Die Gitarre ist ohne Zweifel ein sehr attraktives Instrument. Das liegt unter anderem daran, dass sie nicht nur in der Anschaffung relativ günstig ist, sondern auch, weil man schnell hörbare Erfolge erzielen und zum Beispiel einfache Songs begleiten kann. Will man jedoch etwas tiefer in ihre Geheimnisse vordringen und seine Systematik erschöpfend verstehen, merkt man schnell, dass die Gitarre in ihrer Logik ziemlich komplex ist. Das liegt sicherlich daran, dass sie erstens asymmetrisch in Quarten und einer großen Terz gestimmt ist, aber auch an der Tatsache, dass es sehr viele Möglichkeiten gibt, ein und dieselbe Note zu spielen.
So haben wir auf einer 24-bündigen Gitarre z.B. sechs Möglichkeiten, das eingestrichene e (klingend) zu spielen. Hier noch ein Gedankenspiel: Was glaubt ihr, wie viele Möglichkeiten wir haben, die Tonfolge c´- d´- e´ zum klingen zu bringen? Die Antwort lautet: 125mal bei einer 22-Bund- und 150mal bei einer 24-Bund-Gitarre!
Dass Griffbrettorientierung und übrigens auch Notenlesen hier nicht gerade ein Kinderspiel ist, darf man uns Gitarristen nicht verdenken und dennoch gibt es ein paar Tricks, wie man trotzdem den Durchblick auf dem Griffbrett behält.
1. Oktav-Triangle Trick
Wenn wir ehrlich sind, bereiten uns die tiefe E- und A- Saite meist keine Probleme, da wir hier all unsere Barré- und Powerchords spielen (falls hier jemand noch Orientierung benötigt, sollte er schnell zumindest die Töne auf diesen beiden Saiten abzählen und auswendig lernen).
Nun kann man, ausgehend von diesen Grundtonsaiten, kleine Dreiecke aufmachen, die dann die Oktaven zu den Grundtönen bilden. Fragen wir uns nun, wie eine bestimmte Note heißt, so können wir diese durch den Dreiecksgriff relativ schnell ausfindig machen:
2. CAGED-System
Beim sogenannten “CAGED”- System geht man von Dreiklangsakkordtypen aus, nämlich dem C-, A-, G-, E- und D-Schema, und teilt das Griffbrett in fünf Positionen ein, ganz gemäß der Einteilung, in der auch Tonleitern wie z.B. die Pentatonik stattfinden.
Auch wenn einige Saitenpädagogen diese Systematik etwas verteufeln, mit dem Argument, das CAGED-System führt tatsächlich zum “eingesperrt sein” in die Positionen und man lernt nicht, das Griffbrett als Ganzes zu begreifen, so finde ich doch die Methode überaus sinnvoll, um eine gute Orientierung auf dem Griffbrett zu erhalten. Die instinktive Verbindung eines Skalenpatterns mit einem Akkordgriffbild befähigt auch, direkt zu erkennen, welche Töne über welchen Akkord funktionieren, und irgendwann wird ohnehin alles eins!
Hier die fünf Griffbilder:
Und so sehen die Griffbilder aus, wenn sie in die fünf Pattern der C-Dur-Pentatonik eingebettet sind:
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3. Tensions bezogen auf Grundton lernen
Bei dieser Herangehensweise geht es darum, bezogen auf einen festgelegten Grundton, z.B. auf der E- oder A-Saite, alle verfügbaren Optionstöne im direkten Umfeld zu lernen.
Der Vorteil dabei ist, dass man sich kinderleicht Akkorde selbst herleiten kann, ohne große Griff-Enzyklopädien auswendig lernen zu müssen, und dass die Furcht selbst vor kryptisch anmutenden Jazzakkorden der Vergangenheit angehört:
Hier die Tensions bezogen auf den E-Typ:
Und hier bezogen auf den A-Typ:
4. Geschwindigkeitsübung
Diese Übung ist relativ schnell erklärt, erfordert jedoch bereits eine halbwegs solide Notenkenntnis auf dem Griffbrett. Hierzu stellt ihr euch das Metronom auf ein moderates Tempo und wählt eine Note, wie z.B. F. Nun versucht ihr, auf jeden Metronomschlag ein anderes F zu spielen und zwar quer über das gesamte Griffbrett.
Ihr solltet das Klicktempo in etwa so hoch stellen, dass ihr durchaus auch ein paar Noten nicht erwischt, denn das Metronom soll einen dezenten Druck aufbauen, der den Lerneffekt immens steigert.
Hier ein Beispiel für alle F’s auf dem Griffbrett:
5. Wayne Krantz’sche “4 Fret Zones”
Nun geht’s in die hohen Weihen der Griffbrettkenntnis! Fusion-Maestro Wayne Krantz spielt nicht nur sehr eigen, sondern er übt auch auf seine ganz eigene Art, denn Wayne teilt das Griffbrett in sogenannte “4 Fret Zones” ein, das heißt, alles, was geübt wird, darf den Bereich von 4 aufeinander folgenden Bünden nicht verlassen.
Diese Bünde kann man nun setzen, wohin man will .z.B. 4,5,6 und 7.
Nun wählt man eine, wie Krantz es nennt, Formula. Das kann eine Skala sein oder ein Arpeggio und spielt es in dieser festgelegten Zone, die man nicht übertreten darf und Noten, die in der Skala außerhalb der Bünde liegen, lässt man einfach aus. Das mag bei der Am-Pentatonik in Position 5-6-7-8 noch einfach sein, doch wie sieht es mit der Db-Durtonleiter in den Bünden 5-6-7-8 aus?
Der unschätzbare Vorteil dieser Übeart ist, dass man das angelernte Patterndenken vollkommen über Bord werfen muss und das Griffbrett quasi “aufbricht”, wodurch man auf vollkommen neue Ideen kommt und das visuell Gelernte dem musikalischen Platz bereiten kann.
Üben kann man das nun auf zwei Arten:
1. in einer 4-Fret Zone durch alle Tonarten
2. eine Tonart, aber alle 4-Fret Zones vom tiefsten bis zum höchsten Bund durchspielen
Hier ein Beispiel für die Db-Durtonleiter in Zone 5-8:
Wer sich noch näher für Waynes Übemethode interessiert, dem sei sein Buch “An Improviser’s OS“ sehr ans Herz gelegt.
Und nun wünsche ich euch viel Spaß beim Kennenlernen eures Griffbretts!
flow sagt:
#1 - 09.07.2023 um 11:38 Uhr
@ Heiko Heinz 2. CAGED-System das is doch kein (G) da überall in rot oder?
Haiko (Bonedo) sagt:
#1.1 - 09.07.2023 um 14:57 Uhr
Hi flow, das stimmt, das G steht in dem Fall für (G)rundton! Beste Grüße, Haiko
Antwort auf #1 von flow
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenChristian Stein sagt:
#2 - 25.12.2023 um 11:31 Uhr
Großartiger Artikel! Vielen Dank dafür. Es hat sich aber ein kleiner Fehler eingeschlichen: Bei den Griffbildern in den fünf Pattern der C-Dur-Pentatonik ist Pattern II, der G-Typ einen Ganzton zu tief eingezeichnet. Vielleicht könnt ihr das noch korrigieren. Hat bei mir kurzzeitig für Verwirrung gesorgt. 😁