Minimal Audio Current scheint bei den beliebtesten Software Synthesizern abgeguckt zu haben. Das VST bringt alle gängigen Synthesearten, mächtige Modulatoren und Effekte sowie eine große Anzahl professioneller Presets mit. Aber reicht das, um ganz oben mitzuhalten?
Schon wieder ein Abo-Debakel! Mit diesem Echo antwortete die Producer-Community auf den Release von Minimal Audio Current. In Foren und Social-Media-Kommentaren uferte die Kritik schließlich sogar zu einem kleinen Shitstorm aus – Erinnerungen an Bitwig und Waves wurden wach.
Genau wie bei diesen beiden Herstellern ruderte auch Minimal Audio nach wenigen Tagen kleinlaut zurück: „Einmalkauf oder Mietkauf“, hieß es auf einmal – von Abo keine Rede mehr. Und jetzt, wo sich die Gewitterwolken gelichtet haben, fragen wir uns: „War es die Aufregung wert?“
Das Wichtigste In Kürze
- Soft Synth mit Wavetable-, Sampling-, Sub-Osc-, und Granular-Engines
- Zwei Filter mit 59 Modi (Low Pass, High Pass, Bandpass etc)
- MIDI-Tools: Arpeggiator, Chord-Mode
- Fünf Modulatoren: Curve, ADSR, LFO, MIDI, MPE
- Acht Effekte: Rift (Distortion), Fuse (MB-Compressor), Cluster Delay, Morph EQ, Hybridfilter, Ripple Phaser, Swarm Reverb
- Limiter global und bei jedem Effekt
DETAILS & PRAXIS
Minimal Audio Current will vieles besser machen
Man kann nicht gerade behaupten, der Software Synthesizer Markt sei dünn besiedelt. Egal, ob Nische oder Flaggschiff, ob Techno oder Hip-Hop, die meisten Bereiche haben ihre eigenen Soft Synths – um sich da zu behaupten, braucht man schon einige Features, Workflows und Sounds. Minimal Audio macht mit Current deshalb in allen drei Bereichen eine Ansage.
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Das VST beherrscht mit Wavetable, Granular, Sampling und FM/AM so ziemlich alle Klangerzeugungsarten, die gerade populär sind. Dazu hat Minimal Audio Miniversionen seiner beliebten Effektplugins integriert. Und bei den mitgelieferten Sounds sind Highlights ohne Ende dabei.
Die Presets in Current – LoFi, Hyperpop, Drill und so viel mehr
Im Szeneforum KVR lies Minimal Audio-CEO Jacob Penn bei der Diskussion über Current verlauten, dass er vorher lange an Arcade von Output mitgearbeitet habe. Und das hört man.
Teilweise hat man hier, ähnlich wie in Arcade, das Gefühl, fast schon produktionsfertige Loops zu spielen. Und wenn es um epische 808s, flackernde Berlin-style Pads, granulare Drone Monster oder peitschende Deep-House-Bässe geht, findet man in Current zig Sounds, an denen man kaum noch etwas ändern muss. An der Analog-Synth-Front sieht es dagegen eher spärlich aus. Aber dafür gibt es ja Diva und Konsorten.
Der Workflow von Current: aufgeräumt, transparent und zugänglich
Rein optisch ist Minimal Audio Current nicht weit weg vom Anthrazit-lila-Schema von Vital. Oben links im Plugin wird man von zwei Wavetable-Oszillatoren mit SEHR vielen Parametern begrüßt. Dazu gibt’s rechts die zwei Filter mit 59 Typen, darunter übliche Verdächtige wie LP, BP und HP in verschiedenen Emulationen oder auch Phaser- und Kammfiltereffekte, wie man sie aus Serum kennt.
Zwischen den Bereichen in Current wechselt man über Tabs – zu viel steckt im Plugin, um das auf eine Seite zu bekommen. Im zweiten Oszillator-Tab „Granular“ wohnt der ebenso genannte Klangerzeuger. Und im dritten Tab dann der Sub-Oszillator und der separate Sampler – kennt man sehr ähnlich aus Pigments.
