Im Rahmen von BERMUDA (bermuda-berlin.de) fanden in Berlin am letzten Wochenende auch wieder die von de-bug initiierten Musiktechniktage statt. Mit starken Kooperationspartnern wie Leaf Audio, Feeltune, touchAble, Liine, Propellerhead, Native Instruments, Koma Elektronik, Livid, Mixvibes, EMS und Serato wurde ein hochkarätiges Programm geboten. Vom 01. – 03. November konnten sich Interessierte im Kater Holzig, in unkonventionellem Ambiente bei den unterschiedlichsten Workshops und Vorträgen mit fast allen Aspekten und Ansätzen der Musikproduktion beschäftigen.
Los ging es am Donnerstag mit einer Präsentation von Baptiste Grange, der lange für Ableton gearbeitet hat und seit letztem Jahr European Sales- und Marketingmanager bei Serato ist. In seinem Workshop drehte sich alles um Serato Video (Link Test), ein ziemlich ausgeklügeltes Plug-in für Scratch Live (Link Test), Serato DJ und ITCH, um Videos in DJ-Sets zu integrieren – sozusagen für den VJ im DJ … Baptiste zeigte den Teilnehmern nicht nur, wie Videos mit Effekten bearbeitet werden können, oder wie man Texte und Grafiken in ein Set integriert, sondern auch, wie sie das Ganze auf einen MIDI-Controller mappen und damit steuern können. Im Anschluss an den Vortrag wurden sämtliche Fragen aus dem Publikum beantwortet.
Beim nächsten Beitrag gab es eine Demonstration von “Tracks”, dem neuen MIDI Controller der französischen Firma Feeltune, der in diesem Jahr auf der Musikmesse vorgestellt wurde. Vor etwas mehr als einem Jahr sorgte ihre Hardware-Workstation Rhizome mit ihrem analogen Feeling für viel Begeisterung – und auch ihr neuester Streich lässt kaum Wünsche offen. Whatyes von Klangsucht präsentierte den Workshop, zeigte, was mit diesem schönen Spielzeug alles möglich ist und demonstrierte gleichzeitig die Freude beim Wiederentdecken der taktilen Wahrnehmung.
Auch Mixvibes waren am Donnerstag am Start und präsentierten ein Upgrade Ihrer Flagship DJ Software CROSS DJ, die brandneue CROSS DJ 2.0, welche mit einem neu designten Userinterface und taufrischen Features daherkommt, wie zwei 8-Pad-Sampler-Decks, ein Vierkanal-Mixer und zwei neue FX-Units. Geleitet wurde der Workshop u.a. von Florian Schirmacher, dem Macher von FormResonance und eine kleine “Weltpremiere” gab es auch. Die CROSS DJ Fans konnten zum ersten Mal das neue Video Plug-in für CROSS (Link Test) sehen, welches die Videofunktionen der Mixvibes VFX (Link Test) Software integriert, um die zwei Sparten DJing und VJing zu verbinden.
Der Livid Workshop zum Bauen von maßgeschneiderten MIDI-Controllern wurde leider aufgrund der geringen Teilnehmerzahl gestrichen. Diese lag vermutlich nicht an mangelndem Interesse, denn die Texaner Livid Instruments haben sich längst in der Szene bei namhaften DJs, VJs und Live Performern gleichermaßen mit ihren frei programmierbaren und solide gebauten Controllern, wie dem CNTRL:R (Link Test) oder dem OHM (Link Test) einen Namen gemacht. Ausschlaggebend war wohl eher die Teilnahmegebühr von 160 €. Auch wenn diese Brain V2, Omni Board und sämtliche Anbauteile beinhaltete, hat es leider in Berlin nicht dazu gereicht, mindestens 10 Personen zur Teilnahme zu motivieren. Einer der enttäuschten Teilnehmer, der extra seine Lötstation dabei hatte, landete dafür am nächsten Tag beim Koma Elektronik Workshop.
Dieser begann zunächst mit einer Begrüßung von Wauter Jaspers, CEO der noch recht jungen Berliner Hardwareschmiede Koma Elektronik, die bereits mit hochkarätigen Produkten wie dem BD101 Analog Gate / Delay und dem FT201 Analog Filter mit inkludierten 10-Step-Sequenzer überzeugen konnten. Letzteres ist besonders populär und wird von namhaften Künstlern genutzt, z.B. Lead Gitarrist Peter Holmström von den Dandy Warhols, Barry Burns von Mogwai oder Elektronikfrickler wie T-Raumschmiere von Shitkatapult oder Pole von Scape-Music. In diesem Jahr erweiterten Koma ihr Spektrum noch um den “Koma Kommander”, einem handlichen Motion-Controller im Sci-Fi-Design, mit dem sich sämtliche analoge Maschinen über CV Gate steuern lassen. Wauter gab kurz einen Einblick in die Produktpalette, sowie die Philosophie des Unternehmens, ließ auch einige Anekdoten nicht aus und übergab dann das Wort an den Berliner Produzenten und Besitzer des renommierten Studios Scape Mastering Stefan Betke, alias Pole:
Der stellte zunächst seine ganz persönliche Philosophie vor und sprach dann aus 30 jähriger Erfahrung mit analogem und digitalem Equipment. Er erklärte kurz die Funktionsweisen modularer Synthesizer und stellte dann ein Setup mit Oberheim Synthesizer, Mixer, MIDI-Keyboard und Koma Kommander, sowie Koma Filter, Koma Delay und dem Reverb Dr Scientist vor, um seine Herangehensweise zu demonstrieren. Dabei war seine Begeisterung an analogen Geräten nicht zu übersehen und der Funke sprang schnell über. Im Anschluss an seinen Vortrag händigte er noch so manchen Zuhörer die Adresse von Schneiders Büro aus …
Nach einer kurzen Pause ging es dann in den praktischen Teil des Programms über. In einem DIY-Workshop lernten die Teilnehmer, wie man ein simples Theremin baut und wie dieses in Kombination mit einem Plüschtier zu einem fröhlichem Quäkmonster wird. Trotz der schrillen Geräuschkulisse im Thereminlab – die Beschwerden vom DJ, der eine Etage tiefer auflegte, blieben aus. Parallel dazu fanden noch zwei weitere Workshops statt, bei denen jeweils eine App im Mittelpunkt des Interesses stand: ein von Alexkid präsentierter LIINE LEMUR Workshop für iPads – bei diesem ging es vor allem darum, was sich mit der modularen MIDI – und OSC-Controller-Umgebung Lemur alles bauen lässt sowie eine Präsentation der iPhone Version von Touchable, bei dem die Teilnehmer viel Gelegenheit dazu hatten, sich aktiv von der intuitiven Bedienbarkeit des Touchscreens zu überzeugen. Außerdem standen die Entwickler Rede und Antwort. Einen Anfängerkurs für Ableton Live gab es auch, wo Neugierige unter Anleitung der Electronic Music School EMS für ein paar Stunden freiwillig, die Stuhlbank drücken durften.
