Die eigenen Gedanken visualisieren: Was sonst im Kopf geschieht, lässt sich jetzt dank künstlicher Intelligenz (KI) mit einem Befehl vom Computer aus machen. Wir haben die Computer-Interpretationen an Legenden wie McCartney, Eminem und Steve Vai getestet.
Mit Dall-E sorgte im Januar 2021 ein Computerprogramm, das Bilder aus Textbeschreibungen erstellen kann, für großes Aufsehen. Mit einfachen Befehlen konnten die verrücktesten Bilder durch eine KI zusammengestellt werden. Wie wäre es mit einem Hund der einen Lederanzug trägt und auf einem Thron sitzt? Oder mit einem römischen Gladiator im Cyberpunk-Setting? Oder mit einem Kanu welches im Strom der Milchstraße fährt? Grenzen sind in der Kunst nicht gesetzt. Der Unterschied zu früher: Diesmal sind keine künstlerischen Fähigkeiten Voraussetzung, um tolle Bilder zu erzeugen.
In der Bildbeschreibung steht der jeweilige Befehl (prompt).
Midjourney macht KI-Kunstwerke zugänglich
Im Sommer 2022 ist bei Midjourney die offene Beta-Phase gestartet. Dabei sucht sich die KI von Midjourney Keywords aus der Anfrage heraus und vergleicht diese mit Referenzmaterial. Anschließend wird ein Kunstwerk berechnet. Seit der Open-Beta ist es für jedermann möglich ohne Geld (max. 25 Bilder pro Account) oder mit geringen Beiträgen dutzende KI-generierte Bilder zu erstellen.
Dabei lassen sich eine Vielzahl an Parametern wie Licht, Qualität, Stil, Format, etc. einstellen. Abgesehen davon überlässt man dem Computer die Interpretation der Vorgaben. Die Ergebnisse sind skurril, wunderschön, absurd, malerisch und genial zugleich. Manchmal wünscht man sich allerdings, das Gesehene lieber wieder schnell zu vergessen. Verstörende Bilder sind nach eigener Erfahrung aber die Ausnahme.
Für dich ausgesucht
Bei Midjourney steht die Ästhetik im Vordergrund. Die Bilder sehen oft einfach stimmig aus, die Kontraste sind gut überlegt und der künstlerische Touch mag zu gefallen. Falls ein bestimmter Stil bevorzugt wird, in denen die KI-Bilder gezeichnet werden, stehen viele Künstler und Illustratoren zur Auswahl. Mit der Eingabe “by Künstlername” kann so ein Stil gewählt werden – von Claude Monet bis hin zu Michelangelo und Assasin’s Creed-Style. Eine Übersicht zu den möglichen Parametern gibt es HIER.
Paul McCartney wurde in diesem Beispiel im Stil von Yoji Shinkawa (bekannt als Illustrator für Metal Gear) gezeichnet. Bei Stevie Wonder (habt ihr ihn erkannt?) wurden hingegen mehrere Stile kombiniert.
Mercury als Cyberpunk
Midjourney ist auch gut darin, Objekte und Lebewesen in eine bestimmte Umgebung zu bringen. Ein Pinguin der vor dem Eiffelturm ein DJ-Set spielt? Kein Problem. Oder ein gewisser Freddie Mercury, der vor einer dystopischen Cyberpunk-Welt steht.
Die KI ist auch gut darin, verschiedene Sachen zu fusionieren. So wird aus einer Gitarre von Steve Vai schnell einmal eine Bananen-Gitarre. Richtig spielbar scheint sie aber nicht, da Vais Hände mit ihr verschmolzen sind. Einen dicken Panzer hat Eminem in seiner Frühzeit als weißer Rapper in einer überwiegend von Afroamerikanern bewohnten Gegend (Vorstadt von Detroit) sicherlich gebraucht. Ob er auch als Ninja Turtle Karriere gemacht hätte, ist allerdings zu bezweifeln.
