Quasi als Synonym analoger Synthesizertechnik hat der legendäre Hersteller Moog Ende 2011 den iOS (inzwischen auch Blackberry) Synthesizer Animoog ins Leben gerufen. Anfang 2014, also gut zwei Jahre später, genießt der Animoog – inzwischen in der Version 2.1.1 – einen hervorragenden Ruf und das nicht nur als iOS Synthesizer, sondern als Synthesizer generell!
Vorweg: Dies ist kein fairer Testbericht, es war einfach Liebe auf den ersten Blick … und es war Sommer! Ich war fest entschlossen, mir einen Analogsynthesizer zu kaufen und habe mich den ganzen Sommerurlaub auf das „Antesten“ des Objekts meiner Begierde gefreut. Als es dann endlich soweit war, hat mich der Synthesizer X von Hersteller Y dann doch nicht hundertprozentig überzeugt und bei weiteren Internet-Recherchen habe ich plötzlich den mir bis dahin unbekannten iOS Synthesizer Animoog entdeckt. Am darauffolgenden Tag verließ ich in Begleitung eines iPad4 den Mediamarkt mit den Zielkoordinaten iTunes App Store. Was mich dazu bewogen hat, ob ich es bereut habe und was sich hinter dem seltsamen Begriff „Anisotropic Synth Engine“ verbirgt, erfahrt ihr im nachfolgenden Testbericht, der im Übrigen ausschließlich auf Erfahrungen mit der iPad-Version des Animoogs beruht!
Details
Konzept/Klangerzeugung
Das Herzstück des 4-stimmig spielbaren Animoog ist die sogenannte Anisotropic Synth Engine (ASE), wobei „anisotropic“, zu Deutsch: richtungsabhängig, den Nagel auf den Kopf trifft. Anstelle klassischer Oszillatoren verwendet der Animoog Samples, allerdings nicht irgendwelche Samples und diese Samples werden auch nicht irgendwie ausgelesen, aber im Einzelnen: Die Samples entstammen überwiegend historischen und aktuellen Moog Synthesizern, häufig unter der Einbindung weiterer Hardware/Effekte des Herstellers. 16 der auf diese Weise entstandene Samples werden in einem sogenannten Timbre hintereinander (X-Achse/horizontal) zusammengefasst. Nun werden im Animoog pro Soundprogramm acht solcher Timbres übereinander geschichtet (Y-Achse/vertikal) und über diverse Modulationen (Orbit, Path) die Ausleserichtung der Samples (X- und Y-Achse) festgelegt. Die Abbildungen 2 und 3 zeigen die Anordnung der Timbres innerhalb eines Soundprogramms sowie den unmodulierten und frei verschiebbaren Startpunkt der Auslesung der Timbres, der im Handbuch als „Origin“ bezeichnet wird.
Timbre Modulationen
Die folgenden Abbildungen veranschaulichen die X/Y Modulationen durch das Orbit Modul. Wie sich die Auslesung mit verschiedenen LFO-Geschwindigkeiten anhört, erfahrt ihr im ersten Audiobeispiel.
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Daraus resultieren sehr lebendige Grundklänge, der Wavetable-Synthese nicht unähnlich, aber durch den quasi unerschöpflichen Vorrat an Samples (inklusive In-App Store) und der umfangreichen Beeinflussungsmöglichkeiten bezüglich der Auslesung sind die Soundmöglichkeiten vielfältiger und komplexer. Bei hohen LFO-Geschwindigkeiten kommen solch hübsche Gebilde dabei heraus.
Der zweite Modulationsquelle steht das Path Modul bereit. In diesem können auf bis zu 15 Wegpunkten sogenannten „Nodes“, der Auslese-Pfad, festgelegt werden. Darüber hinaus gibt es verschiedene Möglichkeiten der Ausleserichtung und -geschwindigkeit. Die folgenden Abbildungen und das zweite Audiobeispiel sollen dies veranschaulichen. Dass hier, etwa in der Mitte des Audiobeispiels, bei bestimmten LFO-Geschwindigkeiten das Wort „Techno“ erklingt, ist übrigens ein reines Zufallsprodukt!
