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Mixing: Was ist “Mixing” eigentlich?

INTRO

Was bedeutet “Mischen” überhaupt? So einfach diese Frage auch scheinen mag, so wichtig ist es doch, sich immer wieder die Aufgaben eines Mixing Engineers zu vergegenwärtigen.
Als Mischer nehmen wir quasi einzelne Handlungsfäden einer Geschichte auf und helfen dabei, sie zu einem überzeugenden Endprodukt zusammenzufügen. Wir erreichen das, indem wir die relativen Lautstärken und Klangfarben einzelner Instrumente und Stimmen sowie ihre Aufgaben in Arrangement und Mix in die richtige Balance bringen. Dabei stehen einem viele Werkzeuge wie Fader, Kompressoren, EQs und Effekte zur Seite – doch das wichtigste ist ein analytisches Hörvermögen.

© Alle Fotos Gareth Jones.
© Alle Fotos Gareth Jones.

Wenn ich mische, handelt es sich fast immer um Musik, die andere geschrieben haben. In manchen Fällen habe ich sie selbst aufgenommen und produziert. Genauso oft bekomme ich aber auch die fertig aufgenommenen, ausproduzierten Spuren zum Mixdown angeliefert. Meine Arbeit als Mischer sehe ich darin, die Ideen der Komponisten und Musiker zu unterstützen, indem ich die Musik mit so viel Spannung, Magie und Leidenschaft wie nur möglich zum Hörer transportiere.
Jeder Mix ist anders. Einige Aufnahmen klingen beim ersten Abhören im Studio schon fast “fertig” – und andere scheinen ihr Ziel verfehlt zu haben. Aber es ist eigentlich völlig egal, wie Aufnahmen klingen, wenn sie in meinem Studio ankommen: Entscheidend ist, wie sie es wieder verlassen! Immer dran denken: Niemanden interessiert der “Zustand” des Aufgenommenen oder des Mischpultes, alles was zählt, ist der Klang des abgelieferten Endproduktes!
Die Ausrichtung auf das Ziel ist sehr wichtig für mich. Als Mixing Engineer braucht man Konzentration, Fokus und sollte seine Arbeit lieben. Ein klarer Kopf ist sehr hilfreich – ich bevorzuge zu Beginn der Mixing-Session eine schnelle Arbeitsweise, um den Groove und die Athmosphäre eines Mixes zu etablieren solange der Song noch “frisch” im Ohr ist. Man trifft dabei viele Entscheidungen in sehr kurzer Zeit. Deswegen ist eine ausgewogene, dem Fluss des jeweiligen Songs entsprechende Herangehensweise sehr wichtig. Ablenkungen sind in dieser Phase überhaupt nicht hilfreich. Das gleiche gilt für zu viel Kaffee.
Unsere Arbeit unterstützt die Erzählung einer Geschichte – und diese Geschichte ist das Allerwichtigste. Egal ob wir im Rechner mischen, auf einem Mischpult oder mit beidem, ob es sich um eine Rock’n’Roll Band oder um elektronische Instrumentalmusik handelt: als Mixing Engineer haben wir der Story, dem Song, und der Vision des Künstlers oder der beteiligten Musiker zu dienen, die an dem Werk bis zu diesem Punkt gearbeitet haben. Das sollte man niemals vergessen!

Für einen großartigen Mix braucht man kein riesiges Studio.

Gareth in seiner mobilen Mixing Suite ...
Gareth in seiner mobilen Mixing Suite …

