Sind in einer Band zwei Harmonieinstrumente vertreten, bedeutet das meist eine besondere Herausforderung. Will man nämlich beide Parts so arrangieren, dass jeder Instrumentalist etwas Eigenständiges zum Song beitragen kann, ohne dem anderen in die Quere zu kommen, ist das nicht immer leicht. Diese Problematik stellt sich im Zusammenspiel zwischen Gitarre und Keyboard, aber auch bei zwei Gitarren.
Nichtsdestotrotz ist die Musiklandschaft voll von Beispielen, wie man die Rhythmusaufgaben sehr elegant bandintern verteilen kann, angefangen bei AC/DC über Iron Maiden, Def Leppard und Metallica
bis hin zu unzähligen Pop- und Reggae-Bands. In der Kunst des Arrangements existiert jedoch nicht der eine Königsweg, sondern je nach Stil und gewünschtem Ergebnis haben wir eine Fülle unterschiedlichster gestalterischer Optionen zur Hand, von denen ich Euch hier ein paar aufzeigen möchte.
1. Doppelung
Das Doppeln von Gitarrenparts ist sicherlich die einfachste Form, zwei Gitarristen zu beschäftigen. Sinnvoll ist dies vor allem, wenn man dem Part ein spezielles Gewicht verleihen will oder wenn eine besonders fette Gitarrenwand entstehen soll, wie das im Rock und Metal ohnehin üblich ist. Natürlich haben viele beim Begriff “Double Tracking” massive Rockbretter im Hinterkopf, aber auch cleane Rhythmuspattern oder Pickings können in der Doppelung sehr interessant klingen. In der Praxis werden die beiden Spuren nicht selten hart nach links und rechts gepannt, was das Center übrigens auch für Melodieinstrumente oder Gesang freimacht und in manchen Songs sogar das Mixing erleichtert. Oft herrscht die Meinung, dass gedoppelte Gitarren “härter” klingen, aber häufig ist das Gegenteil der Fall. Durch das Layern mehrerer Spuren verwischen auch die Anschlagstransienten etwas mehr, sodass der Sound zwar breiter klingt und mehr Tiefe erhält, aber tendenziell weniger “in the face” rüberkommt. Hier lohnt es sich durchaus, mit zwei unterschiedlichen Gitarren oder Verstärkern zu experimentieren bzw. unterschiedliche Mikrofonierungen oder Faltungen für links und rechts auszuprobieren. Im Folgenden hört ihr ein einfaches Riff mit harter links-rechts gepannter Doppelung:
2. Open Chords und Power Chords
Diese Technik kennt man aus dem Classic- und Hard-Rock-Genre und gerade Bands wie AC/DC oder The Cult verdanken ihren Signature-Sound nicht zuletzt dieser Arrangementweise. Grob gesprochen handelt es sich hier auch um eine Double-Tracking-Technik, bei der beide Parts hart links-rechts gepannt werden, allerdings unterscheiden sich die Gitarrenspuren und deren Spielweisen doch deutlicher als bei Punkt 1. Üblicherweise übernimmt ein Instrument die tiefen Grundtöne bzw. Powerchords in einer tendenziell tieferen Lage, während die andere Gitarre die gleichen Harmonien entweder mit offenen Akkorden oder aber in einer höheren Lage spielt. Auch eignen sich Powerchords mit Grundton auf der D-Saite bzw. Quarten auf D- und G- bzw. G- und B-Saite sehr gut zum Mischen. Übrigens spielt es hier auch keine Rolle, ob der Rhythmus beider Spuren vollkommen identisch ist oder ob man leichte Variationen vornimmt. Ganz im Gegenteil: Leichte Abweichungen machen das Riff oft lebendiger!
3. Spielen in verschiedenen Lagen
Klanglich sehr ähnlich zu Punkt 2 ist das Spielen in verschiedenen Oktavlagen. Das funktioniert einerseits bei Powerchords, allerdings können auch offene Akkorde in unterschiedlichen Lagen sehr gut klingen, was natürlich das solide Beherrschen der Akkordumkehrungen voraussetzt. Ein toller Trick, der auch hervorragend auf der Akustikgitarre funktioniert, ist der Einsatz eines Kapodasters für die zweite Gitarrenspur. Nun könnte beispielsweise ein Gitarrist eine Akkordfolge in G-Dur in der ersten Lage spielen, während der zweite Gitarrist den Kapodaster in den 7. Bund setzt und dort die Akkordfolge in gegriffenem C-Dur, sprich ebenfalls klingend G-Dur, spielt. Das hat übrigens einen ganz ähnlichen Effekt wie das Spielen mit einer 12-saitigen Gitarre oder die Verwendung eines Nashville-Tunings und kann den Akkorden eine ungemeine Breite verliehen. Hier hört ihr das obengenannte Beispiel in G-Dur, wobei ich diesmal beide Gitarren im Panorama mittig angeordnet habe:
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4. Zweistimmige Harmonien
Das Verwenden von zweistimmigen Melodien bringt den Song natürlich stilistisch schnell in eine bestimmte Ecke und verleiht einen ganz konkreten Sound, den man mögen muss. Nichtsdestotrotz haben Bands wie Wishbone Ash, Iron Maiden oder auch Thin Lizzy eindrucksvoll gezeigt, wie harmonisierte Melodien klingen können. Interessanterweise verlagert man hier den Job der Begleitung von der Gitarre stärker auf den Bassisten, der nun als einziger die Songharmonien durch seine Grundtöne klarmacht. Die Gitarrenmelodie darf sich nun von den Akkorden etwas emanzipieren und muss prinzipiell nur eine überzeugende und gutklingende Line über die Komposition legen. Die Zweistimmigkeit entsteht meistens durch das Spiel von Terzen oder Sexten, wobei natürlich auch die eine oder andere Quarte oder Quinte vorkommen darf.
