Mikrofone kann man eigentlich nie genug haben – egal ob günstig, teuer oder unerschwinglicher Klassiker: Alle haben ihren eigenen Sound und Charakter. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum das Interesse an neuen Modellen nicht abzureißen scheint. Was dem Gitarristen sein Bodentreter ist, ist dem Recordingmann sein Mikrofonschrank. Aber selbst bauen?
Als ich auf der heimischen Couch mal wieder im englischen Sound On Sound herumblätterte, blieb ich an einem Artikel hängen, in dem Chefredakteur Paul White ein Mikrofon anhand eines Kits der amerikanischen Firma microphoneparts.com bastelte (hier nachzulesen). Mein Interesse war sofort geweckt: Ein Mikrofon selbst bauen? Ist das nicht total kompliziert? Kann das klingen? Muss das nicht irgendwie nach der Montage ausgemessen werden, damit es das tut? Kriegt man für im Verhältnis weniger Geld mit einem Bausatz ein besseres Mic? Da ich mit meinem rudimentärem Kabellötwissen ja auch schon mal erfolgreich einen Synthesizer gelötet hatte, wollte ich es wagen – so ein Mikro hat schließlich deutlich weniger Teile…
Ich fand mein Risiko auch deshalb überschaubar, weil Paul White sein Kit schon in den höchsten Tönen gelobt hatte. Gesagt, getan – auf die Website des Herstellers gegangen, Mikrofon ausgesucht und bestellt. Da Paul das S-12 gebaut hat, ein Mic das laut Hersteller dem Charakter des legendären C12 von AKG nahe kommen soll, suchte ich mir natürlich ein anderes aus: Das T-47! Dieses Kit trägt die Nummer nicht zufällig im Namen. Es soll ein “Vintage Circuit Design” sein und dem Soundcharakter eines U-47 von Neumann nahe kommen. Uiuiui: Da hat man sich aber was vorgenommen! Das U-47 gehört zu den großen Legenden, heutzutage werden überlebende Exemplare gehandelt wie Gold – außerdem hatte das Original eine Röhre, und das T-47 nicht. Auf meine Frage schrieb mir Matt von Microphoneparts dazu: “Auch wenn ich hoffe, dass das T-47 einem Vergleich mit einem U-47 oder FET 47 stand hält, hoffe ich, dass ihr das Kit nicht als U-47 “Klon” präsentiert. Es ist eine sehr ähnliche Kapsel, aber die T-47 Schaltung ist sehr anders, genau wie Grill und Korpus (was auch einen Einfluss auf den Klang hat). Und die Kosten sind natürlich auch anders: Unser Kit kostet 350 EUR, ein neu aufgelegtes Collectors “Edition” FET 47 kostet 3.790 EUR.” Das stellen wir natürlich gern klar!
Ich bin nun wirklich nicht der amtlich geprüfte Fachmann mit Rechthabersiegel, um zu beurteilen, wie nahe dieses Kit dem Versprechen kommt – mich interessiert eigentlich nur, ob ein Mikrofon klingt. Ich nehme hauptsächlich weibliche Stimmen auf, weshalb ein Mikrofon mit „Röhrencharakteristik“ erstmal interessant ist. Verspricht man sich davon doch die typischen, durch Sättigung hervorgerufenen, “weichen” Höhen. Und das vorweg: Sollte mein Basteln erfolgreich verlaufen, werden wir auf jeden Fall noch einen A/B-Test mit dem Neumann Röhrenoriginal und der FET-Version machen. Denn so ein Soundcharakterversprechen gehört natürlich überprüft.
Bestellung und Lieferung der Bauteile
Die Bestellung auf der englischen Website lief problemlos, EUR 353,– plus Versand waren am Ende gut 370 EUR für den Spaß. Zahlen kann man u.a. mit Paypal. Prompt kam die Bestätigung und zwei Tage später eine Info vom Support aus USA: Da das Lager in England leer war, wollte mir der Support helfen, indem sie ein Kit direkt aus USA schickten – eigentlich echt guter Support, aber davon würde ich euch eher abraten: Denn bei Lieferungen von außerhalb der EU muss man zum Zoll. Das würde euch dann extra Geld kosten. Aber es war endlich da…
Der Mikrofonbausatz
Ich weiß: Wer Anleitungen liest, ist feige. Bei einem Bausatz erspart es einem aber die Tränen der Enttäuschung. Und da ich nun mal kein gelernter Elektronikfachmann bin, entschied ich mich feige zu sein. Eine gute Anleitung ist für Löt-Honks wie mich echt die halbe Miete. Und oh Freude: Diese Anleitung ist klasse! Gut geschrieben und ausführlich bebildert. Auch das Kit selbst macht einen guten Eindruck. Von den Bauteilen über die Kapsel bis zum Mikrofongehäuse sieht alles sehr sauber und wertig verarbeitet aus. Das natogrüne Gehäuse lässt sich übrigens auch in schwarz bestellen. Die Anleitung beinhaltet ein Foto mit Teileliste und sehr genauer Beschreibung. Die Teile selbst sind gemäß der Bauschritte separat verpackt und klar gekennzeichnet.