Auch bei der Modulation scheint man sich von Arturias Klassenprimus Inspiration geholt zu haben. Die zehn Modulationsslots mit den Modulatoren Hüllkurve, LFO, Curve (MSEG) und Envelope Follower sitzen genau wie dort als Streifen in der Mitte.
Rechts oben neben den Filtern kann man dazu noch zum FM/AM-Tab wechseln. So erreicht man Modulationen in Audiogeschwindigkeit, die im Obertonbereich ihr Unwesen treiben. Und zu den Effekten gelangt man über den separaten Effects-Tab links. Unten in Currents findet man dazu noch die MIDI-Tools mit einem Arpeggiator und einem Chord Generator.
Die Engines von Minimal Audio Current im Detail
Das Plugin bringt über 180 Wavetables mit, während man eigene in den Wavetable-Oszillatoren erzeugt, indem man Audio-Samples oder Wavetables wie bei Serum per Drag-and-drop importiert.
Dazu gibt es hier neben den obligatorischen Position- und Unison-Parametern je einen Pitch- und einen Formant-Regler. Hier gibt es jeweils eine Vielzahl an Modi, mit denen man das Wavetable spektral und tonal verändern kann.
Beim Granular-Oszillator ist die Layering-Option das Highlight. Sie erstellt ähnlich wie beim Unison-Effekt in den Wavetable-Oszillatoren virtuelle Kopien. Anders als bei Unison geht es hier aber weniger um den Chorus-ähnlichen Effekt, als um das zufällige Verzögern der Grains – und zwar auf bis zu acht Layern! So könnt ihr absolute Monster-Pad-Sounds erzeugen.
Der Sub-Oszillator und der Sampler gehen beide ein paar Schritte weiter als die Konkurrenz. So birgt der Sub-Osc die Möglichkeit, die Obertöne des erzeugten Basssounds wie bei einem additiven Synth zu bearbeiten. Und der Sampler erlaubt das temposynchrone Abspielen von Audiofiles – was man eher aus Kontakt oder Falcon und weniger von Pigments, Vital oder Phase Plant kennt.
Kreativimpuls und Spielhilfe: Arpeggiator und Chord Mode
Auch ein Arpeggiator und ein separater Akkord-Erzeuger sind in Minimal Audio Current integriert. Dem mächtigen Sequencer von Pigments kann der Arpeggiator nicht so ganz das Wasser reichen – die Rhythmen und Sequenzen sind alle voreingestellt. Die knapp 30 Sequenzen bringen aber von geswingten über synkopische hin zu exponentiellen Rhythmen mehr als genug Inspiration.
Für Ein-Finger-Musiker gibt es den Chord Generator. Hier sind die sieben Stufenakkorde einer Tonart automatisch auf alle Tasten gelegt – kennt man von Scaler.
Jeden einzelnen Akkord kann man jeweils auch in seinen Umkehrungen verändern und mit zusätzlichen Siebenen und Neuen würzen. Dazu kann man die Reihenfolge von Arp und Chord ändern – entweder wird damit jede Arp-Note zu einem Akkord (Arp->Chord) oder jeder Akkord rhythmisch zerteilt (Chord->Arp)
Die Modulatoren in Minimal Audio Current
Praktischerweise findet man bei den Hüllkurven Features wie eine Loop-Funktion. Außerdem gibt’s die Möglichkeit, jede Hüllkurve synchron zum Songtempo laufen zu lassen – beides eher selten bei der Konkurrenz. Die LFOs sind im Vergleich aber eher knapp geraten.
Die vier Wellenformen (Sine, Triangle, Saw, Square) sind freilaufend und synchron – immerhin eine Randomize-Funktion, die die Welle in jedem Durchlauf leicht verändert.
Den Modulator Curve dagegen kennt man unter dem gleichen Namen aus Phase Plant. Bei diesem Multi-Stage-Envelope-Generator (MSEG) lassen sich beliebig viele Punkte der Modulationskurve selbst einzeichnen. Und wer faul ist, findet eine Menge fertiger komplexer Kurven in Currents integriert.
