PRAXIS: MPE in Live – Wavetable
Wavetable war der erste interne Software-Synthesizer von Live 11, der MPE-Daten als Modulation verarbeiten konnte. Schauen wir uns also mal an, wie man einen Sound mit viel MPE-Modulation erzeugt. Ein neuer Reiter namens „MPE“ ist dazu gekommen. Er bindet die MPE-Datenströme Slide und Pressure in die Modulation ein. Voreingestellt ist die Verknüpfung von Slide und Osc 1 Pos. Damit fährt man durch die Slide-Bewegung der geladene Wavetable.
Um die Frequenz des Filter-Cutoff als Modulationsziel für Slide hinzuzufügen, klickt ihr den entsprechenden Regler im Filter an, dann taucht er in der MPE-Liste auf. Anschließend dreht ihr die Modulationsstärke unter Slide zu Filter 1 Freq auf 100. Damit die Modulation auch funktioniert, müsst ihr den Frequency-Regler im Filter noch etwas runterdrehen. Vorher kann die Modulation keine Bewegung erzeugen.
Wie wäre es, wenn wir eine Modulation erzeugen, die den Sound umso größer klingen lässt, je weiter wir auf einer MPE-Note nach oben sliden? Dafür modulieren wir das Panning beider Oszillatoren per Slide.
Als erstes das kleine C oben links in Oszillator 1 anklicken und schon taucht Osc 1 Pan in der MPE-Liste auf. Diesen Parameter dreht ihr in der Slide-Spalte auf 100. Dasselbe wiederholt ihr bei Oszillator 2. Nur dass ihr hier in der Slide-Spalte auf -100 stellt. So bewegt sich dieser Oszillator nämlich auf die andere Seite des Stereobilds.
Für noch größeren Sound moduliert ihr den Regler Unison ebenfalls via Slide. Zuerst aktiviert ihr in Wavetables Unison-Bereich rechts den Shimmer-Modus. Dort dreht ihr die Anzahl der Stimmen auf acht und den Unison-Amount auf 50%. Dazu soll Slide diesen Parameter zu 100% modulieren. Nehmt diese Einstellung also in der MPE-Matrix der Slide-Spalte vor – so, wie ihr es gerade bereits mit Filter Frequency und Panning getan habt.
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So richtig riesig und performativ wird es erst, wenn ihr jetzt noch die Geschwindigkeit des LFO an den Pressure-Parameter bindet. Je fester ihr drückt, desto schneller wird der LFO. Dieser bewegt wiederum den zweiten Filter-Cutoff und die Wavetable-Positionen beider Oszillatoren.
Zuerst verbindet ihr in der Modulationsmatrix (nicht MPE!) LFO1 mit den Zielen Filter 2 Frequency, Osc 1 Position und Osc 2 Position. Stellt dort die Stärke in der Spalte von LFO 1 in der Zeile für jeden Parameter ein. Dreht außerdem den Frequency-Regler von Filter 2 weit nach unten und die beiden Position-Regler von Oszillator 1 und 2 ungefähr in die Mitte. So ist die Modulationsbewegung besonders deutlich zu hören.
Die Geschwindigkeit des LFO soll davon abhängen, wie fest ihr eine Note auf eurem MPE-Controller drückt. Justiert dafür zum Einstieg LFO 1 so, dass er keine extremen Modulationsbewegungen sendet. Sein Amount kommt auf 36% und die Geschwindigkeit auf halbe Noten (1/2).
Und die Rate soll sich eben verändern, je nachdem, wie stark gedrückt wird. Also klickt ihr auf Rate in LFO 1 und schont taucht Parameter LFO 1 Rate in der MPE-Matrix auf. Jetzt stellt ihr in der Spalte Pressure die Stärke 100 ein. Fertig!
MPE in Ableton Live: Welche Instrumente und Effekte sind MPE-kompatibel?
Seit dem Update auf Ableton Live 11.3 hat man noch einmal eine ganze Reihe der DAW-Instrumente MPE-fähig gemacht. Neben Wavetable konnte Sampler bereits vorher MPE Modulationen erkennen und verarbeiten. Auch der kleine Bruder Simpler versteht MPE. Um dort aber eine MPE-Modulation anzulegen, muss man Simpler immer erst in Sampler umwandeln. Etwas umständlich.