Native Instruments war gleich an zwei Tagen, Freitag und Samstag mit jeweils zwei Workshops vertreten. Klar, dass es sich um den DJ-Klassiker Traktor drehte und auch das neue Maschine (Link Test)hatten sie im Gepäck. Neben detaillierten Informationen zu beiden Produkten ging es auch darum, wie diese sinnvoll kombiniert werden können. Auch die dazugehörige Hardware kam nicht zu kurz und es gab die Gelegenheit den neuen DJ/Mixer Hybriden Traktor Kontrol Z2 (Link Preview)aus nächster Nähe zu betrachten, der seit dem 01. November offiziell auf dem Markt ist. Dazu gab es jede Menge Tipps und Tricks, was sich mit Maschine MKII und Maschine Mikro MKII so alles anstellen lässt.
Auch am letzten Tag der Musiktechniktage waren die verschiedenen Präsentationen trotz des starken Regens recht gut besucht – allen voran der DIY-Workshop “Trigger Bassdrum-Löten” von Leaf Audio. Deren DIY-Workshops erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, was daran liegen könnte, dass sie sich mit diesem Angebot nicht nur an Nerds, sondern auch an AnfängerInnen ohne Vorkenntnisse richten. Es geht um Kreativität und Spaß und den hatten die TeilnehmerInnen auf jeden Fall, vor allem als die ersten Drum-Sounds aus den bunten selbstgebauten Schachteln zu hören waren.
Um Sounds ging es auch eine Etage tiefer, wo Propellerhead zur ” Producers Conference von “Reason” (Link Test) eingeladen hatten. In einem ausschließlich männlich besetzten Saal erteilten Produkt Spezialist Mattias Häggström sowie Toningenieur Gary Bromham und der Musiker Dorincourt eine ausführliche Lektion in Sachen Reason 6.5. Die Funktion der Rack Extensions und die Möglichkeit, Geräte wie den neuen Polar und Pulsar via CV Patches zu verkabeln, wurde sehr anschaulich und dank der vielen musikalischen Einlagen auch sehr unterhaltsam erklärt. Demonstriert wurde natürlich auch der brandneue Analogsynthesizer ANTIDOTE. Dieser ist erst seit einigen Tagen auf dem Markt und wurde exklusiv für Reason hergestellt.
Peter Kirn von createdigitalmusic.com hielt derweil ein kurzes Plädoyer über den Vorteil, sämtliche Entscheidungen selbst treffen zu können und warum es sich lohnt, als KünstlerIn die Angst vor dem Coding zu überwinden und selbst zu programmieren. Nach einem kurzen Exkurs in die Geschichte der Computersynthesis demonstrierte er die Funktionsweisen der beiden Open Source Tools Pure Data (pd) und Processing und wie die zwei sich kombinieren lassen. Dabei zeigte er, wie man von Scratch auf einfache Visuals oder Sounds programmiert. Zudem gab Kirn noch eine kurze beindruckende Demonstration seiner Arbeit. Er zeigte, wie er mit oben beschriebenen Tools, seinem iPad und MeeBlip – “the first hackable do it yourself synth for the rest of us” – Keyboard Magazine – seine Audio Video Performances erstellt.
Insgesamt ein wirklich gelungenes Programm, um sich auf den neusten Stand zu bringen, was Software- und Hardwaretechnisch im Bereich Musikproduktion, DJ und VJ zurzeit so abgeht. Zu bemängeln war allerdings die fehlende weibliche Präsenz, sowohl als Referentinnen bzw. Workshopleiterinnen als auch im Publikum. Die wenigen Frauen, die sich in die Workshops verirrt hatten, waren an einer Hand abzuzählen und vielleicht hätte das anders ausgesehen, wenn die Organisatoren der Musiktechniktage auch Frauen zum Präsentieren eingeladen hätten. An Expertinnen mangelt es schließlich nicht. Auch ein konferenzfreundlicheres Ambiente, in einem strukturierten und gut organisierten Umfeld mit hilfsbereitem und freundlichem Personal, hätte der Veranstaltung sicher gut getan.