Die Module Path und Orbit können sich ergänzend, gleichzeitig genutzt werden, was im folgenden Audiobeispiel zu hören ist:
Subtraktive Synthese
Was der „anisotropisch erzeugten“ Schwingungsform folgt, ist klassische subtraktive Synthese:
- emuliertes Moog 4-Pol Kaskadenfilter (LP, BP, HP)
- 3 Hüllkurven (Amp, Filter, Mod)
- LFO (5 überblendbare Schwingungsformen)
- Modulationsmatrix
In der Modulationsmatrix wird sogar der Bewegungssensor des iPads als möglicher Controller miteinbezogen. Auf die weiteren Klangverbesserer wie Unisono, Drive, Crush und Delay werde ich im Praxisteil noch näher eingehen. Im vierten Audiobeispiel hören wir einen Filtersweep (Lowpass) bei maximaler Resonanz. Natürlich sind in solch einem sterilen und extremen Beispiel digitale Artefakte auszumachen, im musikalischen Kontext überzeugt die Filter-Emulation aber zu 100 Prozent.
Alles unter Kontrolle
Die erzeugten Klänge wollen auch gespielt und verändert werden. Auffällig und für Touchscreen-Neulinge zunächst einmal ungewöhnlich ist das vielfältig konfigurierbare Keyboard mit seinen Touch Keys. Der Clou: Jeder Touch Key sendet, ähnlich einem Fader/Slider, also je nach Höhe der Berührung, Polyphonic Key Pressure an die Klangerzeugung, bei erworbenem MIDI Expansion Kit (In App Animoog Store EUR 4,49) auch an externe Klangerzeuger. Hierdurch wird ein sehr ausdrucksstarkes Einspielen ermöglicht, das in manchen Situationen (z.B. Solo Lead) zu besseren Ergebnissen führt als mit einer echte Keyboardtastatur. Virtuelle Nachbildungen von Pitch- und Modulation-Wheel sind selbstverständlich vorhanden und haptisch gut bedienbar. Praktisch ist außerdem die Möglichkeit, eine Tonskala festzulegen, zu sehen in Abbildung 10.
Besonders angetan hat es mir die Regelung der „Correction“-Intensität (Abb.11). Verringert man diese, wird bei Betätigung des Touch Keys nur die exakte Tonhöhe wiedergegeben, wenn man den Key (horizontal) mittig berührt. Somit ist es möglich, ein Vibrato zu spielen wie bei einem Saiteninstrument, Ribbon Synthesizer oder Theremin.
Im nächsten Audiobeispiel habe ich dreimal hintereinander eine (im Großen und Ganzen) identische Tonfolge gespielt. Zuerst mit maximalem Cor-Wert (10), danach mit den Werten 5 und 0.
Sonstiges
Über den bereits erwähnten In App Animoog Store lassen sich verschiedene Inhalte zusätzlich erwerben. Neben 4 Track und MIDI Expansion Pack handelt es sich um weitere Timbres, die nicht nur Moog Hardware entstammen muss, beispielsweise das Grateful Dead Expansion Pack, in dem „Aufnahme-Schnipsel“ eines Konzertes von 1968 als Timbres recycelt werden. In diesem Fall inspiriert das Wissen um den Ursprung der Samples mehr als die Sounds selbst.
Die problemlose Verbindung zu anderen Apps ist durch Unterstützung von Audiobus und Audio Copy & Paste gewährleistet. Eine Unterstützung des noch relativ jungen Inter-App Audio Standards wird es hoffentlich mit einem der kommenden Updates geben. Die Verbindung zur Außenwelt ist mit der Ansteuerbarkeit durch Class Compliant MIDI Geräten und über WiFi MIDI problemlos herzustellen. Vorbildlich ist das simple MIDI-Mapping, wodurch sämtliche Bedienelemente des Animoog externen Controllern zugewiesen werden können.