Praxis
Der Ernie Ball Music Man Stingray in der viersaitigen Ausführung zählt natürlich zu den absoluten Ikonen des Serien-Bassbaus. Unzählige Alben wurden mit diesen Bässen veredelt, und ebenso zahlreich sind die Tonstudios dieser Welt, in denen ein Stingray als fest installierter Studiobass steht – zur freien Verwendung derjenigen Bands, die sich dort eingemietet haben und die während ihrer kreativen Schaffensperiode nicht selten auf den klassischen Stingray-Sound zugreifen wollen.
Neben dem unvergleichbaren und ebenso unverwechselbaren Sound hat mich persönlich schon immer auch die Bespielbarkeit des viersaitigen Stingrays begeistert. Der schlanke und schmale Hals spielt dabei eine große Rolle, aber auch der ergonomisch gut konstruierte Korpus. Ich bin also positiv vorbelastet – ich gebe es unumwunden zu! Ebenso ist es aber auch kein Geheimnis, dass gerade solch langlebige Erscheinungen wie der Stingray hier und da polarisierende Gefühle wecken. Der eine Bassist mag ihn, der andere mag ihn nicht. C’est la vie! Dennoch versuche ich bei meinem Test, wie immer so neutral wie möglich zur Sache zu gehen.
Den Bass ausgepackt und direkt befingert, fühle ich mich umgehend wie Zuhause. Was ich bislang nicht von diesen Bässen kannte – woher auch? – ist der durchgehende Hals und das damit verbundene Spielgefühl. Und das ist wirklich noch einmal etwas ganz Anderes! Dort, wo man gewohnter Weise im oberen Register des Halses mit der Greifhand irgendwann an die typisch kantige Korpuszunge stößt, in dessen Lasche der Hals für gewöhnlich eingepasst und verschraubt wird, bietet der Testbass mit durchgehendem Hals einen sehr viel weicheren, sanft geschwungenen Übergang. Das gestaltet das Spiel im Bereich der oberen Bünde äußerst angenehm. Bis hin zum letzten 21. Bund greift es sich überaus bequem, und zwar nicht nur auf der G-Saite, sondern letztendlich tatsächlich auf allen Saiten. Davon abgesehen greift sich der Bass dort, wo man ihn normalerweise immer trägt oder hochhebt, nämlich unter dem Hals in der Aussparung des unteren Cutaways, geradezu “sexy”. Das Shaping im Übergangsbereich zum Korpus wirkt fließend und weich – ganz so, wie man es in der Automobilindustrie wohl mit dem Begriff “aerodynamisch” umschreiben würde!
Optisch und haptisch ist der Bass also für mich durchaus schon mal ein echter Gewinner. Eine Kleinigkeit fällt mir indessen bei der Halsbeschaffenheit auf. Während der Hals bzw. das Griffbrett zwischen dem ersten und zwölften Bund nahezu gerade ist, erkennt man eine deutliche konkave Höhlung oberhalb dieses Sektors. Im Idealfall sollte sich diese Halskrümmung jedoch über die volle Distanz fortsetzen und nicht nur in einem Teilbereich. Der Bass wurde werkseitig gut eingestellt und agiert schnarrfrei, allerdings hätte ich gerne noch eine minimal niedrigere Saitenlage ausprobiert, die dem tollen Sustainverhalten des Halses sicher abermals entgegengekommen wäre. Dies gelang mir nicht, denn sobald man die Halsstellschraube noch ein wenig mehr anzog, begann im Bereich zwischen dem ersten und dem vierten Bund verstärkt zu rasseln. Ein Anheben der Saitenlage mittels Stegreiter hätte das Ergebnis jedoch wieder hinfällig gemacht, also habe ich den Urzustand wieder hergestellt. Die voreingestellte Saitenlage und Halskrümmung des Testinstrumentes erweist sich also als machbares Optimum. Allerdings muss ich dem Stingray diesbezüglich wirklich ein sehr gutes Resonanzverhalten und ein bemerkenswert tolles Sustain attestieren – beides typische Eigenschaften eines durchgehenden Halses!