2/3 Also dann: Lötkolben vorheizen, Anleitung bereithalten…
3/3 …und alles so vorbereiten wie beschrieben.
Bastelstunde: Vorbereitungen
Als beherzter Lötamateur werde ich nun gewiss nicht so tun, als würde ich alles wissen. Aber ein paar Infos zu meinem Setup: Gummimatte zum Unterlegen, Lötkolben, Lötzinn, Entlötsaugpumpe und ein paar ordentliche (also nicht die ganz billigen) Zangen zum Abklippen und Biegen der Bauteilbeinchen. Neu für mich war das im Manual erwähnte “Deflux”-Spray – zum Reinigen der Platine nach erfolgter Lötung. Das wurde also schnell noch beschafft. Danach sortierte ich mir die Teile genau so wie auf dem Foto in der Anleitung, um mir das Auffinden der richtigen Teile zu erleichtern.
Lötkolben an: Es geht los!
Im ersten Schritt bestückt man die Widerstände. Dazu sollte man die Beinchen erst im richtigen Abstand für die Löcher in der Platine biegen. Da diese recht klein ist, muss man sehr genau arbeiten. In der Anleitung wird auch immer wieder darauf hingewiesen, dass die Teile möglichst an die Platine anliegend angelötet werden sollen – in so einem Mikrofonkorpus ist schließlich nicht viel Platz. Solche Warnungen und Tipps finden sich an allen kritischen Stellen im Manual, das hat mir sehr gut gefallen. Danach kamen die weiteren Bauteile, die zweite Platine mit dem Übertrager (übrigens von der Firma in den USA selbst entwickelt). Als besondere Soundgestaltungsnote sind zwei Widerstände dabei, wobei der eine für optimalen Headroom und ein relativ cleanes Verhalten sorgen soll, der zweite für mehr „Sound“ und harmonische Verzerrungen. Da ich das Mikro möglichst flexibel halten wollte, entschied ich mich fürs erste – was im Manual auch so empfohlen wird. Schade, dass man nicht beide zur Verfügung hat und per Schalter im Mikro je nach Anwendung umschalten kann.
Ein bisschen knifflig wurde es in der Montage: Die Mikrofonkapsel musste auf den Sattel des Mikrofonkorpus geschraubt und die Kabel anschließend durch die Bohrungen geführt werden. Dabei darf man die Kapsel tunlichst nur am Rand anfassen, niemals auf die Kapsel selbst „tatschen“. Das erwies sich mit dem leicht wackeligen Stand als etwas schwierig – auch weil man erstmal suchen musste, für welche der Bohrungen im Sattel denn auf der anderen Seite in der Kapsel entsprechend Löcher waren. Es ging aber alles glatt – schnell den Grill oben drauf zum Schutz und weiter ging es.
3/4 …und anschließend an der Rückseite verlötet werden.
4/4 Nach dem fröhlichen Platinen-Löten geht’s weiter mit der Kapsel.
Endmontage: Passt denn alles?
Nun schraubte ich die Hauptplatine in den Mikrofonkorpus, dann wurde es kurzzeitig wieder fummelig: Die von der Kapsel kommenden Kabel und die vom XLR-Anschluss am Fuß des Mics galt es mit der Platine zu verlöten. Auch das wird in der Anleitung genau beschrieben, ist größenbedingt nur etwas “feinteilig”. Auf den Fotos könnt ihr mein Leiden miterleben – ging aber zum Glück alles glatt. Am schwierigsten war eine “Luftlötung” wo vier verschiedene Komponenten vom Transistor über Widerstand und Kabelverbindungen nicht auf der Platine, sondern in der Luft “verzwirbelt” und dann gelötet werden mussten. Danach wurde die Übertragerplatine auf die gegenüberliegende Seite der Hauptplatine geschraubt – der spannende Moment des Schließversuchs war gekommen. Das klappte zu meiner Überraschung auf Anhieb – das Mikro war fertig!