Fotorealismus ist möglich
Die bisher gezeigten KI-Bilder von Midjourney sehen alle sehr gemalt aus, bei dem der Kunstaspekt nicht zu kurz kommt. Bei anderen KI-Programmen wie “Stable Diffusion” werden hingegen echte Bilder miteinander verbunden, wodurch realistischere Ergebnisse üblich sind. Aber auch bei Midjourney ist es möglich fotorealistische Bilder zu erstellen. Ein Beispiel ist hier “Gothic-Madonna”, die sehr realistische Gesichtszüge und eine glatte Haut aufweist. Insgesamt habe ich bei Madonna eine Vielzahl an Befehlen eingegeben, die das Porträt detaillierter und in hoher Auflösung wiedergeben sollen. In diesem Fall könnte Madonna aus einem 3D-animierten Film stammen. Ähnlich wie bei Schildkröten-Eminem sind allerdings die beiden Augen ungleich und wirken unnatürlich.
Bei John Lennon sieht das Bild stilistisch ganz anders aus. Hier wurde bewusst der Befehl “symmetrische Augen” eingegeben. Ob das bei den Augen geklappt hat sieht man aber nicht, da zwei Brillen auf das Gesicht gelegt wurden. Von Symmetrie kann bei diesen aber auch nicht die Rede sein.
Ein paar Details in der Umgebung können den Bildern eine Geschichte und mehr Persönlichkeit geben. In Tina Turners Hit ‘The Best’ gibt es mehrere Reitszenen. Und was wäre Ozzy ohne seine Fledermäuse?
Cobain ohne viel Schnickschnack
Die KI malt übrigens jedes mal ein neues Bild, auch wenn der Befehl der gleiche ist. Nach der Eingabe werden dann standardmäßig vier Bilder erstellt, die anschließend in der Qualität angepasst werden können. Daher lohnt es sich durchaus mehrmals eine Eingabe auszuprobieren, bis das Ergebnis zufriedenstellend ist. Oder man ändert eben hier und da etwas an den Parametern. Bei der ganz simplen Eingabe von ‘Kurt Cobain‘ kam folgendes heraus. Das rechte Bild ist dabei eine hochskalierte Version von Version 1.
Vergangenheit trifft auf Zukunft
Dass Mozart mit seiner Frisur auch heute noch cool aussehen kann, zeigt das DJ-Porträt von ihm. Beethoven wirkt hingegen eher wie ein Bösewicht aus Star Wars, als ein friedfertiger Komponist.
Die KI lässt sich auch für Grafiken, Logos, Cover, etc. einsetzen. Das untere Bild hätte als Album-Cover von Pink Floyd sicher auch viele Fans gefunden, auch wenn man ‘The Dark Side of the Moon’ einfach so lassen sollte, wie es ist.
Sind KI-Bilder mehr als nur eine Spielerei?
Anfang September machte ein Kunstwettbewerb von sich reden, bei dem ein KI-generiertes Bild den Bewerb in der Kategorie “Digital” gewonnen hat. Die Jury wusste nicht, dass das Bild mit Midjourney erstellt wurde. Dieser Fall sorgte für rege Diskussionen in der Kunstgemeinschaft. Haben solche Bilder eine Seele? Machen KIs Illustratoren und Digital Artists überflüssig? Fördern solche Werke die Kreativität oder machen sie uns unkreativ?
Das Anwendungspotenzial ist in jedem Fall riesig. Keine Idee für das Firmenlogo, Geburtstagskarte oder Albumcover? Kein Problem: Durch die KI lassen sich schnell ein paar Entwürfe vorzeichnen. Vor allem für Menschen, die künstlerisch nicht begabt sind oder sich dafür nicht interessieren, gibt es mit KI-Bildern eine gute Quelle für Kreationen. Außerdem lassen sich erste Entwürfe noch weiter bearbeiten, denn selten setzt die KI genau das um, was in unseren Köpfen herumschwirrt. Vor allem wenn man bedenkt wie hoch die Qualität und wie zielgenau die Ergebnisse trotz relativ geringer Entwicklungszeit bereits sind, können wir in Zukunft noch einiges an faszinierender KI-Kunst erwarten.
Habt ihr Lust auf eine weitere Ausgabe von ‘Musiklegenden als KI-Gemälde’? Schreibt es gerne in die Kommentare!