Die Verbreitung und der Stellenwert von Kopfhörern nehmen stetig zu. Nicht nur beim Produzieren von Musik und Audioinhalten, sondern auch in gravierender Weise beim Konsumieren von Musik, beim Gaming, beim Konsum von Movies und Hörbüchern.
In diesem Workshop wollen wir der Frage auf den Grund gehen, ob es beim Mischen von Musik, die auf Plattformen wie beispielsweise iTunes und Spotify angeboten und die in hohem Maße mobil über Kopfhörer konsumiert wird, Punkte zu beachten gibt – und wenn ja, welche dies sind.
(Dieser Artikel behandelt das Mischen Kopfhörerkonsum. Über die Gefahren des Mischens Kopfhörern haben wir einen separaten Artikel, der über den Link erreicht wird.)
Mixdown – Basics
Fast alle Musik- und und andere Audioproduktionen entstehen nach dem Mehrspur-Prinzip. Das bedeutet, dass die verwendeten Instrumente gleichzeitig oder häufig auch nacheinander auf verschiedenen Spuren eines Aufnahmemediums (DAW, HD Recorder, Bandmaschine) aufgenommen werden. Dadurch lassen sie sich anschließend separat regeln.
Neben der jeweiligen Lautstärke, Klangregelung (EQ) und verschiedenen Effekten lässt sich jeder Track „räumlich“ positionieren. Da die zweikanalige Stereofonie das immer noch am weitesten verbreitete Format zum Musikkonsum ist, beschränkt sich die Positionierung auf die Verteilung zwischen dem linken und rechten Kanal, dem sogenannten Panning. Mit dem Panoramaregler jedes Mischpultkanals – egal ob analog, digital oder virtuell – steuert man die Intensität, mit der ein Instrument/Signal auf dem linken und rechten Kanal der Stereosumme wiedergegeben wird. Der Sinn eines Stereo Mixdowns ist es, alle vorhandenen Spuren zu einem, auf herkömmlichen Playern abspielbaren Stereo File herunterzumischen, wobei es in der Regel das ästhetische Ziel ist, dass der Mix in sämtlichen Abhörsituationen gut klingt. Das heißt ein gelungener Mix sollte im Club, im Auto, auf den heimischen Boxen und auch auf dem Kopfhörer im Idealfall gleichermaßen zufriedenstellend „funktionieren“.
#Crashkurs Mixing
#So beurteilst Du (D)eine Mischung
Probleme durch das Hören mit Kopfhörern
Obwohl sich inzwischen Gewöhnungseffekte eingestellt haben, das Hören von Musik über Kopfhörer vielfach (auch von mir) sehr geschätzt wird und diverse Vorteile bietet, so handelt es sich im Prinzip doch um eine sehr kompromissbehaftete und unnatürliche Hörsituation. Unabhängig von der unterschiedlichen Qualität, Bauart und Wiedergabeattribute einzelner Modelle haben alle Kopfhörer eine unrealistisch hohe Kanaltrennung zwischen den, direkt an beiden Ohren anliegenden Schallwandlern, die in vielen Fällen zu einer wenig authentischen Raumwahrnehmung und Ortung einzelner Mixbestandteile führt.
So erzeugt die berüchtigte Im-Kopf-Lokalisation (“IKL”) eine Wahrnehmung, in der Gesangsstimmen und sonstige Signale, die im Stereopanorama mittig platziert werden, zwischen den Ohren stattfinden. Sie liegen also im Kopf. Stereo-Lautsprecher erzeugen hingegen eine weitaus authentischere Ortung dieser sogenannten „Phantomschallquelle“, nämlich von vorne, sofern man sich an der korrekten Hörposition im Stereodreieck befindet.
Zudem empfindet man Mixbestandteile, die links oder rechts von der Phantommitte positioniert sind bezüglich der Lokalisation als natürlicher, was an der Übersprechung beider Lautsprecher im Abhörraum liegt. So gelangen auch Signalanteile der linken Box inklusive Lautstärken- und Laufzeitunterschiede und spektralen Abweichungen ans rechte Ohr und umgekehrt. Dieser natürliche Vorgang entfällt in der Regel beim Hören über Kopfhörer, wodurch in vielen Fällen eine überbreite Stereobühne mit einem unter Umständen extrem unnatürlichen, teilweise sogar unangenehmen Panning erzeugt wird.
