Praxis
Go, Go, Gorilla – Die Wavetable-Engine von Massive X
In den im Frühjahr veröffentlichten Videos und Details über Massive X fiel neben der komplett veränderten Optik einigen Adleraugen ein etwas seltsam anmutender kleiner Gorilla bei den zwei Oszillatoren auf. Dieser „Gorilla“-Modus ist einer der 10 verschiedenen Modi, mit denen Massive X eine der 170 mitgelieferten Wavetables scannt. Die Modi sorgen jeweils für andere Harmonien beim Auslesen der Wavetables und bringen bis zu zwei verschiedene Regler mit unterschiedlichen Unterkategorien und Abspielrichtungen mit.
- Standard. Wie der Spectrum-Mode in Massive. Neben einem LP-Filter gibt es noch die Ausleserichtung und verschiedene Polaritäten zur Auswahl.
- Bend. Ist ebenfalls noch aus dem Vorgänger bekannt. Am zweiten Regler stellt ihr ein, wie stark der Wavetable am Anfang oder Ende gedehnt bzw. gequetscht wird.
- Mirror. Liest den Wavetable aus zwei Richtung. Dreht man den „Ratio“-Knopf besonders hoch, fängt der Wavetable an, wie ein Hardsync-Synth zu klingen.
- Hardsync. Anders als bei analogen Synthesizern wird beim Hardsync-Modus in Massive X kein zweiter Oszillator gebraucht. Auch hier gibt es viele Unterkategorien, die die ntensität und Richtung des Wavescanning bestimmen und den Sound teilweise drastisch verändern.
- Wrap. Ähnlich zum Hardsync, die Sounds sind etwas stabiler und sanfter im Vergleich.
- Formant. Der letzte aus Massive bekannte Modus. Mit ordentlich Modulation bekommt ein Sound fast schon Stimmcharakter.
- ART (Artificial Resonance Technology). Laut Handbuch ein Filtermodul, das aber nicht nach analogem Filter klingt und durch extreme Resonanzen ganz eigene Sounds aus einem Wavetable holen kann. Klingt nicht so verstörend wie Gorilla, hat es bei entsprechender Modulation aber ganz schön in sich.
- Gorilla. Trommelt sich brüllend auf die Brust. Egal, welchen Wavetable ihr ladet, jagt ihn durch den Gorilla-Modus und das ganze klingt tausendmal böser und verzerrter. Aus drei Modi könnt ihr auswählen: King (leicht), Kang (mittel) und Kong (extrem). NI hat Humor.
- Random. Für besonders zufällige Soundzerstörung.
- Jitter. Ähnlich zu Random, weniger extrem.
In den Soundbeispielen habe ich dieselbe Basslinie mit demselben Wavetable (Polysaw, einer von 14, die aus Massive mitgekommen sind) und derselben Modulation (LFO auf Wavetable-Position) durch einige der Modi gejagt. Bei einigen habe ich noch etwas Phasenmodulation dazu gemischt, um den jeweiligen Charakter zu unterstreichen.
Routing Planner – Flexibles Routing in Massive X
Das Routing war schon in Massive eine echte Besonderheit, konnte man doch beispielsweise die zwei Insert-Effekte an den verschiedensten Stellen im Signalfluss einfügen. Auch den Weg des Feedbacksignals konnte man zumindest ansatzweise bestimmen. All das ist jetzt fast eine Modularsynthese-Umgebung geworden.
Das ist auf der einen Seite eine fantastische Spielwiese für Sounddesigner geworden. So könnt ihr mit wenigen Klicks und Verbindungen beispielsweise mal direkt eine Hüllkurve in den Audioeingang eines Effekts wie Anima schicken und sie dann auch hören. Wer wollte nicht schon immer ADSR hören? Oder ihr verbindet die gleiche Kombination dann weiter mit dem Aux-Eingang des Phasenmodulators (PM)? Damit verzerrt der PM die Oszillatoren mit einer gepitchten und bereits verzerrten Hüllkurve. Entdecke die Unmöglichkeiten.
Andererseits ist der Routingbereich einer der Momente, an dem Massive X sich sehr deutlich als Fortgeschritteneninstrument etabliert. Selbst simple Dinge wie etwa White Noise in ein Synthsignal zu geben funktionieren nur, wenn die entsprechenden Kabel gezogen sind. Einsteiger könnten hier gehörig stolpern.
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Hat man sich durch die Wavetable-Modi und das Routing gekämpft und ist schon völlig in den Sound von Massive X verliebt, kommen die zwei Effektketten an und machen das Ganze noch (gl)amouröser. Das Plugin schafft es wie kaum ein zweites, digitale Verzerrung und Phasenmodulation immer noch warm klingen zu lassen. Packt man dann die Insert-Effekte an die richtigen Stellen und dreht ordentlich Hall (Preset: Woosh), etwas Noise (Preset: Schwurbel) und den Nonlinear-Labs-Effekt dazu, macht das dieser Sommerwoche alleine temperaturtechnisch schon Konkurrenz: Massive X klingt warm UND modern.
Northern Decay sagt:
#1 - 28.06.2019 um 06:20 Uhr
Bitte noch erwähnen das es keine Spielhilfen wie Arpeggiator und Sequenzer gibt...dicker Minuspunkt!
Julian Schmauch (Bonedo-Autor) sagt:
#1.1 - 28.06.2019 um 13:35 Uhr
Hallo Northern Decay,Danke für deinen Kommentar! Das Fehlen von Arpeggiatoren und Sequencern ist mir auch aufgefallen, da es aber einige Synths wie Serum gibt, die keine eigenen Spielhilfen haben, habe ich das nicht als Contra gewertet.
Ich gehe davon aus,, dass sich NI gedacht hat, dass man ohnehin die eingebauten Spielhilfen ihrer Komplete Keyboards nutzen kann.Aber jam schöner wäre es mit Spielhilfen schon gewesen. Vielleicht kommen die aber noch, Native hat hier ja noch einiges nachzubessern.Ich hoffe, das hilft erst mal weiter!Liebe Grüße, Julian
Antwort auf #1 von Northern Decay
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenSven Moeckel-Spakowski sagt:
#2 - 08.12.2019 um 12:11 Uhr
Jetzt wo NI 200 seiner Mitarbeiter, darunter DSP-Programmierer, entlassen hat, fragt man sich, wie die ihre Hausaufgaben gebacken kriegen wollen. Aber vielleicht hat diese Verschlankung um 30% seiner Belegschaft ja auch Methode und sie verkaufen demnächst nur noch Samples - deren neue Vision „One Native“ lässt tief blicken. Ich prophezeihe mal: 1. keine neuen Hardwarentwicklungen und Umstellung des Soft-portfolio auf Abo!