Praxis
Wir brauchen Punch, Punch!
Das Mojave MA-1000 ist ein sehr interessant klingendes Mikrofon. Sofort fällt auf, dass das Röhrenmikro vor allem eines ist: punchy! Das Signal ist sehr griffig und weit vorne, das MA-1000 ist eines der „vornsten“ Mikros, die ich kenne. Das erzielt es nicht einfach durch einen Präsenz-Boost und harmonische Anreicherung, sondern durch eine wirklich gut gewählte Kombination dieser Klangbestandteile bei sehr, sehr guter Transientenwiedergabe und Mikrodynamik. Das ist echt erstaunlich für ein Mikrofon, bei dem das Signal durch Röhre und Übertrager läuft und verdient höchsten Respekt. Toll ist auch, wie sanft die Sättungsprodukte mit Pegelanstieg stärker werden und die feine Griffigkeit höher wird. Dass sich das so gut steuern lässt, ist keine Selbstverständlichkeit.
Optimierung auf Niere?
Standardmäßig werden auch umschaltbare Großmembranmikrofone in Nierencharakteristik betrieben und nehmen recht trockene Signale auf. Man merkt, dass Mojave ihr MA-1000 daraufhin optimiert haben. Doch auch die Hinzumischung der hinteren Membran hat ihren Reiz, denn die im Pegelfrequenzgang abzulesenden Änderungen lassen sich auch klanglich nachvollziehen. Besonders die Kugel klingt luftiger und „fluffiger“ durch den Höhenboost – und natürlich durch die mit der geänderten Richtungsempfindlichkeit einhergehende Aufnahme von Rauminformation.
Dass das Airband bei der Kugel laut Grafik weniger ausgeprägt ist, lässt sich klanglich nicht nachvollziehen, generell ist das Mojave gemessen an der Membrangröße auch im oberen Frequenzband sehr gut aufgestellt und klingt bei normalen Abständen nie belegt. Auch vom Low-End lässt sich nur Positives berichten: Der Bass ist sauber und klar, wird aber stärker angereichert als Mitten und Höhen – was auch durchaus wünschenswert ist und das Gesamtsignal immer noch klar genug erscheinen lässt. Bei naher Besprechung kippt das MA-1000 erst spät in Richtung Mulmigkeit und Schwammigkeit, weshalb man es auch für die Mikrofonierung von Cabinets oder sogar Trommeln in Erwägung ziehen kann, solange die herrschenden Pegelverhältnisse nicht extrem sind. Dass das Filter sehr sanft beschneidet, war vorauszusehen. Es klingt sehr natürlich, doch um dem Nahbesprechungseffekt stärker entgegenzutreten, wäre eine zusätzliche steilere oder höher angesetzte Variante kein Fehler gewesen. Allerdings verträgt das Röhrenmikro hervorragend auch saftige EQ-Eingriffe und brutale dynamische Bearbeitung – hier machen sich die wenigen, hochwertigen Komponenten bezahlt. Selbst wenn man das Rauschen mit monströsem Make-Up-Gain nach der Kompression zutage fördert: Es besitzt keine störenden Komponenten oder eine zu grobe zeitliche Struktur.
Unterschiedlichkeit der Polar-Patterns
Im Praxisbetrieb macht sich bemerkbar, dass die Unterschiede in den Pegeln der verschiedenen Polar-Patterns stark ins Gewicht fallen (für die Hörbeispiele ausgeglichen). Die Acht ist auf der Hauptachse sehr pegelstark, die Kugel insgesamt schwächer als vermutet. Aufmerksamkeit sollte man auf den Charakter von nicht axial einfallendem Schall richten, besonders dann, wenn es sich um relevantes Material handelt, also mit hohem Pegel bleedende Instrumente oder Stimmen oder wichtige Rückwürfe. So klingt die Niere bei 45 Grad Besprechung deutlich phasig, der Sweet-Spot ist geringer als bei einigen anderen Mikrofonen dieses Bautyps.
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Was hat man sich bloß dabei gedacht?
So. Alles gut? Nein. Es gibt da etwas, was bei mir Kopfschütteln und ein „Ich fasse es nicht!“ hervorgerufen hat. Folgendes: Vakuumröhren müssen innen beheizt werden. Diese Heizung erzeug je nach Typ ein stärker oder weniger stark wahrnehmbares orangenes Glimmen. Mein Hiwatt-Gitarrentop beispielsweise leuchtet geradezu die weiße Wand dahinter an, wenn es recht dunkel ist, lässt sich das leicht erkennen. Es sind dort allerdings zwei EL34 verbaut, die richtig ordentlich zu tun haben. Im Mojave hingegen tut ein winziges „Röhrchen“ seinen Dienst. Und ja, auch die Heizung dieses Glaskolbens glimmt orange. Allerdings entstammt das orange Licht, welches durch die Lüftungsschlitze scheint, einer LED in gleichem Orangeton, die zu allem Überfluss auch noch auf der der Röhre gegenüberliegenden Platinenseite verbaut wurde! Ich glaube, „erschüttert sein“ ist der richtige Begriff, um mein Gefühl auszudrücken. Was mich so verwundert: Das Mojave MA-1000 ist ein wirklich gut klingendes Mikrofon, von dem man denken würde, dass es derartige Bauernfängerei gar nicht nötig hätte! Eine „On“-LED, die den Betrieb kennzeichnet, mein Gott ja, aber eine Röhrenglimm-Fake-LED? Ich bin ratlos – von einem tontechnischen Gerät der oberen Preisklasse kenne ich so etwas nicht und würde gerne wissen, ob es bei Mojave ausschließlich Menschen gegeben hat, die diese Idee unterstützt haben… Gut, das ist sicherlich und eindeutig Geschmackssache – aber ich habe ein so großes Problem damit, dass ich mir trotz tollen Klangs einen anderen Tubus besorgen oder trotz Interesse auf einen Kauf verzichten würde, um ehrlich zu sein. Und wo ich mich schon einmal beschwere: Das MA-1000 klingt zwar hervorragend, ist aber von der baulichen Seite nur Standard. Ein Microtech Gefell oder ein Audio-Technica der 5000er-Serie mit ihren in absoluter Perfektion gefertigten Gehäusen und den in jeder Hinsicht makellosen Oberflächen lassen das Mojave in nicht mehr so gutem Licht stehen, wenn der Schattenwurf nicht gerade das Preisschild verdeckt…
rubbersoul sagt:
#1 - 01.07.2017 um 13:43 Uhr
Punchiger Sound kann ich bestätigen.
Allerdings muss auch immer berücksichtigt werden, dass das Signal in der Regel bearbeitet wird, also auch mit Kompressoren.
Und dann wird der Tiefmitten/Bassanteil zuviel.
Ähnlich das Balckspade UM17b, was ich aber wegen der Thiersch M7-Kapsel als noch besser empfinde.
Das UM92.1s zeigt hier deutlich, dass es im Grunde das bessere Mikro ist, was an der superben Mittenabbildung liegt, und später im Mix mit EQ und Kompressor perfekt im Mix sitzt.