PRAXIS
Workflow und Programming
Wie bereits angedeutet, gibt’s beim Moog ein paar schlaue Bedienhilfen, die den Workflow erleichtern. Durch die flexiblen Möglichkeiten zur Modulationszuweisung außerhalb des Displays/Mod Map oder die More-Menüs bleibt der Muse trotz seiner Komplexität insgesamt übersichtlich und intuitiv. Diese Flexibilität ist aber auch manchmal hinderlich, weil man dann doch hin und wieder den Überblick darüber verliert, welche Modulationen man nun eigentlich auf welcher Ebene zugewiesen hat und welche aktiv sind.
Was man sich außerdem hätte sparen können, ist, dass man bei jeder Zuweisung „Enter“ drücken muss. Das geht bei den meisten Synths auch gut ohne und ist eine unnötige Stolperfalle. Auch wenn man beim Sequencer etwas öfter ins Display schaut, lässt der sich dank LIVE RECORD MODE und den 16 Anzeige-Buttons recht unkompliziert programmieren. Die Bi-Timbralität und die übersichtliche Preset-Struktur machen den Muse auch für die Bühne sehr interessant.
Langes Booting
Auffällig ist die lange Boot-Zeit des Synths. Bis man einen Ton spielen kann, verstreichen insgesamt rund 70 Sekunden. Vermutlich läuft hier unter anderem eine automatische Tuning-Routine ab, die ja meist ohnehin nötig ist und hier eben schon eingepreist wurde. Jedoch komme ich bei meinem Sequential Prophet-6 auf insgesamt 30 Sekunden Boot-Zeit inklusive Tuning. Auch wenn es um zwei Stimmen weniger geht, ist der Unterschied schon gravierend. Das kann vor allem live bei besonders kurzen Change-Overs schon mal stressen, ist aber insgesamt kein Drama.
Wie “moog” klingt der Muse ?
Die Ausflüge von Moog in Sachen Features, Bedienung und Design machen auch vor dem Klang des Muse nicht halt. Der Grundsound bewegt sich nicht zuletzt durch das Ladder-Filter deutlich in Moog-Gefilden. Beim Spielen und Programmieren stellt sich aber schnell das Gefühl ein, dass der Muse eben doch nicht „typisch Moog“ ist.
Für dich ausgesucht
Im Vergleich zum Moog Matriarch etwa klingt der Muse etwas weniger samtig und dicht, sondern deutlich höhenlastiger, aufgeräumter bei Akkorden und auf eine Art entschlackter.
Der Matriarch hat eindeutig mehr Wärme und Oszillator-Drift. Er schwingt und schwebt, wohingegen der Muse zwar immer noch deutlich analog, aber etwas sauberer und neutraler daherkommt. Das hat eventuell auch mit dem vergleichsweise cleanen Mixer und VCA zu tun, ist aber bei einem polyphonen Synth durchaus auch begrüßenswert. Denn so wirken die Akkorde weniger matschig-mächtig und lassen sich etwas besser im Band-Kontext mischen. Die Unterschiede werden vor allem bei offenem Filter mit dem rohen Oszillator-Sound deutlich. Um das zu demonstrieren, habe ich einmal ein paar vierstimmige Akkorde bei gleichen Settings an den Muse und einmal an den Matriarch geschickt.
Oszillatoren
Dass der Muse nicht den klassischen Moog-Weg geht, mag auch an den Voyager-basierten Oszillatoren liegen, die das ebenfalls nicht getan haben. Das extra für den Muse entwickelte Design mit den mehrfach mischbaren Wellenformen lädt jedenfalls zu individuellen Sounddesign-Ausflügen ein.
Um die Bandbreite des Oszillators zu demonstrieren, habe ich einmal eine Fahrt von Dreieck bis Sägezahn gemacht. Dann gings über den Fader stufenlos ins Rechteck über, wo ich dann wiederum die Pulsbreite geregelt habe. Zusätzlich habe ich einmal alle „reinen“ Wellenformen inklusive Sinus-Wave des Modulation-Oszillators aufgenommen.
Bei der Pulsbreite gibt es einen sehr interessanten Sweet Spot, den ich von keinem anderen Analog-Synth kenne. Kurz bevor der Regler voll aufgedreht ist und der Sound verschwindet, produziert der Muse-Oszillator noch seine famous last Words: eine glitchy verzerrt wirkende Textur, die sich wunderbar für LoFi-Sounds eignet.