In einem Weltklassestudio mit jeder Menge Outboard-Prozessoren und großer Abhöre macht es genauso Spaß zu mischen, wie im Computer, mit kleinen Lautsprechern und Kopfhörer. In beiden Szenarien lassen sich sehr gute oder sehr schlechte Ergebnisse erzielen. Deshalb sollte man sich nie auf sein möglicherweise begrenztes Equipments herausreden. Es kommt nicht darauf an, was man hat, sondern wie man es einsetzt! Ich mache beispielsweise viele Mischungen am Computer, weil ich die Möglichkeit liebe, einen Mix in jedem Stadium komplett speichern und am nächsten Tag daran weiterarbeiten zu können. Hinzu kommt, dass Künstler und Kunden davon ausgehen, dass man zu jedem Zeitpunkt auf ihre Änderungsvorschläge eingehen kann. Darauf muss man vorbereitet sein, wenn man diese Tätigkeit professionell betreiben will. Dein erster Mix wird nicht gleich der “amtliche” Mix sein! Speichere die verschiedenen Zwischenschritte häufig und dokumentiere alle Versionen sorgfältig. Denn manchmal wirst Du im Nachhinein feststellen, dass Dir die Drums aus dem einen und die Vocals aus dem anderen Mix am besten gefallen. Dann ist so eine Sorgfalt Gold wert …
Du musst mit deinen Monitoren bestens vertraut sein. Hör dir möglichst viel Musik auf deinen Lautsprechern an, damit Du genau weisst, wie deine Abhöre sie wiedergibt. Allerdings möchte ich davon abraten, den aktuellen Mix ständig mit Referenzproduktionen zu vergleichen. Das zerstört die Atmosphäre. Folge einfach Deiner Vorstellung, aber sei Dir dennoch darüber bewusst, wie andere Musik auf der Anlage klingt. Jeder hat sein persönlich bevorzugtes Monitorsystem – und das ist auch gut so. Viel wichtiger für das Endergebnis ist aber, dass sein Benutzer auch damit arbeiten kann. Mixes sollten auf vielen verschiedenen Lautsprechern gut klingen. Daher haben viele Mischer gleich 2 oder sogar 3 Monitorpaare, um ihren Mix damit leichter vergleichen zu können. Grundsätzlich kann jede Box (groß, klein, Dose usw. ) gut als Abhöre funktionieren. Die Hauptsache ist, dass man weiß, wie sie sich verhält.
Denke daran: nur ein Mix, der Künstler, Produzenten und Plattenfirma gefällt, ist ein guter Mix! Das ist nicht zwangsläufig der Mix mit der lauten Snare und dem fetten Bass,  den Du so sehr magst. Es ist der Mix, der die Geschichte am besten transportiert. Wenn man Songs mischt, entsteht das Gefühl, dass die übrige Musik da ist, um die Stimme stark und dominierend klingen zu lassen. Dass es ihre eigentliche Aufgabe ist, die Geschichte zu unterstützen, die der Gesang erzählt. Der Gesang ist wirklich unglaublich wichtig!

SETUP

Ich organisiere das Layout meines Arrangier- und Mixerfenster in meiner DAW immer gleich – und verwende auch stets die gleichen Farben für Regions und Kanalzüge. Wenn ich am Pult mische, übertrage ich diesen Farbcode auf die Konsole. Ich muss dann nicht soviel nachdenken. Ich weiß beispielsweise sofort, dass bei “blau” der Bass und bei “grün” die Gitarren anliegen. Allein dieser wiederkehrende Farbcode ist schon sehr hilfreich. Außerdem weiß ich,  dass die Drumspuren im Arrangefenster immer ganz oben sind, Percussion darunter ist, der Bass als drittes kommt – und so weiter. Jedes kleine bisschen  Organisation hilft – und erspart einem lästiges Suchen.

Ein strukturierter Aufbau des DAW Mixerfensters spart Zeit!
Ein strukturierter Aufbau des DAW Mixerfensters spart Zeit!

Ein paar Tage bevor ich mit dem Mischen beginne, höre ich mir den Roughmix der Aufnahmesession an. Bei Beginn der eigentlichen Arbeit, höre ich mir direkt die Multitrackaufnahme an.
Ein schneller Mix aus Stimme, Drums und Bass hilft mir dann meistens, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sie zusammen funktionieren. Dann fahre ich ohne Umschweife die anderen Spuren dazu, so dass möglichst schnell ein komplettes Bild des Songs entsteht (30 Minuten). Das heißt, ich ziehe alle Fader hoch so schnell es geht, selbst wenn ich sie später alle wieder runterfahren sollte. Das gibt mir zum einen einen gewissen “Kick”, zum anderen kann ich mir so einen Überblick über “Problemzonen” des Titels verschaffen, wie die Gesangsintonation, unsaubere Schnitte, schlechtes Timing oder schwache Sounds. Sobald ich meinen “Vibe-Mix” zusammen habe, wende ich mich diesen Problemzonen zu. Allerdings bringe ich nur so wenig wie nötig in Ordnung und fasst immer im Gesamtkontext des Mixes. Unser Job als Mischer ist es in dieser Phase nicht einen Song neu zu erfinden, sondern alles so auszubalancieren, dass es im Zusammenhang harmoniert. Manchmal kann ein kleines bißchen Klangkosmetik eine Menge erreichen. 🙂

