Praxis
Meine Handwaage zeigt genau 4kg Lebendgewicht für den “Old Smoothie” an. Das ist wirklich leicht für einen Stingray – vermutlich macht sich hier auch der Erle-Korpus bemerkbar. Ansonsten ist er mit seinem Slab-Body natürlich kein Wunder der Ergonomie, wie das so mancher moderner Edelbass mit Shapings und Konturen ist. Dafür bekommt man wiederum einen Hauch Bassgeschichte vor dem Bauch hängen – irgendeinen Tod muss man halt sterben!
Im Sitzen macht sich eine dezente Kopflastigkeit bemerkbar, von der jedoch im Stehen nichts mehr zu spüren ist. Hier hängt sich der “Old Smoothie” von selbst in eine angenehme, leicht schräge Spielposition, und dank seines moderaten Gewichts zieht auch nach längerer Zeit nichts an der Schulter.
Der Hals vermittelt mit seinem geringen Radius ein schönes Vintage-Feel. Im positiven Sinne “fett” trifft es wohl sehr gut, keinesfalls aber ist er klobig und unangenehm im Handling. Der Vintage Teint des Halses unterstützt zusätzlich den Eindruck, man hätte einen Bass aus der Anfangszeit der Company in der Hand. Verglichen mit einem Original 78er sind Halsprofil, Farbe und Spielgefühl beim “Old Smoothie” in meinen Augen überaus gelungen. Das liegt auch mit an den speziellen Bünden. Hier fiel die Wahl auf eine schmale Variante mit niedrigem Profil, so wie man sie von manch altem Schätzchen kennt.
Die Bespielbarkeit ist bis hinauf zum 21. Bund tadellos. Im Gegensatz zu so manchem Vintage-Bass ist hier eine flache und nebengeräuschfreie Saitenlage problemlos möglich. Insgesamt befindet sich die Verarbeitung des Anniversary Old Smoothie auf sehr hohem Niveau.
Nun aber zum Wichtigsten: dem Sound – schließlich hatten Sterling Balls Anregungen an Leo Fender beim Prototypen mit der Nummer 26 hierauf den größten Einfluss! Akustisch gespielt wirkt der “Old Smoothie” schon mal sehr laut und klar. Langt man kräftiger zu, reagiert er mit einer eigenen Note im Mittenbereich, die ich so noch von keinem Stingray gehört habe. Dafür verhält er sich in den Hochmitten und Höhen etwas braver. Auch scheint der Bass einen Hauch früher in die Kompression zu gehen, wodurch der Ton zusätzlich kompakter wirkt. Der “Old Smoothie” besitzt also tatsächlich schon akustisch seinen eigenen Charakter, der vermutlich im Erle-Korpus seinen Ursprung hat.
So, jetzt starten wir aber mal “mit Strom”! Beginnen möchte ich mit einem typischen Disco-Funk-Groove – zunächst noch ohne die Zweiband-Elektronik zu bemühen:
An dieser Stelle sei mir noch ein kleiner kurzer Diskurs zur Elektronik gestattet. Diese war in den ersten Jahren des Stingrays ein Boost Only Equalizer, d.h. die zwei Bänder “Bass” und “Höhen” konnten nur angehoben werden, und ganz zurückgedreht befinden sie sich in ihrer Neutral-Stellung. Aufgrund der Position des Pickups kann man mit beiden Reglern schon durchaus beherzt zu Werke gehen, mehr als man das sonst bei aktiven Elektroniken in der Regel tun würde. Hören wir uns einmal den gleichen Groove an. Der Bass-Regler steht bei ca. 80%, die Höhen bei ca. 30%.
Nun das gleiche Spiel noch einmal mit einem knackigen Fingerstyle-Groove. Zunächst mit dem Equalizer in Neutral-Stellung:
Für dich ausgesucht
Nun drehe ich den Bass-Regler auf ca. 75% und die Höhen auf ca. 50%, um den Attack für die perkussiven Noten noch etwas mehr zu betonen:
Und so klingt “Old Smoothie” geslappt ohne Equalizer:
Und hier der gleiche Slapgroove mit Bass bei 100% und Höhen bei ca. 60%:
Jetzt möchte ich natürlich wissen, wie “smooth” der “Old Smoothie” wirklich sein kann. Dazu spiele ich einen Reggae-Groove mit voll aufgedrehtem Bass-Regler, ohne Höhen hinzuzufügen.
Wie schon die Classic-Serie von Music Man hält auch der “Old Smoothie” an der Brücke die Möglichkeit bereit, jede Saite per höhenverstellbarem Gummi zu dämpfen. Dies behindert die Saite in ihrer Ausschwingphase, wodurch der Ton dumpfer und kürzer wird. Gleichzeitig wirkt er aber durch den Wegfall von bestimmten Obertönen auch fokussierter, was der Wirkung von Flatwound-Saiten ähnelt. So klingt der Reggae-Groove mit identischen Equalizer-Einstellungen und gedämpften Saiten:
Das klingt wirklich cool und ist ein tolles Feature, allerdings ist es in der Praxis leider ziemlich hakelig – außer man spielt immer gedämpft. Da jeder Gummidämpfer einzeln hochgeschraubt werden muss, dauert der gesamte Vorgang ziemlich lange und fängt mit der Zeit durchaus an zu nerven. Auf der Bühne mal schnell zwischen zwei Songs Dämpfer hochschrauben? Keine Chance! Da wäre eine Lösung, die alle vier Gummis auf einmal bewegt, deutlich vorteilhafter. Eigentlich schade, da der gemutete Sound wirklich eine Bereicherung darstellt.