Auch Drum Racks, Instruments Racks und alle MIDI Devices in Ableton Live 11 „verstehen“ MPE. Das bedeutet aber nur, dass die Racks und MIDI-Devices wie Chord oder Pitch MPE-Signale an entsprechende Instrumente oder Plugins durchlassen, die mit den Signalen Modulation erzeugen können.
Dazu leitet der Arpeggiator nun auf einem MPE-Controller zum Instrument einen Glide von einer Note zur anderen weiter. Und Abletons Capture Funktion, die im Hintergrund alles vom MIDI-Controller mitschneidet, tut das nun auch bei MPE-Signalen.
In Ableton Live 11.3 sind vier weitere Instrumente MPE-fähig geworden: Analog, Collision, Electric und Tension. Alle vier verfügen nun über je zwei Modulations-Slots für Pressure und Slide – außer Electric. Hier ist nur polyphones Pitch Bend möglich, Modulationen fehlen dem Instrument gänzlich.
FM-Ungetüm Operator fehlt weiterhin schmerzlich. Aber für das letzte nicht MPE-fähige Instrument i wird Ableton sich in einem zukünftigen Update sicher etwas Besonderes einfallen lassen. Neben den Instrumenten erfuhr auch der MIDI-Effekt Note Echo eine MPE-Erweiterung. So beeinflusst das Feedback-Signal nun nicht nur die MIDI-Noten selbst, sondern auf Wunsch auch die jeweiligen MPE-Daten.
MPE Devices in Ableton Live: MPE Control und Expression Control
Um den Übergang in die Welt voller MPE Software-Synthesizer zu erleichtern und Rücksicht darauf zu nehmen, dass es mehr als nur den Ableton Push als MPE Controller gibt, kommt Ableton ab Version 11 mit zwei MIDI-Devices daher. Speziell für den Umgang mit MPE-Signalen gibt es den MPE Control.
Im Device stellt ihr die Intensitätskurven von Pitchbend, Pressure und Slide ein. Je nach MPE-Controller sprechen die einzelnen Tasten oder Pads beim Spiel nämlich anders an. Ihr könnt aber auch das Slide- und das Pressure-Signal tauschen. So nutzt ihr die Slide-Bewegung (auf und ab auf dem Pad oder der Taste) vom Controller auch bei Plugins oder externer Hardware, die polyphonen Aftertouch (so hieß Pressure früher) unterstützt.
Expression Control ist zwar schon ein bisschen länger dabei, doch verarbeitet das Devicen nun aber auch MPE-Signale wie Pressure oder Slide. So könnt ihr alle Effektparameter in der Spur mit Slide oder Pressure in Expression Control verbinden. Bewegt ihr euren Finger beim Spielen, bewegt sich auch der verknüpfte Parameter (zum Beispiel ein Dry-Wet-Regler).
MPE und Push
Mit dem Push 3 hat Ableton eine deutliche Ansage in Sachen MPE gemacht. Nicht nur eine Standalone-Version des Controllers gibt es: Wenn ihr wollt, könnt ihr auch im Garten (maximal 2 Stunden) Beats bauen. Außerdem hat Ableton die Pads von Push 3 MPE-fähig gemacht.
So kann man auf allen 64 Pads einen kleinen Slide von oben nach unten machen, das Pad dazu sanfter oder fester drücken und dem MPE-fähigen Software-Instrument ganz neue Sounds entlocken. Wer mag, kann auch in jeder Pad-Reihe vom ersten zum letzten Pad gleiten und wunderschöne Portamentos erzeugen.
MPE-Instrumente in Live (II): Sampler und Co.
Ableton erlaubt im Controller detaillierte Einstellungen. Die Empfindlichkeit der Pads lässt sich genauso fein einstellen, wie der Slide-Bereich (ob schmal oder breit auf jedem Pad) und das Pitchbend-Verhalten. Damit könnt ihr die Ableton-eigenen Instrumente per Controller genauso musikalisch spielen wie Drittanbieter-Plugins bei entsprechender MPE-Fähigkeit.
MPE: Wie geht es weiter?
Wenn Native Instruments endlich aus dem Knick kommt, Omnisphere auf den Zug aufspringt und sich MPE nun auch noch in der Hardware-Synth-Welt ausbreitet, stehen uns goldene Zeiten bevor. Was die Technologie in Sachen Sounddesign, Ausdrucksmöglichkeiten und Spielgefühl mitbringt, passt wie die Faust auf das Ableton-Auge. Drücken wir die Daumen, dass Operator auch MPE-fähig wird, und es bald noch eine größere Auswahl an MPE-Controllern gibt.