5. Powerchords plus Oktaven
Der Oktavgriff ist ein mächtiges Tool, wenn es darum geht, gerade gegen Ende eines Songs oder im Refrain eine zusätzliche Steigerung und Intensität unterzubringen. Auch hier gibt es unterschiedliche Ansätze: Einerseits kann die Oktave lediglich die Powerchordgitarre durch paralleles Spiel unterstützen und die gleichen Grundtöne verwenden, andererseits können die Oktaven aber auch eine eigenständige Melodie über die Harmonien bilden, die sich im Idealfall mit den Akkordchanges gut verzahnt. Hier ist ein Beispiel für eine unabhängige Oktavlinie:
6. Chords und Pedalton
Unter einem Pedalton versteht man im weitesten Sinne eine gleichbleibende Note, über die sich die Harmonien verändern. Gitarristen kennen diesen Sound beispielsweise von Single-Note-Begleitungen in Funk, R&B oder Popsongs, bei denen oft eine leicht abgedämpftes, einstimmiges 16tel Pattern aus nur ein bis vier Noten in einem mittleren Register über eine Akkordfolge stattfindet. Diese Art der Begleitung hat mehrerer Vorteile: Zum einen klingt sie sehr schlank und unaufdringlich, zum anderen bietet sie auch eine tolle Möglichkeit, Songs zu begleiten, deren Harmonien man nicht 100%ig kennt. Die Kunst ist sicherlich, herauszubekommen, welche Töne denn nun immer über eine ganze Akkordfolge passen, aber meistens liegt man richtig, wenn man mit dem Grundton oder der Quinte der Tonart anfängt. Diese Technik lässt sich übrigens ganz hervorragend mit Punkt 5 kombinieren, denn auch Oktavpedaltöne klingen vor allem im verzerrten Kontext extrem druckvoll!
7. Chords und Ostinato-Picking
Bei dieser Technik handelt es sich um ein ähnliches Prinzip wie beim Pedalton, nur dass wir uns diesmal einen ganzen Akkord bzw. ein ganzes Pattern aussuchen, das wir über sich bewegende Harmonien spielen. Prinzipiell macht es hier Sinn, in höheren Registern zu suchen, sodass sich beide Gitarrenparts nicht allzusehr in die Quere kommen. Toll eignen sich Powerchords, sus-Akkorde oder Intervallstrukturen, die vom terzgeschichteten Dreiklangssound etwas abweichen.
8. Doppelung der Bassline
Das Doppeln des Basses ist ein sehr probates Mittel, um der Bassline mehr Vokalität zu verleihen und sie etwas in den Vordergrund zu stellen. Der Begriff “Doppeln” ist hier irreführend, denn im Normalfall oktaviert die Gitarre den Bass, sodass der ganze Sound etwas breiter wird. Nun kann sich Gitarre 1 auf das Spielen von Akkorden konzentrieren, während die andere Gitarre einstimmig den Akkorden aus dem Weg geht. Sehr gebräuchlich ist diese Technik im Reggae, aber auch bei vielen Motown-Recordings wird diese Aufteilung angewandt. Übrigens kann es ein toller Effekt sein, wenn die Bass-Doppelung mit einem Wah oder Phaser gespielt wird.
9. Chords und Fills
In manchen Stilrichtungen kann es sehr musikalisch klingen, wenn eine Gitarre oder ein Tasteninstrument sich auf das Spielen der Akkorde beschränkt, während die andere Gitarre in den Spielpausen unterstützende kurze Fills liefert. Ein hervorragendes Beispiel für diese Form der Aufteilung sind sicherlich die Dire Straits oder auch John Mayer. Die Fills können nun entweder einstimmiger Natur sein oder aber in Form von Double Stops bzw. “Hendrix-artig” vorkommen. An dieser Stelle verweise ich auf unseren Workshop zum Thema “Gitarrenbegleitung mit Intervallen und Fills”, bei dem ihr viele Anregungen und Tipps zu diesem Begleitstil finden könnt:
Und damit wünsche ich euch viel Spaß beim Herumexperimentieren und Arrangieren eurer Gitarrenparts!
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