DETAILS
Alle hier getesteten Librarys lassen sich scheibenweise als DVD oder auch als direkter Download erwerben. Viele Anwender werden aber sicher das eine oder andere Mal darüber nachgedacht haben, sich das aktuelle Komplete 8 Bundle zuzulegen. Von diesem gibt es bekanntlich zwei Ausbaustufen: Die ganz dicke Ultimate-Version, die nur auf Festplatte ausgeliefert wird, bietet erwartungsgemäß alles, was es hier zu hören und zu sehen gibt. Die halb so teure Standardversion hat dagegen nur die Abbey Road 60s Drums und den Studio Drummer an Bord. In den einschlägigen Internetforen wird das kleinere Paket deshalb auch gerne mit einem virtuellen Augenzwinkern als „inKomplete 8“ bezeichnet. An dem nach wie vor hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis ändert dies natürlich nichts.
Die Installation der Software vollzieht sich, wie man das von Kontakt-Instrumenten gewohnt ist, einfach und völlig unproblematisch. Sobald die Daten ihren Platz auf der Festplatte des Rechners gefunden haben, steht die Autorisierung der Software über das NI Service Center an. Besitzer eines Bundles müssen natürlich nicht alle Produkte einzeln digital absegnen lassen, sondern schlagen mit einem einmaligen Freischalten sehr viele Fliegen mit einer Klappe. Nach der Installation werden die Pakete automatisch im Browser von Kontakt 5 bzw. dem kostenlosen Kontakt 5 Player angezeigt und können direkt genutzt werden. Auch wenn die Abbey Road Drums noch zu Zeiten von Kontakt 4 entwickelt wurden, werden die Sammlungen aus Komplete 8 auf meinem System nur noch unter der neuesten Version des Samplers erkannt. Kontakt 5 ist inzwischen also offenbar Voraussetzung, so wie das auch auf der Website von NI angegeben wird.
Was ist drin?
Was den Speicherbedarf angeht, halten sich unsere fünf Testkandidaten innerhalb gewisser Grenzen. Während bei Toontrack die neueste Erweiterung für den Superior Drummer 2 (Roots SDX) tonnenschwere 64 GB wiegt, geben sich die Drums von Native Instruments mit im Schnitt je 7 GB Festplattenspeicher zufrieden. Dies schon einmal als ersten Hinweis darauf, dass es deutliche Unterschiede zu den großen Angeboten der Konkurrenz gibt, die nicht nur mit der Anzahl der gesampelten Trommeln und Becken zusammenhängen. „Weniger“ bedeutet bei virtuellen Instrumenten bekanntlich nicht zwangsläufig „schlechter“, sondern kann auch auf eine optimierte Software-Architektur hindeuten. Und die kommt in der Regel sowohl der Rechner-Performance als auch dem Workflow zugute.
Die Abbey Road Drums bieten pro Library jeweils zwei Drumsets, die man getrost zu den wichtigsten Vertretern ihrer Epochen zählen kann. So finden sich unter den Samples beispielsweise ein Gretsch Round Badge Kit aus den frühen 60ern, ein Ludwig Vistalite, wie es in den 70ern von John Bonham und Billy Cobham gespielt wurde, ein Yamaha 9000er Recording Custom, das in den 80ern zu einem der am häufigsten aufgenommenen Sets aller Zeiten wurde und ein teures DW Collectors Series aus den 90ern. Jedes Kit verfügt über zwei bis vier Toms, ein Paar Hi-Hats, vier bis fünf Becken und zwei bis drei Snaredrums, die verschiedene Stimmungen abdecken. Zusätzlich stehen auch einige Percussion-Elemente wie Claps, Cowbells oder Maracas im Angebot. Die Größe der Drumsets nimmt dabei über die Jahrzehnte hinweg ganz erwartungsgemäß zu. Ein Kombinieren einzelner Komponenten aus verschiedenen Kits ist auch innerhalb einer Epoche der Abbey Road Drums nicht vorgesehen.
