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Native Instruments Traktor Kontrol S4 MK3 Test

Praxis

Vor dem Scratchen kommt das Installieren. Zumindest theoretisch: Als langjähriger Traktor-Nutzer habe ich bereits eine umfangreiche Traktor-Library auf dem Rechner und hatte bereits vor dem Erhalt der Test-Hardware auf Traktor Pro 3 umgestellt.
Traktor Pro 3 hatte, bis auf das neue grafische Design, sämtliche GUI-Setups und Playlists übernommen und sieht zwar superfrisch, aber dennoch beruhigend gewohnt aus. Sofort nach Anschluss der Hardware wurde diese erkannt und war ohne weiteres Zutun spielbereit.

Der Traktor Kontrol S4 MK3 im Praxistest
Der Traktor Kontrol S4 MK3 im Praxistest

Haptik

Mit den Haptic Drives geht Native Instruments einen Schritt zurück in die Vergangenheit und zwei vorwärts in die Zukunft.
Als NI die beiden Controller Kontrol S8 und S5 herausbrachte, schienen die Tage der Jogwheels gezählt. Nun kommen sie zurück und stärker als je zuvor. Gerade für DJs, die sehr open-minded spielen (oder Hochzeiten und Firmenfeste bespaßen), ist ein Jogwheel viel besser geeignet, um zwischen verschiedenen Musikgenres und BPM-Geschwindigkeiten zu wechseln. Auch DJs, die Funk, Disco oder andere Musik ohne computergenagelte Beats auflegen, können sich nicht auf das Beatgrid verlassen und brauchen die Möglichkeit des manuellen Beatmatchens. Experimente mit drehenden Jogwheels gab es in der Vergangenheit schon öfter, wie z. B. beim NumarkNS7 III oder aktuell beim Rane Twelve und dem Denon SC5000M Prime.
Die sind aber groß, schwer und teuer. Native Instruments hat mit den Haptic Drives eine wirklich tragbare Variante vorgelegt, gewichtsmäßig wie finanziell. Die Response der Jogwheels im „TT-Modus“ ist sehr tight und der zusätzliche Beatgrid-Mode einfach superpraktisch. Turntablisten dürfen zu Recht Zweifel haben, dass die Haptic Drives des Kontrol S4 MK3 richtige Plattenspieler adäquat ersetzen können. Tun sie natürlich nicht, schon allein, weil sie zu klein sind. Scratchen lebt aber unter anderem auch davon, dass die Bewegung des rotierenden Plattenteller in die Routine einbezogen wird. Und scratchen mit unbeweglichen Jogwheels fühlte sich für mich irgendwie immer falsch an.
Hier scoren die Haptic Drives dank des gut austarierten Motors mit voller Punktzahl: Das Arbeiten mit diesen neuen Jogwheels macht richtig Spaß und man möchte den TT-Modus schon bald nicht mehr missen. Der Realismus geht so weit, dass DJ in den Präferenzen zwischen den Drehgeschwindigkeit 33 ½ und 45 bpm wählen kann. Bei 45 dreht sich der Haptic Drive natürlich schneller und die Wege beim Scratchen sind etwas länger. Ich empfinde das als präziser. 

„Put the hands to the haptics“ oder so ähnlich könnte die Aufforderung des MCs an den DJ demnächst lauten …
„Put the hands to the haptics“ oder so ähnlich könnte die Aufforderung des MCs an den DJ demnächst lauten …

