Der legendäre Music Man Stingray wurde 2017 ganze 40 Jahre alt – das ist wahrlich ein Grund zu Feiern! Die kalifornische Company beging dieses Jubiläum mit einem speziellen Bassmodell, welches in der Firmengeschichte als “Old Smoothie” bekannt ist: dem Prototypen mit der Nummer 26 in der Entwicklungsgeschichte des Stingray-Basses. Warum die Wahl für das Anniversary-Modell gerade auf den “Old Smoothie” fiel, dürfte daran liegen, dass in diesem Modell die beiden prägenden Figuren in der Geschichte der Firma Music Man in besonderer Weise verschmelzen. Ihr Mitbegründer Leo Fender entwickelte damals mit dem Stingray nach Precision und Jazz Bass den dritten Archetyp und Klassiker der Bassgeschichte. Sterling Ball wiederum ist bis zum heutigen Tage der Besitzer der Firma Music Man, die er 1984 (vier Jahre nach Leos Weggang) zusammen mit seinem Vater Ernie Ball übernahm und seitdem prägt. Während der Entwicklung des Stingray-Basses bis zu seiner Markteinführung 1976 war Sterling auch Beta-Tester für Leo Fender. Den Prototypen mit der Nummer 26 baute Leo in vielen Punkten nach den Rückmeldungen und Vorstellungen von Sterling Ball, und heraus kam: “Old Smoothie”!
Details
Die ersten Stingray-Prototypen mit dem neu entwickelten Pickup und der Aktiv-Elektronik lieferten viel zu viel Output für die damaligen Verstärker und brachten diese reihenweise in den roten Bereich. Sterling Ball bat Leo Fender daher, doch Pickup wie Elektronik etwas weniger aggressiv zu gestalten und den Sound “smoother” (deutsch: sanfter, milder) zu machen. Leo nahm daraufhin einige Veränderungen vor, taufte den Bass “Old Smoothie” – und Sterling war begeistert!
Letztlich entschlossen sich die damaligen Music-Man-Bosse dann doch für eine andere Version des Stingrays und die entscheidenden Modifikationen an Nummer 26 flossen nicht in das Serienmodell ein. Wäre es damals schon nach Sterling Ball gegangen, würden wir heute einen anderen Stingray kennen!
Bevor jemand aufschreit: “Dieses oder jenes ist aber nicht original!”, empfehle ich, Sterling Balls YouTube-Video zum “Old Smoothie” zu schauen. Hier erklärt er, dass er generell keine Reissues macht, also exakte Kopien des Originals, sondern lediglich Anniversary-Modelle. In ihnen soll der Geist der Vergangenheit mit dem im Laufe der Jahre erzielten Fortschritt und einem Blick auf die Zukunft zusammenfließen – sozusagen ein echtes “Best Of”.
Schauen wir uns also mal genauer an, wo sich der heutige Standard-Stingray und der “Old Smoothie” unterscheiden und wo sie Gemeinsamkeiten aufweisen. Zunächst sieht der “Old Smoothie” aus wie ein ganz normaler Stingray. Einzig wirklich auffälliges Merkmal ist der Tonabnehmer, der statt der üblichen acht Polepieces gleich zehn aufweist. Diese sind so angeordnet, dass die Saiten zwischen den Polepieces verlaufen und nicht wie üblich exakt darüber, was zu dem von Sterling Ball gewünschten weicheren Soundideal beiträgt. Optisch ist das durchaus erst einmal etwas ungewohnt. Zudem wurde der Pickup auch technisch den damaligen Spezifikationen angepasst.
Ebenfalls originalgetreu ist die Abdeckung des Humbuckers. Hier musste der gute alte Leo Fender damals etwas improvisieren und bastelte sich kurzerhand aus zwei Abdeckungen eine neue, welche für den Pickup mit zehn Polepieces passte. Noch etwas Klebeband zur Fixierung – fertig! Auch dieses liebevolle geschichtliche Detail wurde beim neuen Serienmodell übernommen!
