Millenium Transformer E-Drumset Bundle Test

Praxis

Aufbauen, bis der Arzt kommt

Bevor ich mich an den Aufbau des Racks mache, suche ich erst einmal vergeblich nach einer bebilderten Aufbauanleitung für das Drumkit. Auch die Bedienungsanleitung zum MPS-600 Modul ist nicht im Paket enthalten. Der freundliche Thomann-Mitarbeiter weist mich nach telefonischer Nachfrage auf den unteren Bereich der Online-Produktseite hin, dort finde ich beides als PDF zum Download. Sobald ich alle Teile ausgepackt habe, geht es in freudiger Erwartung an den Aufbau, welcher alles in allem etwa eine Stunde in Anspruch nimmt. Das ganze Rack mitsamt allen Klammern und Haltern strotzt vor massivem Metall. Von den zahlreichen Schrauben laufen viele etwas schwergängig und nachdem ich mir den dritten metallenen Splitter aus dem Finger gepult habe, beschließe ich, den Aufbau mit Handschuhen fortzusetzen, um den teils nicht entgrateten Oberflächen der Pad-Halter und Multiklammern fortan aus dem Wege zu gehen. Ein paar Anläufe nehme ich für die Montage des Bassdrum-Pads, das, in einer Art Kreuz-Konstruktion, mit drei Rohren zwischen den äußeren Rack-Stangen und der Bodenplatte montiert wird. Hier sollte man übrigens besonders sorgfältig vorgehen, denn wenn die Bodenplatte zur Fußmaschinen-Aufnahme nicht absolut plan auf dem Boden liegt, kann es im Bassdrum-Signal zu massiven Fehltriggern und Klangauslösungen anderer Instrumente kommen.

Fotostrecke: 2 Bilder Das Bassdrumpad muss mit sehr viel Sorgfalt positioniert werden

Die wunderbare Welt der Schwerkraft

Nachdem alles sitzt und scheinbar stabil steht, schraube ich die übrigen Trommel-Pads an die dafür vorgesehenen Halterungen, montiere die Becken-Pads und verbinde zum Schluss die zahlreichen einzelnen Stereo-Kabel zwischen den Pads und dem MPS-600 Soundmodul. An dieser Stelle wird mir schlagartig bewusst, was ein Multicore-Kabel an anderen E-Drum-Sets doch für eine feine Sache ist. Nachdem alles passt, spiele ich die Trommel-Pads einmal ohne aktiviertes Modul an. Die Mesh-Heads erzeugen einen relativ starken Rebound, spielen sich aber trotzdem angenehm, sind keine Bedrohung für die Handgelenke und sind dabei leise. Die Mietwohnungstauglichkeit ist also zweifelsfrei vorhanden. Als ich versuche, die Fellspannung einzelner Mesh Heads mittels des beigefügten Stimmschlüssels anzupassen, kommt der nächste Dämpfer. Die auf den Spannreifen befindlichen Rim Silencer sind durchweg etwas zu breit ausgefallen. Ich bekomme den Stimmschlüssel, wenn überhaupt, nur mit sehr viel Kraft auf die Spannschrauben gesteckt. Das Rohr, an dem das Floortom befestigt ist, bekommt unterdessen wiederkehrende Anfälle von Schwerkraft und bewegt sich samt Pad und Beckenarm immer wieder in Richtung Boden – trotz bombenfest angezogener Schrauben und Klemmen. Dieses Phänomen gibt sich erst nach mehreren Tagen, kehrt aber nach einem erneuten Wiederaufbau des Racks sofort zurück.