Mögliche Lösungsansätze zum Mischen für Kopfhörer
Es gibt technische Möglichkeiten, die soeben beschriebenen Nachteile der Wiedergabe über Kopfhörer zu mildern, wenn nicht sogar nahezu auszublenden. Chronologisch wäre hier an erster Stelle die Aufnahme über einen Kunstkopf zu nennen. Beim Kunstkopf (Neumann KU 100 im Thomann-Shop) handelt es sich in der Regel um eine weitgehend naturgetreue Nachbildung eines menschlichen Kopfes inklusive realistisch modellierter Ohren, in denen jeweils ein Mikrofon untergebracht ist. Kunstkopfaufnahmen beinhalten konstruktionsbedingt authentische Gangunterschiede zwischen beiden „Ohren“, was eine sehr natürlich wirkende Wiedergabe über Kopfhörer gewährleistet, für eine Nutzung über Lautsprecher allerdings ungeeignet ist, weswegen diese Technik nach einer Hochzeit (hat nichts mit Heiraten zu tun) in den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts im Bereich des kommerziellen Musikkonsums lediglich einen Exotenstatus besitzt. So langsam scheinen diese binauralen Aufnahmen aber wieder im Kommen zu sein, wie aktuelle Produkte zeigen.
#Binaurales Audio
Für dich ausgesucht
Weiterhin existieren Software-Lösungen, wie der Spatial Audio Designer von New Audio Technology, mit dessen Hilfe sogar 3D-Mischungen für Kopfhörer in der DAW generiert werden können, allerdings ist nach meiner Einschätzung auch hier die Marktrelevanz bei Musikproduktionen vergleichbar mit dem Wasserstoffantrieb für Autos.
Ein relativ simpler Weg, ein unnatürliches Raumempfinden bei der Wiedergabe über Kopfhörer zu minimieren, ist die Verwendung der Crossfeed-Funktion, die in einigen Kopfhörerverstärkern zur Ausstattung gehört und auch als Software von verschiedenen Herstellern verfügbar ist. Crossfeed simuliert genau die Übersprechungen und damit verbundenen positiven „Nebenwirkungen“, die das Abhören über Lautsprecher von Kopfhörern unterscheidet. Doch auch hier ist es das Problem, dass diese Funktion in gängigen, mobilen Abspielgeräten nicht verfügbar oder zumindest sehr schwer zu finden ist. Vor einigen Jahren gab es eine iOS Version des CanOpener von Goodhertz, die inzwischen aber nicht mehr verfügbar ist.
Wie man sieht, gibt es durchaus technische Errungenschaften, die das Potential haben das Kernproblem der Wiedergabe über Kopfhörer in den Griff zu bekommen, wenn derartige Tools oder Techniken – aus welchen Gründen auch immer – von der großen Masse der Musikkonsumenten nicht genutzt werden, muss man dann ggf. doch als Mischer seine Aufmerksamkeit auf diese Zielgruppe richten.
Immer eine Überlegung wert ist das (unterstützende) Panning mit Delays. Wie das funktioniert, wird in “Panning ohne Pan-Regler” ausführlich erklärt.
Was sollte ich beim Mischen beachten?
Frequenzgang
Obwohl Kopfhörer sehr unterschiedlich klingen können, gibt es neben den soeben thematisierten Raumabbildungseigenschaften durchaus Tendenzen, die den Wiedergabecharakter populärer Modelle für den Musikkonsum beschreiben können. Kopfhörer mit einer angehobenen Basswiedergabe und gleichzeitig prominenten Höhen sind weit verbreitet. Daraus resultiert häufig eine etwas farblose Darstellung der Mitten, die von der lebendigen Abbildung einer professionellen Abhörsituation gravierend abweichen kann. Dessen sollte man sich beim Mixdown bewusst sein und nicht zu zurückhaltend in der Gewichtung dieses Frequenzbereichs sein. Ein weiterer möglicher Effekt der Kopfhörerwiedergabe ist die direktere und daher ggf. schonungslosere Darstellung hochfrequenter Zischlaute, die sich bei der Wiedergabe über Lautsprecher eher „versenden“ und nicht so stark ins Gewicht fallen.
Stereopanorama
Aufgrund der zuvor beschriebenen Eigenheiten der Wiedergabe über Kopfhörer, sind extreme Verteilungen im Stereopanorama zu vermeiden – es sei denn, man möchte bewusst einen solchen Effekt erzeugen. Mit dem Aufkommen der Stereofonie in kommerziellen Musikproduktionen (davor gab es lediglich einen Monokanal) hat man viel mit dieser neuen Errungenschaft experimentiert und es auch vielfach übertrieben, wodurch so manche Veröffentlichung der 60er Jahre nur für eingefleischte Fans mit dem Kopfhörer zu ertragen ist.