Tolle Sounds, jederzeit
Durch die acht Stimmen und die Voyager-Oszillatoren glänzt der Muse in ganz unterschiedlichen Disziplinen. Sowohl seidige Lead-Sounds, als auch kernige Bässe und träumerische Pad-Sounds sind dank des guten Grundsounds schnell programmiert. Es gestaltet sich schon fast schwierig, sie nicht schön klingen zu lassen.
Seine ganze Macht demonstriert der Muse im Unisono-Modus. Wo Filter und VCA anderer Synthesizern auch mal in die Knie gehen und der Unisono-Sounds seltsam komprimiert wirkt, bleibt er beim Muse stets druckvoll und lebendig.
Auch wenn man das Diffusion Delay und seine Funktionsweise erst einmal kennenlernen muss, offenbart es eine große Bandbreite aus Reverb/Delay-Sounds und schickt vor allem die Pad-Sounds ins Weltall.
Die Bi-Timbralität macht den Muse sowohl für die Bühne als auch für komplexes Sounddesign interessant. Gerade im Band-Kontext ist es sehr hilfreich, wenn man in der linken Hand einen Bass- und in der rechten einen Pad/Lead-Sound separat spielen kann. Aber auch für den Sequencer ist die Bi-Timbralität Gold wert, da das Patch ja per Step gewechselt werden kann. In Kombination mit Parameter Rec und Diffuse Delay kommen hier sehr lebendige, verspielte Sequenzen zustande.
Die FM-Funktion funktioniert erstaunlich gut. Damit die Oszillatoren sich nicht unkontrolliert zerstören, schaltet man zur Kontrolle per Mod Map eine der Hüllkurven dazwischen. In den folgenden Beispielen habe ich die FM-Intensität auf das Mod Wheel gelegt, sodass die klanglichen Unterschiede klar werden.
Große Moog-Keyboards sind eher weniger für ihre schnellen Hüllkurven bekannt, was sich auch beim Muse nicht ändern soll. Mit ein wenig Feingefühl entlockt man ihm gerade durch die komplexe Filterstruktur dann aber doch recht amtliche Drumsounds, die im Sequencer dank Probability richtig lebendig werden.
Insgesamt wird der Muse seiner Flaggschiff-Optik klanglich durchaus gerecht und brilliert in ganz verschiedenen Aufgaben. Diese Vielseitigkeit geht klanglich aber auch auf Kosten von Moogs „One Trick Pony“-Image. Auch wenn der Sound sich eindeutig als „Moog“ identifizieren lässt, bringt der Muse etwas weniger vom typisch warmen Vintage-Charakter mit und geht so seinen eigenen Weg.
Features | Moog Muse | Sequential Prophet-Rev02 | Novation Summit |
Polyphonie | 8 | 6 | 16 |
Anzahl Oszillatoren | 3 (einer davon Mod OSC) | 2 + Sub-Oszillator | 3 |
Filter | Zwei Low Pass Filter, eins davon auf Highpass schaltbar. Parallel, Seriell oder Stereo nutzbar | 12db/24db Low Pass-Filter, optionaler Highpass in der Effekt-Sektion | Multimode Filter mit Dual Filter-Option (festgelegte Filter-Kombinationen) |
Anzahl Hüllkurven | 2 | 3 | 3 |
Anzahl LFO’s | 4 | 4 | 4 |
Anzahl Modulations-Slots | 21 (16 Mod Map+ 5 Bedienpanel) | 22 | 16 |
Audio In | Nein | Nein | Ja |
Effekt-Slots | 1 | 2 | 4 |
Effekt-Typen | 1 | 13 | 4 |
Gewicht | 14,5 kg | 9,3 kg | 11 kg |
Bewertung im Test | 4,5/5 | 4/5 | 4,5/5 |
Preis | Vorraussichtlich 3.500 € | 2.099 € | 2.099 € |
Produkt bei Thomann | Thomann-Link | Thomann-Link |
Peter Hauser sagt:
#1 - 06.08.2024 um 22:09 Uhr
So we ich das sehe, bleibe ich gerne bei meinem Novation Summit :), interessant auch, dass er hier zum Vergleich diente. Auch kann ich beim Durchlesen des Artikels mich dem den Eindruck nicht widersetzen, dass der Funke vom Muse auf den Tester nicht so recht hat überspringen wollen. Interessant wäre auch ein Vergleich zum Polybrute 12, der in der ähnlichen Preisklasse weibelt und mit deutlich mehr Features daherkommt.
Kosmonaut sagt:
#2 - 13.09.2024 um 10:27 Uhr
In der tabellarischen Übersicht auf Seite 2 steht mein Prophet REV2 6 fache Polyphonie, es sind doch je nach Ausbaustufe 8 bzw. 16?