Neben dem Equalizer gehört der Kompressor vermutlich zu den am häufigsten eingesetzten Tool bei Audio- und Musikproduktionen. In professionellen (und auch Bedroom-) Studios kommt kaum eine Spur, Subgruppe oder Stereosumme ohne Kompression aus!
Eine etwas komplexere Spielart des Kompressors ist der sogenannte Multiband-Kompressor. Wo und wie setzt man ihn sinnvoll ein und was genau ist eigentlich ein Multiband-Kompressor?
Was ist ein Multiband-Kompressor?
Was ein Kompressor ist und wie er arbeitet, werden die meisten, die dies jetzt gerade lesen vermutlich bereits wissen. Dennoch eine knackig-kurze Zusammenfassung: Ein Kompressor bearbeitet die Dynamik eines Audiosignals. Indem laute Signalanteile oberhalb eines einstellbaren Pegels abgesenkt werden wird die Dynamik verringert. Durch die Verringerung hoher Pegel und Peaks kann die gesamte Spur im Pegel erhöht werden, wodurch leisere Signalanteile an Präsenz gewinnen. Das Audiosignal wirkt kompakter und klingt (bei sachgemäßem Einsatz) häufig griffiger und besser.
Wer die Basics noch einmal auffrischen möchte oder tiefergehende Infos zum Thema Kompressor sucht, wird in unseren folgenden Inhalten fündig:
- Shortcut: Kompressor-Basics
- Mixing #5 – Kompression und andere Dynamik-Bearbeitung
- Sidechain-Compression und External Keying
- Kompressor im Stereo-Bus? Pro und Contra
- Studiostandards: Kompressoren und Limiter
Ein Multiband-Kompressor besitzt die gleichen Eigenschaften – mit dem Unterschied, dass die Kompression für mehrere Frequenzbänder separat eingestellt werden kann. Als einfaches (und gar nicht so unübliches) Beispiel könnte ein Multiband-Kompressor Bässe, Mitten und Höhen separat komprimieren. Viele Multiband-Kompressoren sind bezüglich der Einteilung (und auch Anzahl) der zu bearbeitenden Frequenzbänder mithilfe variabler Crossover-Frequenzen allerdings auch recht flexibel. Die weiteren Parameter der jeweiligen Bänder unterscheiden sich meist nicht von den Parametern eines herkömmlichen Kompressors. In der Regel findet man je Band die folgenden Basis-Parameter:
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- Threshold
- Ratio (ggf. auch Slope)
- Attack + Release
- Gain
Je nach Ausführung/Ausstattung können weitere Parameter wie Dry/Wet-Mix, einstellbare Sättigungsartefakte, phasenlineare Filter-Modi oder auch externe Side-Chain-Steuerungen hinzukommen, welche die Basisanwendung der Multibandkompression erweitern.
Welche Hard- und Software gibt es?
Im Gegensatz zu den omnipräsenten herkömmlichen Kompressoren ist die mehrbandige Verwandtschaft etwas seltener anzutreffen. Bei den ersten mir bekannten Multiband-Kompressoren handelte es sich um digitale Hardwaregeräte des dänischen Unternehmens TC Electronic. Das legendäre M5000 – eine Studiostandard seit den 90er Jahren – ist eigentlich ein Multieffektgerät, welches bereits über ein Patch zur Multibandkompression verfügte. Wenige Jahre später folgte mit dem Finalizer ein Spezialist, der in erster Linie zur Bearbeitung von Summensignalen konzipiert wurde. Ach ja: Von Behringer gab es Mitte der Neunziger den Combinator mit gleichem Einsatzzweck.
Generell lässt sich aber sagen, dass seit den den frühen 2000er Jahren Multiband-Kompressoren in Form von Plugins die heimischen und professionellen Studios dominieren. Jede populäre DAW-Software ist meines Wissens mit einem entsprechenden Plugin ausgestattet, sodass der Geldbeutel nicht zwingend zusätzlich belastet werden muss. Doch der Markt an reizvollen Drittanbieter-Plugins ist ebenfalls verlockend reichhaltig.
Sie sind zwar rar, aber gibt es sie wirklich: Analoge Multiband-Kompressoren wie den Tube-Tech SMC 2B und den Drawmer 1973 – hier findet ihr auch den Test der Plugin-Emulation von Softube. Kennt ihr weitere Beispiele? Dann verewigt euch gerne in den Kommentaren!
Was sind die Vorteile eines Multiband-Kompressors?