Lautstärke
Weiterhin sollte man den Lautstärkenverhältnissen Beachtung schenken, die bei einem Hifi-Kopfhörer nicht selten anders wirken als es beim Abhören über Studiomonitore der Fall ist. Besonders wichtig ist die Relation vom Mitten- zum Seitensignal. Nicht wenige Consumer-Geräte neigen dazu, mittig positionierte Gesangstimmen sehr eingebettet darzustellen, weshalb im Mixdown häufig eine selbstbewusste Lautstärke auf den Monitorboxen vorteilhaft ist
Kontrolle ist alles
In der heutigen Musikproduktion arbeitet man gerne mit Kopfhörern, um Gewissheit über den Bassbereich zu erhalten, der in vielen Budget-bedingt etwas kompromissbehafteten Abhörräumen nicht immer zu 100 Prozent beurteilbar ist. Allerdings ist es kein Fehler hierbei auch das bewährte „Küchenradio-Prinzip“ zu nutzen. In vielen Studios verwendet man zusätzlich zu hochwertigen und im Idealfall alles entlarvenden Abhörwerkzeugen auch „Brot-und-Butter-Abhören“, wie beispielsweise umgebaute Küchenradios oder entsprechend designte/getrimmte Monitore, um den Mix unter ähnlichen Bedingungen zu hören, wie er von vielen Endabnehmern konsumiert wird. Aus diesem Blickwinkel und heutigen Hörgewohnheiten ist es eigentlich eine gute Idee, Mixes auch über Kopfhörermodelle zu checken, die in Profikreisen möglicherweise verpönt sind, aber die einem in der City und der U-Bahn häufig ins Blickfeld kommen!
Wie höre ich meinen Mix über Bluetooth-Kopfhörer?
Nicht selten wird Musik über Bluetooth-Kopfhörer konsumiert und einige populäre Modelle verfügen nicht einmal mehr über Kabel. Wie höre ich denn am besten meinen Mix ab? Je nach Audio Setup gibt es unterschiedliche Möglichkeiten den Kopfhörer mit dem DAW Computer oder Hostprogramm zu koppeln. Wer (wie ich) hierfür nicht so gerne zwischen verschiedenen Audioeinstellungen umschaltet, hat eine simple Alternative: Rendert euren Mix als MP3 und schickt ihn auf euer Smartphone, Tablet oder sonstiges Bluetooth-Gerät. MP3-Dateien mit einer Auflösung von 256 kBit/s sollten zu diesem Zweck bereits ausreichen, wer sich hiermit nicht wohl fühlt, wählt 320 kBit/s. In dieser Auflösung sollte auch für kritische Ohren kein Unterschied zum CD-Format wahrnehmbar sein.
Was ist mit Mastering?
Mastering ist bekanntlich die letzte Station im chronologischen Ablauf einer Musikproduktion. Dennoch ist es mittlerweile zum normalen Usus vieler Mix Engineers geworden, prägend klangentscheidende Maßnahmen wie Kompression und EQ-ing auf der Stereosumme selbst vorzunehmen, auch wenn dies möglicherweise von einem Mastering Engineer zu einem späteren Zeitpunkt noch verfeinert wird. Wenn man also den ultimativen „Consumer-Check“ auf üblichen In-, On- oder Over-Ears durchführen möchte, ist es durchaus sinnvoll ein provisorisches „Mastering“ durchzuführen, um zumindest einen mit Referenzproduktionen vergleichbaren Pegel zu erhalten. Die Tools hierzu bietet jedes gebräuchliche Audioprogramm.
Checkliste für das Mischen FÜR Kopfhörer
- Hat mein Mix genügend Mitten?
- Sind Zischlaute im Gesang eventuell störender als über meine Speaker?
- Wirken meine Panorama-Einstellungen über Kopfhörer übertrieben oder irgendwie ungeeignet?
- Ist der Gesang (oder andere wichtige Elemente) laut genug?
- Wie wirkt mein Mix im Vergleich zu Referenzproduktionen?
Fazit
Im Grunde gelten beim Mixdown für Musik, die in hohem Maße auf Kopfhörern konsumiert wird, das gleiche Gesetz, das schon immer gegolten hat: Ein Mix muss überall gut klingen! Aber eben auch auf dem Abhörmedium, dessen Verkaufszahlen seit mehr als 10 Jahren stetig steigen und das möglicherweise häufiger zum Musikhören genutzt wird als herkömmliche Lautsprecher. Daher checkt eure Mixes und Produktionen auch auf der Abhöre, die eure Zielgruppe verwendet, analysiert die Wirkung – auch im Vergleich zu Referenzproduktionen – und führt die notwendigen Anpassungen durch!