PRAXIS
Fünf Pakete, eine Philosophie
In ihrer grundlegenden Bedienphilosophie entsprechen sich alle vier Teile der Abbey Road Drums komplett. Auch der Studio Drummer lässt ein ähnliches Konzept erkennen, geht aber an manchen Stellen einen Schritt weiter. Auf der Drums- bzw. Kit-Page der Benutzeroberflächen wird das jeweils geladene Drumset in einer hübschen fotorealistischen Grafik dargestellt. Einzelne Kit-Pieces und die zahlreich vorhandenen Artikulationen können über MIDI ausgewählt und bei Bedarf per Lernfunktion eigenen Controllern zugewiesen werden. Vor allem bei Hi-Hats und Snaredrum wird man mit den verschiedenen Spieltechniken nahezu überschüttet. Spezielle Samples für linke und rechte Hand, Flams, Rolls, Rimshots oder Sidesticks? In dieser Hinsicht ist alles vorhanden, was das Herz begehrt. Gleichzeitig bieten die Bibliotheken bis zu 25 Velocity Layer (Abbey Road Drums maximal 20) und eine bis zu vierfache Round Robin Architektur. In dieser Hinsicht erfüllen alle Samples die Voraussetzung, lebendig und überzeugend zu wirken.
Die Zusammenarbeit mit E-Drums gestaltete sich allerdings nicht ganz reibungslos, da die Zuweisung der Hi-Hat-Zonen nicht optimal gelöst ist. Mit meinem 2Box DrumIt Five Mk2 war trotz eines vorinstallierten Mapping-Presets dieses E-Drumsets kein zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen. Und wenn man sich anschaut, wie die Controller-Zuweisung konzipiert ist, kann man auch für andere E-Drums Probleme nicht ausschließen.
Für alle Instrumente des Drumsets lassen sich Stimmung und Hüllkurve bearbeiten und zusätzlich der Anteil an Übersprechungen in Overhead- und Raummikrofone regeln. Die Abbey Road Drums bieten direkt in der Hauptansicht eine zusätzliche Möglichkeit, das Verhältnis zwischen Top- und Bottom-Mic der Snare anzugleichen. Das Gleiche gilt für die Bassdrum, bei der die verschiedenen Mikrofone innerhalb und außerhalb angepasst werden können. Beim Studio Drummer bemüht man dazu den wesentlich umfangreicher gestalteten Mixer oder wählt in der Hauptansicht eines der Mixer-Presets aus. Weitere Unterschiede sind größtenteils optisch, und selbstverständlich kommt die Oberfläche des Studio Drummers nicht mit dem kultigen Design der TG-Konsole aus den Abbey Road Studios daher.
Während die Abbey Road Drums in Bezug auf Effekte vor allem auf das bei der Aufnahme verwendete Equipment setzen und weitere Klangregelungen dem Anwender überlassen, liefert der Studio Drummer eine ganze Palette von Algorithmen, die zum Teil der neu veröffentlichten Solid Mix Reihe von Native Instruments entstammen. Für jeden einzelnen Kanal stehen je ein Equalizer, ein Transienten-Designer, ein Kompressor und die Simulation einer analogen Bandmaschine mit regelbarer Sättigung und einem Warmth-Parameter zur Verfügung. Die Effekte machen ihren Job außerordentlich gut, vor allem der EQ gefällt mir sehr, da er ähnlich wie seine analogen Vorbilder aus den SSL-Pulten sehr kräftig und auf eine ganz eigene Art und Weise zugreift. Wer Kontakt 5 und nicht den Kontakt 5 Player verwendet, kann diese Effekte allerdings über einen kleinen Umweg auch mit den Abbey Road Drums verwenden, da sie bereits Bestandteil der internen Effekt-Sammlung sind. In den Audios hört ihr einige klangliche Variationen mit unterschiedlich ausgeprägten Raumanteilen aus den 70s und 80s Drums. Wie man unschwer feststellen kann, lässt sich der gegatete Raum aus den 80ern bei Bedarf auch abstellen. In den weiteren Beispielen zeigt sich die Wirkung der Effektsektion des Studio Drummers. Bei den verwendeten Grooves aus dem Studio Drummer habe ich es mir an einigen Stellen ein weiteres Mal verkniffen, die Quantisierungstaste in meinem Host-Sequenzer zu verwenden.
Was die Drum-Sammlung von Native Instruments generell von einigen größeren Produkten der Konkurrenz unterscheidet, ist die Tatsache, dass Übersprechungen in andere Mikrofone auf das Nötigste reduziert wurden. Während man beispielsweise mit dem Superior Drummer 2 eine Snare bei Bedarf auch noch im hinterletzten Tom-Mikro oder einem speziellen Effekt-Mic hören kann, gibt es bei den Abbey Road Drums und dem Studio Drummer nur Direkt-Mikros, Overheads und den Raum-Kanal. Einzige Ausnahme ist das Mikrofon an der Snare Drum, das die wichtige Aufgabe hat, das Mitrascheln des Snare-Teppichs authentisch abzubilden. Weitere Bleeding-Optionen sparen sich die Berliner, und daher geben sich die Sample-Pakete trotz ihrer Detailtiefe und Vielfalt an Spielweisen mit einem moderaten Speicherbedarf zufrieden.