Die Vorteile des Multiband-Kompressors gegenüber einem herkömmlichen (1-Band-) Kompressor offenbaren sich am deutlichsten bei der Bearbeitung komplexer Signale mit hoher Bandbreite und Dynamik. Sofern im pegelintensiven Bassbereich prominente Ereignisse (z.B. Bassdrums) vorhanden sind, besteht die Gefahr, dass die resultierende Kompression Instrumente und Klangbestandteile höherer Frequenzbereiche auf eine unerwünschte und unnatürlich klingende Weise reduziert. Das berüchtigte „Pumpen“! Im folgenden Audiobeispiel ist genau dieses Artefakt zu hören:
Eine optionales und ebenfalls äußerst populäres Tool zur Dynamikbearbeitung von Subgruppen oder Stereosummensignalen ist der sogenannte Buss-Kompressor. Zwar komprimiert dieser ebenfalls das Frequenzband des kompletten Signals, allerdings dient ein gefiltertes Signal zum Anregen der Pegelreduktion! Üblich ist ein Steuersignal mit Highpass-Filter, welches je nach Gerät oder Plugin eine variable Einsatzfrequenz besitzen kann. Im folgenden Audiobeispiel hört ihr den gleichen Mix mit identischen Einstellungen – plus (!) dem aktivem Side Chain Filter (High Pass, ca. 100 Hz) der UAD-Emulation des legendären SSL G Buss Compressor. Das Bearbeitungsresultat ist bereits viel brauchbarer!
Der Buss-Kompressor ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung und ein von mir häufig verwendetes vorderes Glied der Signalkette auf der Stereosumme als erste Stufe der Verdichtung. Ein Multiband-Kompressor besitzt aber ein noch deutlich erweitertes Gestaltungspotenzial durch die separate Kompressionsmöglichkeit einzelner Frequenzbereiche! Besitzt ein Signal beispielsweise tendenziell matte Höhen mit vereinzelt störenden „Events“ in den hohen Frequenzen (Becken, Zischlaute etc.), so kann man diese Peaks mit kurzen Regelzeiten auf ein erträgliches Maß reduzieren. Den nun homogener klingenden, gezähmten Höhenbereich kann man per Gain anheben.
Auf ähnliche Weise könnte man einen zu dynamischen Bassbereich mit längeren Regelzeiten „domestizieren“ und per Gain in den Gesamtkontext einbetten. Zusätzlich zu erforderlichen Dynamikreduzierungen erfüllt ein Multiband-Kompressor durch die Lautstärkeregelung separater Frequenzbänder quasi die Zweitfunktion eines einfachen mehrbandigen Equalizers. Ein häufiges Resultat der (fachgerechten) Summenbearbeitung mit einem Multiband-Kompressor ist ein homogener und „griffiger“ klingender Sound mit einem ausgewogenen Frequenzbild.
In den folgenden zwei Audiobeispielen hört ihr ein sowohl unbearbeitetes Summensignal und das gleiche mit Multibandkompression. Die bearbeitete Version hat (trotz gleicher Peak-Aussteuerung) eine höhere Lautheit, klingt etwas homogener und der Gesang wirkt frischer und präsenter im Gesamtkontext.
Ist ein Multiband-Kompressor nur auf der Stereosumme sinnvoll?
Wer bis hierhin gelesen hat, könnte den Eindruck gewonnen haben, dass Multibandkompression ausschließlich auf der Stereosumme sinnvoll ist – dem ist nicht so! Ein Multiband-Kompressor lässt sich auch gewinnbringend auf Subgruppen und Einzelspuren verwenden. So lassen sich beispielsweise Spielgeräusche (z.B. Anschlag, Zupfen etc.), tonale Bestandteile und eventuelle Aufnahmeartefakte (Mulm, Raumresonanzen, Nahbesprechung) korrektiv bearbeiten. Ebenfalls sind kreative Klangformungen oder einfach die Erzeugung von Druck und Punch möglich.
Doch vielleicht lässt sich dies am besten mit Hörbeispielen veranschaulichen. Ein klassische Anwendung ist das Komprimieren eines Drum-Kits.
Im folgenden Audiobeispiel wurde eine Bassspur mithilfe des Waves-Klassiker C4 etwas „entmulmt“. Das bearbeitete Resultat klingt vom Frequenzverlauf homogener, knackiger und wird in einem Mix leichter zu integrieren sein.
Einsteigertipps zur Arbeit mit einem Multiband-Kompressor
Für die Arbeit mit einem Multiband-Kompressor gibt unterschiedliche Herangehensweisen. So sollte man sich zunächst fragen, aufgrund welcher Notwendigkeit man dessen Einsatz überhaupt in Erwägung zieht. Gibt es sich verändernde, also dynamische Probleme in einem bestimmten Frequenzbereich?