Ein weiteres Highlight ist der Envelope Follower – hier dient der Lautstärkeverlauf des Synths zur Modulation. Damit sind rhythmische Spielereien möglich, wie zum Beispiel einen Percussion-Loop in den Sampler von Current zu laden und ihn als Lautstärkemodulator eines Wavetable-Pads zu nutzen.
Mächtige Effekte: Rift, Morph-EQ und Co.
Gerade Rift nutze ich seit seinem Erscheinen fast noch mehr als meinen Go-to-Verzerrer Decapitator. Was hier an Verzerrgeschmäckern und kreativen Modulatoren drinsteckt – da braucht es oft keinen Multi-Effekt à la Effectrix 2 mehr. Und dieses Monster steckt in abgespeckter Form auch in Current.
Der ebenso separat erhältliche Morph-EQ mit seinen phaser-esquen EQ-Modulationen, der Crystallizer-ähnliche Cluster Delay und der mächtige Multiband-Kompressor Kompressor Fuse sind ebenso mit an Bord.
Die anderen Effekte Flex Chorus, Ripple Phaser, Swarm Reverb und Hybrid Filter tun alle ihren Dienst, stechen jetzt aber weder negativ noch positiv hervor.
Dazu kann man in den zehn Effektslots auf Wunsch auch zehnmal den gleichen Effekt laden. Als beinahe nützlichste Effektfunktion von Current entpuppt sich der eingebaute Limiter, er agiert global und bei JEDEM Effekt noch einmal separat. Ein kleiner unscheinbarer Button verhindert auf Knopfdruck das Übersteuern – Konkurrenz, hergesehen!
Wie steht Current im Vergleich zur Konkurrenz da?
Minimal Audio Current kommt zu einem Zeitpunkt auf den Soft-Synth-Markt, zu dem dieser bereits mehr als abgedeckt ist. Trotzdem macht der Hersteller, mal abgesehen vom Abo-Stolperer, hier sehr viel richtig – und manches sogar besser. Denn in Sachen Effekte und mitgelieferte Presets ist das VST seiner Konkurrenz qualitativ voraus.
Die Wavetable- und Granular-Oszillatoren haben bis auf einen Wavetable-Editor alles, was auch die anderen Flaggschiffe mitbringen. Und den braucht es meiner Meinung nach in einem auf fertige Sounds und schnelles Sounddesign ausgelegten Soft Synth auch nicht unbedingt.
FAZIT
Minimal Audio Current schießt aus dem Stand ganz nach oben auf die Liste der VSTs für jegliche Art von elektronischer Musik. Der Hersteller macht so gut wie alles besser als die Konkurrenz. Schneller, zugänglicher, direkter – wer Vital, Pigments oder Phase Plant mag, wird Current lieben!
Features
- Software Synthesizer mit Wavetable, Granular, Sub-Oszillator und Sample-Engine
- FM/AM-Effektweg
- 8 Effekte: Morph-EQ, Rift, Swarm Reverb, Flex Chorus, Cluster Delay, Ripple Phaser, Fuse Compressor, Hybridfilter.
- 340 Presets, 180 Wavetables, 180 Samples
- 3 Modulatoren: ADSR, LFO und Curve (MSEG) – zehn Modulationsslots
- Arpeggiator, Chord-Generator, MIDI-Modulatoren und MPE
- Systemvoraussetzungen: VST2, VST3, AAX und AU, ab Windows 10 (64bit) und macOS 10.9 (Apple Silicon Native).
- PREISE:€ 199,- (Straßenpreis am 19.11.23)
- Qualität und Vielfalt der Presets
- Qualität der integrierten Effekte
- sehr schneller und zugänglicher Workflow
- Granular-Oszillator mit mächtigem Layering
- Sample-Modul synchronisiert zum Songtempo
- kein Contra
supremer sagt:
#1 - 22.11.2023 um 11:10 Uhr
Ich bin noch immer unentschlossen wie ich 200 euro für einen software synth finde. Ja er hat Effekte . Effekte haben aber viele. Überhaupt gibt es viele viele . Cherry Audio schafft gute synths auch mit 50 euro. Ich weiss klingt wie Gemüsehändler aber ...