearbeitung hineingeschickt wurden. Natürlich hätte man für sanftere Eingriffe gerne die Möglichkeit, einen etwas breiteren Frequenzbereich wählen zu können, zur Resonanzentfernung bei Drums wäre ein schmaleres Band hilfreich. Dennoch: Die feste Breite von einer Oktave in den Mittenbändern ist sinnvoll gewählt, und auch die Frequenz-Ranges entsprechen dem, was in der Praxis meist benötigt wird. Und ganz im Ernst: Wird das U-24 bei größeren Venues eingesetzt, kann sich im Siderack eben noch ein zweikanaliger Vollparametrik-EQ befinden – gemeinsam mit dem grafischen EQ für den Master, den Dynamics und Multi-Effects. Das bislang über den “großen” Channel-EQ gesagte gilt prinzipiell auch für den der Multifunktions-Stereochannels. Zwar geht die Einschränkung ein Stück weiter, doch klingen tut er erste Sahne.
Gelobt werden müssen zweifelsohne die Mikrofonvorverstärker des Midas Venice U-24. Die Preamps zeigen sich druckvoll und konkret – sind aber natürlich keine Feingeister, die jegliche noch so fragile Textur des Signals naturgetreu darstellen. Dafür erhält man Signale, die sich sehr gut handlen lassen. Man hat das Gefühl, immer gut Ordnung im Mix schaffen zu können und erst spät zur Klangbearbeitung greifen zu müssen.

Audio Samples
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Preamp EQ On/Off “kleiner” EQ Sweepthrough

Nicht unwichtig bei der Entscheidungsfindung über die Anschaffung eines Pultes ist die voraussichtliche Lebensdauer und Zuverlässigkeit. Nimmt man die verwendeten Materialien und die generelle Verarbeitung als Maßstab, wird man gut schlafen können – vor allem aber, da die U-Serie von Midas trotzdem erstaunlich günstig ist!

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