Dann höre ich mir wieder den Roughmix an, den ich meist auf einer parallelen Spur anliegen habe. Im Roughmix gibt es fast immer irgend etwas, das besser als in meinem aktuellen Mix ist: das kann ein spezieller Sound sein, die Attitüde, ein Detail –  was auch immer. In diesem Stadium ist es gut, den eigenen Stand mit dem Roughmix zu vergleichen. So stellt man sicher, dass die eigene Arbeit “der richtigen Spur folgt“. Denn die meisten Künstler hören und kennen ihren Song oft schon eine sehr lange Zeit in einer bestimmten Version – und normaler Weise ist dies eine Version, die funktioniert! Deshalb ist es wirklich hilfreich, wenn man sich auf den Roughmix beziehen und als Ausgangspunkt benutzen kann.

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Nicht vergessen – Es ist vollkommen egal, wie einzelne Signale im “Solo Mode” klingen. Entscheidend ist der Zusammenklang aller Signale. “Solo Mode” ist zu diesem Zeitpunkt NICHT Dein Freund!

BEIM MISCHEN

Ich benutze viele Busse (Subgruppen) in meinem Setup.
So kann ich Signale zusammenfassen und als Gruppe bearbeiten (Kompression, EQ und Hallräume). Außerdem lassen sich die grundlegenden Mixelemente so bequem gegeneinander ausbalancieren: Drums, Bass, Gitarren, Pads, Backing Vocals und so weiter. Auch dem Leadgesang gebe ich fast immer seinen eigenen Bus. Auf diese Weise kann ich komfortabel automatisieren, wie stark ich den Kompressor auf diesem Bus anspreche. Nebenbei bemerkt: die Automation IST dein Freund. In einem modernen Mix-Setup kann so gut wie alles automatisiert werden. Benutze dieses unglaublich mächtige Werkzeug!
Viele (unachtsam gemachte?) moderne digitale Aufnahmen scheinen unmäßig viel tiefe Frequenzanteile zu haben, die musikalisch irrelevant sein können. Um den Weg für Bass und Bassdrum frei zu machen, räume ich deshalb zunächst einmal mit Hilfe von EQs den „Matsch“ im Bass- und Tiefmittenbereich der Spuren auf. Das „klart“ den Klang ganz erheblich auf. Natürlich wollen wir den Mix aber auch nicht „dünn filtern“ – ich persönlich liebe nach wie vor einen warmen, fetten Analogsound. Ein Großteil meiner Arbeit mit Kompressoren und Verzerrungen besteht somit darin, diese Klangeigenschaften zu erzeugen oder hervorzuheben. Sei also VORSICHTIG bei der Beschneidung der tiefen Frequenzen (wo ein großer Teil der empfundenen „Wärme“ herkommt). Du musst lernen, zwischen Wärme und “Matsch” zu unterscheiden!

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Ich setze nicht viele Equalizer ein – auf jeden Fall kaum für Frequenzanhebungen. Den überwiegenden Teil meiner Soundarbeit mache ich mit verschiedenen Kompressoren und Verzerrern. Dann entferne ich möglicherweise unerwünschte  Frequenzen mit dem EQ. Das ist für mich der Bereich wo EQs wirklich hilfreich sind: um störende Frequenzen aus dem Weg räumen.
Kompressoren setze ich überall im Mix ein, oftmals in Reihe oder parallel geschaltet, wobei ein Kompressor den Output eines anderen „füttert“. Oder unkomprimierte Signale, die mit komprimierten zusammengemischt werden, sowie Kompressoren in den Inserts und den Echo-Sends. Überall Kompressoren. Mit Kompressoren zu experimentieren ist eine Lebensaufgabe, die sich klanglich sehr auszahlen kann. Je früher Du also damit anfängst, schräge und abgefahrene Sachen mit Deinen Kompressoren anzustellen, desto glücklicher wirst Du mit Deinen Mixen sein! Es ist SEHR EINFACH in einer DAW komplexe Verschaltungen und Routings vorzunehmen. Also nutze das.  Natürlich benötigst Du dafür ein Programm mit voller Latenzkompensation für alle Plug-Ins, weshalb Pro Tools LE eigentlich ausscheidet. Ich benutze Logic Pro.
Ich gehe sparsam mit Effekten um. Wenn ich dann wirklich mal einen  Effekt einsetze, ist dieser auch deutlich zu hören, weil Klangbild noch nicht mit 101 anderen Effekten zugekleistert ist. Und wie alles, was ich beim Mischen mache, werden die Effekte nur verwendet, um die Vision des Künstlers und des Produzenten zu unterstützen. Nicht um ihrer selbst willen.
Sehr oft habe ich Platten- und Federhall als Send-Effekte im Einsatz, und vielleicht noch einen zusätzlichen Raum fürs Schlagzeug (Die Zeit, an Drums zu arbeiten, bis ein wirklich solides Klangbild entsteht lohnt sich immer – oft triggere ich noch zusätzliche Drum-Sounds, um den Druck oder die Atmosphäre zu verstärken. Für diese Aufgabe setze ich oft den Drum-Replacer “Drumagog” ein.)