1/2 Jetzt noch die Platine an Kapsel und Buchse löten, den Korb auf die Kapsel…
2/2 …und die “Hülle”. Fertig!
Der Moment der Wahrheit: Tut es – und (wie) klingt es?
In der Anleitung wurde genau beschrieben, wie man das Mikro in Betrieb nehmen sollte, und sogar Fehlersuchtipps werden aufgelistet. Aber was soll ich sagen: Ich steckte das Mikro ein und es brummte nicht – sondern klang gleich ziemlich gut!
Im Folgenden ein paar erste “schnelle” Beispiele mit einer weiblichen Stimme, alle über einen LA610 mit leichter 1.5 dB Höhenanhebung bei 10 kHz und einer Bassabsenkung von 3 dB aufgenommen, außerdem etwas Kompression. Normaler Weise würde man die Einstellungen passend zum unterschiedlichen Charakter der Mikros ändern, das habe ich hier natürlich für den Vergleich unterlassen. Die aufgenommene Stimme gehört Buket (vielen Dank nochmal für deine Hilfe!!). Ich habe einmal je eine tiefe und eine hohe Lage aufgenommen. Wir haben uns einen Text überlegt, der von Hauchlauten über S-Laute bis zu Konsonanten alles drin hat, ich hoffe, dass euch das einen Eindruck der verschiedenen Charaktere gibt! Wir haben hier keinen hoch wissenschaftlichen Test gemacht, sondern wollen euch nur einen Höreindruck geben – es gibt also leichte Performanceunterschiede zwischen den Tests.
Als Vergleichskandidaten habe ich ein älteres AKG Solidtube Röhrenmikrofon (wegen Röhrencharakter) sowie ein Aston Spirit gewählt (das im ähnlichen Preisbereich spielt). Ich hoffe, dass man auch nach der MP3 Konvertierung noch hören kann, dass unser Bastelmic sehr ausgewogen und “ungehypt” klingt. Gefällt mir wirklich ausgezeichnet – das Aston bewegt sich auf der anderen Seite der Skala (da würde man die Höhenanhebung also eigentlich eher lassen). Das Solidtube klingt im Vergleich wahrscheinlich am “rundesten”. Was man auch gut hört, ist dass je nach Lage sich ein anderes Mikrofon empfehlen könnte – die hohe Lage beim Aston klingt schon fast “Mix-Ready”. Der Charakter vom T-47 geht für mein Dafürhalten aber schon in die Richtung des Solidtube. Wäre nochmal interessant gewesen, was passiert wenn man den anderen Widerstand “dagegenhört” – vielleicht treibt es den Charakter dann ja noch mehr in die Richtung. Aber das Umlöten war mir dann doch zu riskant! 🙂
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Microphoneparts T-47 – Tiefe LageAKG Solidtube – Tiefe LageAston Spirit – Tiefe LageMicrophoneparts T-47 – Hohe LageAKG Solidtube – Hohe LageAston Spirit – Hohe Lage
Mein Gesamteindruck
Das DIY Projekt hat mir viel Spaß gemacht und hat mit Unterbrechungen – und ohne Hast – insgesamt etwa 4 Stunden Arbeitszeit in Anspruch genommen. Die Anleitung ist super, das Kit wirkt wertig – und mir persönlich gefällt das T47 Mikrofon fast so gut wie mein AKG auf Bukets Stimme. Das T-47 von microphoneparts.com macht haptisch und von der Performance einen guten Eindruck, beim Hörtest gefiel auch meinen Kollegen der Sound sehr gut (auch wenn es eine leichte Präferenz zum AKG gab). Allerdings – und das ist wichtig – kann das bei eurer Stimme schon wieder ganz anders sein. Man kann nicht oft genug sagen, dass man ein Mikro zur Stimme aussucht und nicht rein nach Marke und Datenblatt. Das könnt ihr bei der tiefen und hohen Lage auch schon sehr gut hören: da würde man eventuell Mikros switchen!
Ob sich das Kit nun für euch lohnt, kann ich nicht beantworten: Für 350 EUR bekommt man schon gute fertige Mikrofone – wie das hier mit im Vergleich befindliche Aston Spirit. Wer Lust auf ein neues Mikrofon mit Charakter hat, ist auf jeden Fall gut bedient. Ich bin schon sehr gespannt auf unseren “Nachtest” mit den Neumann Mikrofonen, der demnächst erscheint. Und eigentlich ich würde auch wirklich gern einen Vergleich mit dem “extremeren” Vintage-Charakter durch den anderen Widerstand hören. Vielleicht riskiere ich das nach unserem Test dann doch… Zur Webseite microphone-parts.com
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