Multiband-Kompressor als Problemlöser
Ein typisches Beispiel wäre ein inhomogener Klang einer Gesangsaufnahme aufgrund unabsichtlich variierender Abstände zum Mikrofon. Hat man den Frequenzbereich des wiederkehrenden „Mulms“ partiell auftretender Nahbesprechungseffekte erst einmal eingegrenzt, so lässt sich dieser bei entsprechend korrekt eingestelltem Threshold gezielt reduzieren. Dabei erfolgt die Reduktion nur an notwendigen Passagen (viel Pegel im Band), während bereits gut klingende Passagen nicht in Mitleidenschaft gezogen werden – im Gegensatz zur Absenkung mit einem herkömmlichen EQ.
Viele Multiband-Kompressoren besitzen eine Solo-Abhörfunktion der einzelnen Bänder, was die korrekte Einstellung erleichtert. Der nächste Schritt wäre, sich die Frage zu stellen, ob es vergleichbare Probleme oder Inhomogenitäten in anderen Frequenzbereichen gibt. So könnte zum Beispiel in einem Rutsch zu scharf klingende Zischlaute (hohes Frequenzband / kurze Regelzeiten) mildern. Sofern dies nicht der Fall ist: Niemand zwingt einen, jedes einzelne Band eines Multiband-Kompressors zu verwenden!
„Magic Mix-Glue“
Im Gegensatz hierzu gibt es aber auch weniger analytische Herangehensweisen bei der Arbeit mit Multiband-Kompressoren. Als Teammitglied bei einer aufwendigen Postproduction von mehr als 100 Titeln eines Festivals wurden die Stereomixes in eine weitgehend gleichbleibende Einstellung des Multiband-Kompressors „hineingemischt“. Hierbei handelte es sich um den gutmütigen Dänen auf Röhrenbasis – den Tube-Tech SMC 2B. Das Ziel war eine – ich nenne es mal “homogenisierende” Veredelung bzw. veredelnde Homogenisierung der teilweise sehr unterschiedlich klingenden Arrangements.
Welchen Nutzen kann man als Einsteiger aus dieser Information ziehen? Tastet euch bei euren eigenen Mixes mit zunächst dezenten Kompressionseinstellungen an das Thema heran und entwickelt ein Gefühl dafür, wie ein Mix (oder eine Subgruppe) von der Multibandkompression profitiert und auf subtile Weise „fertiger“ klingt. Welches Frequenzband ist vielleicht noch unterrepräsentiert und erfordert eine dezente (oder stärkere) Anhebung per Gain? Eine häufige (erwünschte) Nebenwirkung ist das als „Glue“ bezeichnete Zusammenfügen der einzelnen Bestandteile zu einem unerwartet besser klingenden Mixresultat – obwohl man aktiv vielleicht gar nicht so viel verändert hat.
Denkt stets daran, unerwünschte Artefakte zu vermeiden und dass der Einsatz des Multiband-Kompressors nicht zuviel Lebendigkeit raubt (sofern dies nicht das kreative Ziel ist). Experimentiert mit den Regelzeiten und findet für euch heraus, von welchen Einstellungen das Signal nach eurem Empfinden profitiert.
Welche Alternativen zum Multiband-Kompressor gibt es?
Wie bereits erwähnt, können Buss-Kompressoren quasi einen gewissen Teilbereich der Aufgaben des Multiband-Kompressors abdecken. Als weitere Alternative sei unbedingt der dynamische EQ genannt! Einen eigenen Workshop zu diesem Audio-Tool findet ihr übrigens hier. Der dynamische Equalizer ist einem Multiband-Kompressor recht ähnlich, aufgrund der in der Regel frei einstellbaren Güte der Frequenzbänder ist der Charakter aber ein gänzlich anderer: Wenn der Multiband-Kompressor ein Meißel ist, dann ist der dynamische EQ ein Skalpell! Anstatt grober Frequenzbänder lassen sich beispielsweise wiederkehrend zu laute Einzeltöne einer Gitarrenspur im Pegel reduzieren. Auch für Anwendungen mit externen Side-Chain-Signalen eignet sich der dynamische EQ besser – auch wenn vereinzelte Kompressor-Plugins über ein derartiges Feature verfügen. Ein Anwendungsbeispiel hierfür wäre das Filtern tiefer Frequenzen einer Bassspur beim Erklingen der Bassdrum, um den Bassbereich im Mix aufzuräumen. Übrigens gibt es kombinierte Tools aus Multiband-Kompressor und dynamischen EQ-Bändern wie den Waves C6 / C6 SideChain!
Wie in vielen anderen Lebensbereichen gibt es inzwischen auch KI-basierte Mastering- und Kompressions-Tools. Meine eigenen Erfahrungen mit derartigen Produktionswerkzeugen haben mich allerdings noch nicht dahingehend überzeugt, dass ich auf das eigene Handanlegen oder die Unterstützung professioneller Mastering Engineers verzichten würde. Allerdings ist es durchaus spannend, wohin die Reise geht!
Bis dahin erst einmal viel Spaß am Experimentieren und Einarbeiten mit eurem Multiband-Kompressor!