Gehen wir also ans Eingemachte: den Sound! Insgesamt offeriert unser Testbass ja die bereits beschriebenen fünf Schaltungsvarianten, die man in den folgenden Beispielen hören und vergleichen kann. In der ersten Einstellung präsentiert der Stingray seinen berühmten Signature-Sound. Hier hört man den Bridge-Humbucker und den EQ, bei dem alle drei Bänder minimal angehoben wurden. Im Vergleich zu allen anderen Schaltungen ist diese Einstellung die durchschlagkräftigste und lauteste. Alle anderen Schaltungen fallen vom Pegel etwas ab, allerdings nicht stark, so dass sich die Lautstärkeunterschiede zwischen den Schaltungen nicht problemlos beherrschen ließen. Die Singlecoil-Schaltung des Humbuckers, bei der die stegseitige Spule in Verbindung zur Dummy-Spule verwendet wird, entlockt dem Stingray einen leichten Touch eines Jazz-Bass-Charakters. Die beiden Schaltungen, bei denen beide Tonabnehmer kombiniert werden, also entweder Humbucker plus Singlecoil oder die Frontspule des Humbuckers zusammen mit dem Singlecoil, kreieren ein typisches Mittenloch, das sich als geradezu ideal für funkige Sounds herausstellt! Der Halstonabnehmer alleine ist dann die fünfte und letzte Schaltungsvariante, bei der der Sound deutlich basslastiger, aber keinesfalls mulmig wird. Hier sehe ich hervorragende Einsatzgebiete speziell mit dem Plektrum, aber natürlich auch mit anderen Spieltechniken.
Noch deutlicher bilden sich die Soundunterschiede der Spulenkombinationen beim Slapstyle ab. Interessant klingen tatsächlich alle Varianten – sogar die, von denen man weniger einen adäquaten Slapsound erwarten würde, wie beispielsweise nur Spule 1 (die stegseitige Spule des Humbuckers) oder der isoliert geschaltete Halstonabnehmer. Insgesamt habe ich hier am internen Dreiband-EQ die Bässe und Höhen etwas angehoben und die Mitten leicht abgesenkt.
Für dich ausgesucht
Wie gesagt empfinde ich den Sound des Singlecoils in der Halsposition sehr reizvoll für Plektrumsounds. Die Dreiband-Klangregelung liefert genau das, was man von einem Stingray-Sound erwartet. Dabei ist speziell der Mittenregler bei diesem Bass eine echte Bereicherung gegenüber den Möglichkeiten der klassischen Zweiband-Klangregelung, die natürlich nach wie vor ihre Berechtigung hat. Jedoch: gerade im Bezug auf die PU-Kombination in dem vorliegenden Modell bekommt man noch wesentlich mehr Facetten aus dem Instrument durch eine gezielte Dosierung der Mitten:
Man kann den Sound des Ernie Ball Music Man Stingray 4 Neck Through allerdings auch viel milder gestalten, wenn man die Höhen zurücknimmt. Wie man im nachfolgenden Beispiel im Bossa-Nova-Stil hören kann, entfaltet sich der Bass hier in einem sehr fülligen Soundgewand, mit viel Unterstützung im Grundtonbereich. Im Beispiel sind übrigens zwei Bässe zu hören: Während der Begleitbass den Humbucker verwendet, steht die Stegspule des Humbuckers der Melodie gut zu Gesicht.
Der letzte Test gilt dem Verhalten im komplexeren Playback. Auch hier lässt mich der Stingray nicht im Stich: Während der Begleitbass mittels Humbucker und voll hereingedrehten Bässen am internen EQ kräftig pumpt und schiebt, setzt eine Melodie ein, gespielt mit einer Art Flamencotechnik, die durch den Halstonabnehmer und weit aufgedrehten Höhen voll durchschlägt, ohne notwendigerweise laut sein zu müssen. Irre, dieser Bass ist wirklich äußerst vielseitig und klingt über den kompletten Spielbereich sehr ausgewogen!