Gelegentlich bringe ich ein oder zwei Delays ins Spiel – ich liebe den Klang des “Space Echos”! Dieser Klassiker und andere Effekte können sehr subtil eingesetzt werden, um den Eindruck (das “Feel”) einer Stimmaufnahme zu verstärken.
Natürlich gibt es für keins dieser Dinge feste Regeln – bitte experimentiert einfach damit! Es zahlt sich oft aus, den Return eines Effektes abzuhören und zu prüfen, ob er zu schrill oder zu matschig klingt. Der Sound vieler Hallräume kann verbessert werden, indem man dem Send-Signal nicht zuviel tiefe Frequenzanteile zuführt. Und bei Distortion Effekten, wie z.B. einem Bitcrusher, kann der Sound durch das Beschneiden unangenehmer Höhenanteile gebändigt werden. Behalte dabei immer das GESAMTBILD des Mixes im Blick.

Mache regelmäßig Pausen beim Mischen – so oft wird nach einer kurzen Pause unüberhörbar, was es im Mix noch zu ändern gilt. Stundenlanges Mischen führt dagegen meist dazu, dass man den Durchblick verliert. Du darfst beim Mischen nie das Wesentliche aus den Augen verlieren: das Gesamtbild. Den Groove, die Gewichtung, die Spannung, den Punch und  Klarheit und Wirkung des Gesangs. Verlier Dich nicht in Nebensächlichkeiten – obwohl natürlich jeder Mix aus unzähligen, kleinen Veränderungen BESTEHT, die jede für sich genommen nicht weiter in Gewicht fallen würden. Aber in ihrer Summe bewirken sie etwas Wundervolles. Also: Üben, üben, üben. Auch Üben soll helfen! ☺

© fotolia.
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Manchmal gibt es zu viel aufgenommenes Material – behalte das immer im Kopf. Man sollte also nicht davor zurückscheuen, den Mix überfrachtende Spuren einfach abzuschalten, wenn es denn dem “Vibe” hilft. Ein gelungenes Arrangement ist entscheidend für den Klang des ganzen Mixes. Arbeite also mit dem Künstler und Produzenten, falls Deiner Meinung nach zuviel im Klangbild passiert. Manchmal werden sie Dich dafür lieben, manchmal wirst Du aber auch total daneben liegen.

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Zusammenfassend: Probiere alles aus und höre immer genau hin.
Bitte vergiss nie, dass ein Mix dem Fluss der Musik und der Erzählung einer tollen “Story” helfen soll – und es NICHT darum geht, ihn so laut wie möglich zu machen! “Schlechtes Laut” hinzukriegen ist einfach. “Gutes Laut” überlässt man hingegen besser dem Mastering Engineer – oder macht das zumindest in einem späteren Arbeitsschritt. In der Misch-Phase der Produktion solltest Du sensibel den Klang ausbalancieren, sowie Einzelsounds und  Klangkombinationen so zu bearbeiten, dass Du am Ende ein schönes integriertes “Ganzes” erzielst.

Happy Mixing!

Gareth Jones

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© Foto von Gareth Jones zur Verfügung gestellt.

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ModeCubator sagt:

#1 - 03.06.2011 um 19:50 Uhr

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Sehr aufbauend, von einem so "alten Hasen" zu hören, dass Ausprobieren die beste Medizin ist ... :-)

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