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Genauso akribisch hat Music Man die für diese Zeit typische Zweiband-Elektronik nachgebildet. Sie entspricht sogar dem Ist-Zustand des Originals, da selbst die altersbedingten Veränderungen, welche die elektronischen Bauteile des alten “Old Smoothies” im Lauf der vier Jahrzehnte gemacht haben, berücksichtigt wurden.
Ein weiterer unsichtbarer (da unter Lack verborgen), aber wichtiger Unterschied zum heutigen Serienmodell ist der Korpus aus Erle. Dieses Holz gilt allgemein als etwas gutmütiger und weniger bissig als Esche, die ja das Standard Korpus-Holz für Stingrays ist. Die Erle fand ebenfalls gemäß des Wunsches von Sterling Ball Verwendung. Die Farbe der Lackierung erinnert auch an alte Zeiten- das knallige Mint Green passt für meinen Geschmack wirklich hervorragend zu diesem Bass und ist – mit Verlaub – schon wirklich extrem sexy!
Der Korpus ist ein sogenannter Slab-Body – damals der Standard bei den meisten Instrumenten. Decke und Boden sind flach, Shapings oder Konturen für Arm bzw. Bauchansatz gibt es noch nicht. Die Stahl-Brücke ist die gleiche wie bei der Classic-Serie, die Saiten lassen sich hier ledigllich durch den Korpus einfädeln (String Through Body), was den Anpressdruck auf die Saitenreiter erhöht und für verbesserte Übertragung der Schwingungsenergie auf den Korpus sorgen soll. Die Bridge kommt im Vintage Look daher und bietet für jede Saite einen höhenverstellbaren Gummidämpfer. Dieser dient dem Muten der Saiten für Old-School-Sounds, wie Motown, Blues, etc.
Im Gegensatz zum aktuellen Stingray, bei welchem der Halsspannstab ohne sichtbare Spuren am Instrument von vorne eingesetzt wird, geschieht dies beim “Old Smoothie” von hinten, genauso wie beim Original. Die dabei entstandene Aussparung auf der Rückseite des Halses ist mit einem Streifen aus Walnuss-Holz gefüllt (Skunk Stripe).
In den 70ern konnte man den Halsspannstab an der Kopfplatte per Inbusschlüssel verstellen. Beim Anniversary-Modell hat man sich jedoch für die aktuelle Lösung per Rändelschraube am Hals-Korpus-Übergang entschieden. Das hat zum einen den Vorteil, dass man kein spezielles Werkzeug benötigt, zum anderen verläuft der Halsspannstab durch den kompletten Hals. Auf diese Weise wird verhindert, dass dieser gen Ende ansteigt und den befürchteten Ski Jump (Ski-Schanze) bildet, was zu erheblichen Schnarren in den hohen Lagen führt. Wo früher der Zugang zum Halsspannstab war, hat man einfach ein Stück Walnuss-Holz platziert. Das erinnert zumindest optisch leicht an das Original.
Der Hals ist mit der heute bei Music Man üblichen 6-Punkt-Verschraubung felsenfest mit dem Korpus verbunden. Bei der Vorlage tun nur drei Schrauben ihren Dienst ‑ also auch hier die neue und verbesserte Variante! Das Halsprofil gleicht dem des Originals und ist mit einem Radius von 19,1 cm deutlich runder als das des heutigen Stingrays (27,9 cm). Der Hals wurde lackiert und mit einem schönen Vintage Teint versehen. Heutzutage werden von der Company ja geölte und gewachste Hälse verwendet.
Das Logo auf der Kopfplatte des “Old Smoothie” entspricht dem der Vorlage. Damals war noch kein “Ernie Ball”-Schriftzug vorhanden – und genauso hat man es übernommen. Die vier Schaller-Mechaniken sind im MM-typischen 3:1-Verhältnis am Headstock angebracht. Ein letztes kleines aber feines Vintage-Detail ist das fünflagige Schlagbrett.
Wie man unschwer erkennen kann, hat Sterling Ball hier “seinen” Stingray verwirklicht und mit den Entwicklungen im Laufe der Jahrzehnte vermischt. Bisher hatten wir nur nackte Fakten – mal sehen, wie sich der “Old Smoothie” in der Praxis schlägt. Hier zunächst ein paar Einblicke per Video:
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