Musikerfeind Nr. 1: Routine

Egal welcher Tätigkeit ihr seit längerer Zeit intensiv nachgeht: 150 Theater- oder Musicalvorstellungen in sechs Monaten oder eine intensive Clubtour mit anschließender Festivalsaison. Bei den einen macht sich das Gefühl der Gewohnheit schneller breit als bei den anderen. Aber viel wichtiger ist: jeder reagiert anders auf Gewohnheit. Vielen von uns helfen beispielsweise klare Routinen und Rituale für einen geregelten Tagesablauf. Anderen tut zu viel Struktur und sich regelmäßig wiederholende Tätigkeitsfelder oder Aufgabenbereiche nicht gut, sondern macht sie müde, erschöpft – schlimmstenfalls fühlen sie sich auf Dauer ausgebrannt.

(Bild:© Shutterstock, vectorfusionart)
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Inhalte
  1. Abwechslung trotz (scheinbar) eintöniger Arbeit?
  2. Schöne Öde: Übungen gegen die Bühnenroutine
  3. Raus aus der Komfortzone, rein ins Bühnenabenteuer

Im folgenden Artikel findet ihr Übungen, die ihr jederzeit (insbesondere unmittelbar vor eurem Auftritt) und überall (sogar auf der Bühne) ausprobieren könnt: S.O.S.-Soforthilfen für mehr Energie, Bewusstsein und Konzentration. Darüber hinaus spreche ich mit zwei Musikern, die es durch ihre innere Haltung zur Musik und ihrem hohen Anspruch an sich selbst immer wieder aufs Neue schaffen, energetisch und mit großer Begeisterung(-sfähigkeit) auf die Bühne zu gehen.

Abwechslung trotz (scheinbar) eintöniger Arbeit?

Ich habe bei dem Schlagzeuger Dominik Schad, der seit knapp 4 Jahren mit Stomp weltweit unterwegs ist, mal nachgefragt:
Was kann man machen, wenn man schon sehr lange und sehr regelmäßig sein Programm auf die Bühne bringt? Wie behälst du dir die Frische, Energie und Spielfreude bei?
“Ich finde es sehr wichtig, dass sowohl die Freude an der Sache als auch eine Art Herausforderung immer da sind. Man darf nicht die Freude daran verlieren, mit Freunden auf der Bühne im Hier und Jetzt zu sein und etwas Magisches zu erschaffen; dabei neue Dinge auszuprobieren – sowohl musikalisch als auch in der Interaktion mit KollegInnen und Publikum. Jedes Mal auf ein Neues eine Verbindung zum Publikum aufzubauen und diese zu begeistern, stellt für mich eine spannende Aufgabe dar. Und sich immer der Herausforderung zu stellen, der Perfektion nahezukommen, was glücklicherweise unmöglich ist.”
Demnach sollte man immer versuchen, etwas Neues zu schaffen!

Schöne Öde: Du fühlst dich in letzter Zeit öfter unfokussiert und energielos auf der Bühne?

Übungen gegen die Bühnenroutine
Folgende Vorstellungen kannst du jederzeit und überall ausprobieren und bringen dir sofort mehr Energie, Bewusstsein und Konzentration.
Tipp 1 – Die eine Person
Es gibt immer mindestens eine Person im Publikum, die dich zum allerersten Mal auf der Bühne sieht und erlebt. Und diese Person hat es verdient, dass du dein Bestes gibst. Habe den eigenen Anspruch, diese Person zu begeistern und davon zu überzeugen, beim nächsten Mal wiederzukommen. Und das bei jeder Show, bei jeder Vorstellung, bei jedem Auftritt.
Tipp 2 – Immer etwas ändern
Wenn dir diese Vorstellung nicht reicht oder sie nicht funktioniert, kannst du mal versuchen, bei jedem Konzert eine Kleinigkeit zu ändern. So musst du gespannt und wach bleiben, damit du es nicht vergisst oder vergeigst. Das kann auf der musikalischen oder moderativen Ebene sein. Es kann auch in Interaktion mit einer Bandkollegin/einem Bandkollegen sein. Es sollte natürlich nichts Gravierendes sein, aber doch so, dass du es nur mitbekommst und darauf reagieren kannst, wenn du wach und bei der Sache bist. Und so bleibst du dann auch frisch.
Wenn dir das zu riskant ist, kannst du – alternativ oder ergänzend dazu – durch gezielte Übungen deine Wahrnehmung und dein Wachsein hochfahren:
Tipp 3 – Bilder im Kopf
Oder du testest mal aus, wie es sich für dich anfühlt, wenn du einen Song nicht mit der originalen Entstehungsgeschichte im Kopf singst. 
Wenn ich beispielsweise merke, dass ich da nicht gut rankomme, suche ich in mir nach den stärksten Gefühlen des Moments oder des aktuellen Tages und singe den Song damit. Dadurch ergeben sich zum einen neue Perspektiven und Betonungen des Inhalts, zum anderen eine andere Haltung, da ich dann sehr nah an mir dran bin.
Tipp 4 – Wie du auf der Bühne bei dir bleibst
Nimm einen “Anker” mit auf die Bühne. Das kann ein Accessoire sein (Ring, Armband) oder etwas, das eng an deinem Körper liegt und vielleicht nicht zu sehen ist. Wichtig ist, dass es so schwer ist, dass du es spüren kannst. Immer, wenn du mit deinen Gedanken abschweifst, fokussierst du dich auf diesen Gegenstand.
Tipp 5 – Du findest etwas, das dir gefällt
Wenn du eine Situation oder Stimmung gerade nicht magst, weil vielleicht kaum Leute da sind und der Laden unangenehm leer aussieht, oder irgendwas anderes dafür sorgt, dass du dich unwohl fühlst: Suche dir eine Kleinigkeit in deinem Blickfeld aus, was du richtig magst und schön anzusehen ist und schenke ihr fast deine gesamte Aufmerksamkeit.

Raus aus der Komfortzone, rein ins Bühnenabenteuer

Grundsätzlich solltest du immer vermeiden, deine Songs einfach nur abzuspulen. Ich muss sagen, dass ich es schon als sehr schwierig empfinde, diesen Punkt überhaupt zu erreichen. Das würde nämlich bedeuten, dass sich über einen langen Zeitraum wirklich gar nichts verändert: Die immer gleiche Setlist, die gleichen Ansagen mit auswendig gelernten Redewendungen oder Floskeln, keine neuen Songs, keine Soli, keine musikalischen Übergänge.
Tim Neuhaus, Singer-Songwriter und Schlagzeuger von Clueso, hat seinen ganz eigenen Umgang mit einkehrender Routine gefunden:
“Wenn ich das Gefühl von Gewohnheit habe, dann beschäftige ich mich vermutlich bereits etwas zu lange mit einer Sache. Die Abwechslung macht’s aus … aber auch, sich bewusst zu machen, dass es wunderbar ist, diesen Beruf ausüben zu dürfen und die Chance zu haben, jemandem das erste Konzert seines Lebens – oder jemandem das letzte Konzert zu bescheren. In diesem Beruf ist immer noch Magie im Spiel.”
Wahre Worte!
In diesem Sinne, eure Barbara

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