Fotostrecke: 3 Bilder Vorsicht, scharf! Die Oberfläche der Multiklemme ist nicht entgratet

Für den Testaufbau justiere ich das Floortom mit einer rückseitig montierten Klemme, wodurch es besser die Position hält. Allerdings liegt nun der untere Spannreifen, bedingt durch die zu kurzen Pad-Halter, auf dem Rohr des Racks auf. Das kann also auch keine Lösung im Sinne des Erfinders sein. Ein weiteres Stabilitätsproblem hat die Bodenplatte zur Fußmaschinen-Aufnahme. Sie dreht sich im festgeschraubten Zustand wiederholt samt Verbindungsrohr zur Seite weg. Die übrigen Teile des Zubehörpakets wie der MDT4 Drumhocker, die PD-111 Fußmaschine und die DHS-6918C Hi-Hat-Maschine machen dagegen einen sehr guten Eindruck und sind leicht zu montieren. Die Hi-Hat-Maschine lässt sich zudem, durch flexible Positionierungsmöglichkeit aller drei Beine, jeglicher Aufbausituation anpassen. Nachdem ich den im Paket enthaltenen Millenium Hi-Hat-Controller auf der Maschine installiert habe, stöpsele ich noch den t.bone HD 990 Kopfhörer mit integrierter Schalldämpfung ins Modul.

Plug & Read

Direkt beim ersten Einschalten fällt auf, dass es sich beim Millenium Transformer Bundle Set nicht um ein typisches “Plug & Play”-Set handelt. Das Modul ist für die Anschlagsdynamik der Mesh-Head-Pads nicht vorkonfiguriert, da es von Haus aus für die Gummi-Pads des Millenium MPS 600 E-Drumsets eingerichtet wurde. Die Folge ist, dass sämtliche Becken-Pads normal laut ansprechen, die Trommel-Pads aber sehr leise und träge reagieren. Hier hilft ein tiefer Blick in das Online-Handbuch weiter: Eine starke Nachjustierung des Sensitivity-Wertes nach oben und des Threshold-Wertes nach unten schafft Abhilfe und sorgt dafür, die Lautstärken der einzelnen Instrumente anzugleichen. Die Sounds des Moduls sind sehr einfach und eindimensional gehalten und erinnern mich im tonalen Spektrum an mein erstes Yamaha DD-14 Tisch-Drumset aus den frühen 90er-Jahren. In den Preset Kits finden sich ein paar akzeptable Pop-Rock-Kits, ansonsten gibt es auch reichlich unfreiwillig trashig klingende Sounds. Viele Klänge wiederholen sich in diversen Kits, und des öfteren sind Pads mit unerwartet erklingenden Loops belegt. Ein sinnvolles Percussion- oder Jazz-Kit suche ich vergeblich. Für eine Editierung während des Spielbetriebes wie etwa die Anpassung der individuellen Instrumentenlautstärke oder die Anpassung des Clicks in Lautstärke und Tempo gibt es keinen unmittelbaren Zugriff. Nach etwas Anlernungszeit finde ich mich allerdings gut zurecht.

Laut und leise

Neben den unterdurchschnittlichen Sounds ist auch der dynamische Umfang, den das Modul wiederzugeben versteht, äußerst ernüchternd. Trotz dem gut sichtbar platzierten Aufkleber “professional product” auf den Trommel-Pads ist dynamisches Spiel in der Interaktion zwischen den Mesh Head-Triggern und dem MPS-600 Modul nur in sehr groben Zügen möglich. Ganz leise Schläge auf den Mesh Heads werden oft nicht wiedergegeben. Ab einer mittellauten Anschlagstärke, bei der die Ansprache der Pads erst einsetzt, bis hin zum lautesten Fortissiomo ist es ein kleiner, überschaubarer Weg. Das Snaredrum-Pad verschluckt bei kleineren Rolls einige Schläge und die Tom-Pads sprechen erst bei unnatürlich starker Bearbeitung an. Auch die Größe des Trigger-Bereiches auf den Fellen der Trommel-Pads hält sich in Grenzen. Mit anderen Worten: Abseits der Mitte geht es mit der Schlagerkennung rapide bergab. Die Trennung der separat belegbaren Rand- und Fellsignale auf den Pads funktioniert sehr gut. Lediglich den Rimclick kann ich bis zum Schluss nicht zuverlässig abrufen. Nach Erhöhung des Sensibilitätswertes im Modul sprechen auch die Crashbecken-Pads ausreichend an, allerdings ist die Zonentrennung zwischen dem Flächenklang des Ride-Cymbals und der Bell bei einigen Sounds nicht gut zu orten. Alle Becken-Pads sind übrigens choke-fähig, das heißt, der Sound kann mit den Händen abgestoppt werden. Etwas Eingewöhnung im Spiel bedarf der Hi-Hat-Controller, der auf der Hi-Hat-Maschine unter dem Becken-Pad montiert ist. Im Prinzip kann er nur drei Stockklänge (geschlossen leise, geschlossen Kante, geöffnet) und einen getretenen Chick-Sound wiedergeben. Einen halb offenen Stock-Sound oder einen ausklingenden Swish-Sound, der mit dem Fuß gespielt wird, kann ich dem Pad nicht entlocken. Für den offenen Stock-Sound muss das Hihat-Pad immer vollständig oben sein, bei nur leichter Öffnung vollzieht sich keine Klangveränderung. So klingen einzelne Kits des
Millenium Transformer Bundle Sets:

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Acoustic Acoust 1 Kit Acoustic Camco Kit Acoustic Rock Kit Acoustic 1971 Kit Electronic TR606 Kit

Eine Einzelaufnahme der Snaredrum:

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Snare Velocity Rolls

Und hier hört ihr verschiedene einzelne Bassdrums, Snaredrums und Toms:

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Einzelsounds Bassdrums Einzelsounds Snaredrums Einzelsounds Toms

Die Transformation

Wie im Details-Part schon angesprochen, lassen sich die Millenium Transformer Pads auch akustisch spielen. Das geschieht durch ein 180-Grad-Drehung der Pads, wobei die vormals akustischen Resonanzfelle jetzt als Schlagmembranen fungieren. Auf dem Bassdrum-Pad funktioniert es allerdings nicht, da die Fußmaschinen-Aufnahme nur einseitig justierbar ist. Und die Snaredrum hat natürlich auch keinen Snareteppich auf der Unterseite. Die Toms und die Snaredrum klingen mit den Meshheads als Resonanzfelle sehr kurz und pappig. Im Ergebnis ist die Möglichkeit eines akustischen Spielgefühls, zumindest auf der oberen Trommel-Pad-Ebene, gegeben, aber es klingt alles andere als schön.

VST

Die Verwendung des MPS-600 Moduls als Signalgeber für MIDI-Aufnahmen funktioniert über den herkömmlichen MIDI-Ausgang oder auch direkt per USB-Verbindung zum Rechner. Nahezu alle Klänge des Moduls werden in meiner DAW (Logic Pro 8) problemlos erkannt, nur die Hi-Hat-Parameter muss ich mit etwas Zeitaufwand in der zuständigen Untermenü-Einstellung des Moduls mit denen der DAW angleichen. Schnelle oder sehr leise gespielte Figuren und Double-Stroke-Rolls werden von den Triggern der Pads nicht erkannt und somit auch nicht mit aufgenommen. Auch Press-Roll-Wirbel sind nicht umsetzbar. Für die Aufnahme von einfachen Basis-Grooves, zum Beispiel im Projekt-Studio, funktioniert es allerdings ausreichend.
So klingt ein Groove, der per MIDI in Garage Band aufgenommen wurde:

Audio Samples
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MIDI Garageband Rock Kit

Und hier noch zwei Soundfiles mit nachträglicher Konvertierung in Sounds der Library “Abbey Road – Modern Drummer”:

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Groove Abbey Road Kontakt 5 Einzelsounds Abbey Road Kontakt 5

Latenz

Mit sieben Millisekunden Latenz belegt das Millenium MPS-600 Modul nach dem Roland TD11(vier Millisekunden) einen respektablen zweiten Platz. Es lässt das Yamaha DTX502 Modul (neun Millisekunden) und das Alesis DM10 Modul (15 Millisekunden) hinter sich.

Millenium_MPS_600_Latenz_07
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