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Aufgenommen wurde all das, wie der Name schon sagt, in den Abbey Road Studios in London, die wegen ihres immensen Einflusses auf die Musikgeschichte 2010 unter Denkmalschutz gestellt wurden. Müßig, hier die Bands oder Künstler aufzuzählen, die dort ihre Alben aufnahmen. Wahrscheinlich haben sogar die meisten erfolgreichen Musiker irgendwann einmal die heiligen Hallen betreten, und sei es nur, um dort eine Tasse Tee zu trinken. Die Besonderheit bei den Aufnahmen liegt dabei neben dem legendären Raumklang auch im jeweils zeitgerecht ausgewählten Equipment. So wurden beispielsweise außer den entsprechenden Mikrofonen auch verschiedene Ausführungen des legendären EMI TG Mischpultes mit unterschiedlichen Studer-Bandmaschinen kombiniert. Während die Drums aus den 60ern und 70ern noch relativ trocken und naturbelassen klingen, kommt in den Samples aus den 80ern beispielsweise der Nachbau eines Talkback-Kompressors aus einem SSL-Pult der E-Serie zum Einsatz. Ein solcher hatte auf zweckentfremdete Weise schon Phil Collins´ Drum-Sound in seinem Jahrhundert-Song „In The Air Tonight“ mitgeformt. Ebenfalls charakteristisch für die Epoche und bezeichnend für viele Produktionen jener Zeit ist der meiner Meinung nach ganz fürchterlich gegatete Raum. Der Sound der Modern Drums klingt ebenfalls hörbar vorbearbeitet, wirkt aber generell etwas neutraler als die Vertreter aus den 80ern.
Der Studio Drummer fällt im Vergleich zu der Abbey Road Reihe natürlich ein wenig aus dem Bild. Zunächst einmal handelt es sich diesmal nicht um einen britischen Sample-Import, sondern um Aufnahmen aus Deutschland – genauer gesagt aus den Teldex Studios in Berlin. Hier wurden drei Drumsets gesampelt, die ungefähr in die gleiche Kerbe zielen wie die Abbey Road Modern Drums: ein Pearl Masters Premium Maple, ein Yamaha Maple Custom Absolute und ein Sonor SQ2. Auch in diesem Fall sind die einzelnen Sets fest vorgegeben, lassen sich nicht miteinander kombinieren und bieten nur für die Snaredrum eine Möglichkeit, aus zwei Modellen zu wählen.
Ein dicker Minuspunkt für alle Teile der Abbey Road Drums ist das Fehlen vorgefertigter Grooves. Eine Sammlung von zeit- und stiltypischen MIDI-Files könnte inspirierend wirken oder als Grundlage für eigene Programmierungen dienen und somit die Sammlungen erheblich aufwerten. Für die Audios in diesem Test habe ich deshalb ausschließlich die Grooves aus dem Studio Drummer verwendet. Die sind reichlich vorhanden und in Sachen Timing hat man offenbar großen Wert auf einen gewissen Menschlichkeitsfaktor gelegt. Möglicherweise hat man es damit sogar ein wenig übertrieben. Um ehrlich zu sein: An manchen Stellen eiert der virtuelle Drummer so sehr herum, dass ich mich schon sehr wundern muss, dass solche Files überhaupt ihren Weg in ein kommerzielles Produkt finden. Von den zuschaltbaren Humanize-Funktionen möchte ich da schon von vornherein die Finger lassen – Quantisieren und Angleichen wären eher angesagt. Abgesehen davon entspricht sich das Note-Mapping der verschiedenen Librarys nicht vollständig, sodass ich die aus dem Studio Drummer exportierten Grooves nachbearbeiten musste, um die richtigen Trommeln und Becken anzusteuern. Gerade in einem Fall, in dem verschiedene Mapping-Presets vorhanden sind, die gängigen Standards entsprechen, sollte es solche Probleme eigentlich nicht geben. Wenn man allerdings von diesen Mankos absieht, können alle Kollektionen mit ihrem Sound überzeugen. Vor allem der Raumklang aus den Abbey Road Studios ist natürlich exquisit.