Reverse

Auf die „Reverse“-Funktion haben viele Traktor-Anwender zu Recht schon lange gewartet. Traktor Pro 3 schaltet wie beim „Slip-Reverse“-Effekt des CDJ-2000NXS2 stets automatisch noch den Flux-Modus dazu, der dafür sorgt, dass der Track bei Reverse-Aktionen „im Hintergrund“ weiterläuft, so dass der Mix stets im Timing bleibt
Auf der S4-Oberfläche blinkt in diesem Fall der Flux-Mode-Button schräg über dem Reverse-Button. In der Software-GUI läuft währenddessen ein kleiner „Ghost-Track-Marker“ auf der Wellenform weiter und zeigt an, bei welcher Position sich der Track wieder „einklinkt“, wenn DJ die Reverse-Taste loslässt. Supersache! Aber Obacht: Das funktioniert so nur im „Jog“-Modus. Im „TT“-Modus läuft der Track beim Loslassen der Reverse-Taste ab der realen Position weiter. Nix mit Flux im Hintergrund.
Man kann bei aktiviertem „TT-Modus“ auch nicht scratchen und auf Flux-Unterstützung hoffen. Geht bei richtigen Plattenspielern ja auch nicht. Native Instruments nimmt es in diesem Fall mit der realistischen Turntable-Simulation anscheinend sehr genau. DJs, die dieses Feature von Pioneer-CDJs gewohnt sind, müssen das also auch (vorerst noch?) im Pioneer-ähnlichen „Jog-Modus“ tun. Fühlt sich dann eben mehr wie CDJ statt Vinyl an.

Back to the Future: Während der Reise in die Vergangenheit läuft die Zeit weiter: Während der rote Songpositionsmarker rückwärts läuft, scrollt der weiße Marker der absoluten Songposition weiter nach rechts
Back to the Future: Während der Reise in die Vergangenheit läuft die Zeit weiter: Während der rote Songpositionsmarker rückwärts läuft, scrollt der weiße Marker der absoluten Songposition weiter nach rechts

Kanaleffekte

Die Kanaleffekte ähneln sehr den Pioneer Color-FX und sind bestens für Übergänge geeignet. Leider arbeiten sie nicht Postfader, sodass DJ nicht wie bei den DJM-Mixern Sounds und Scratches in die Effekte reincutten kann, um z. B. eine Hallfahne zu erzeugen. Auch klingen sie immer zusammen mit dem Filter, das sich nicht entfernen lässt und sind nicht editierbar. Aber dafür gibt es ja auch die herkömmlichen Traktor-Effekte. Großartig ist hingegen, dass jeder Kanal einem anderen Kanaleffekt zugewiesen werden kann und DJ dank der fünf verschiedenen Farben nicht den Überblick verliert. Und so klingt das dann.

Audio Samples
0:00
Filter Reverb + Filter Dual Delay + Filter Noise + Filter Time Gater + Filter Flanger + Filter Barber Pole + Filter Dotted Delay + Filter Crush + Filter Reverse-Effekt

Real Vinyl

Aber auch die wirklich richtigen Wheels Of Steel lassen sich über die Kanäle A und B einbinden. Leider nur mit angeschlossenem Laptop und geöffneter Traktor Pro 3 Applikation. Standalone-Mixing kann der S4 MK3 nämlich nicht. Sobald man die USB-Kabelverbindung zum Rechner abzieht, gehen beim S4 MK3 die Lampen aus. Das ist schade, weil der Kontrol S4 MK3 eigentlich das Potential hätte, als zentraler Mixer für ein Home-DJ-Setup mit angeschlossenen Turntables zu dienen. Wer möchte schon immer erst den Laptop anschließen müssen, um eine Schallplatte hören zu können? Hier wäre Nachbesserung per Firmware-Update wünschenswert. Ebenso ein „Track Lock“ beim Umschalten auf externe Eingänge, damit die geladene MP3 im Track-Deck verbleibt, falls DJ mal unabsichtlich auf den EXT-Button drückt.

DVS

DVS geht auch. Native Instruments hat mit Traktor Pro 3 prinzipiell jede Soundkarte für den Scratch-Control-Betrieb freigegeben und somit natürlich auch den eigenen neuen Premium-Controller. Nach wenigen Handgriffen empfängt der neue S4 Timecode-Signale von Traktor Scratch-Scheiben und erlaubt die Kontrolle der Decks A und B per Vinyl. Selbst die alten Mark 1-Scratch Vinyls funktionieren noch. Dabei ist es immer wieder erstaunlich, wie sklavisch präzise ein digitales Track-Deck einem Scratch-Control-Deck im Sync folgt. Auflegen mit zwei Scratch-Decks und zwei Track-Decks macht richtig Spaß: Die Jogwheels schalte ich dann einfach auf die Decks C und D, so habe ich alle vier Decks ohne Umschalten im direkten haptischen Zugriff. Nur der Ordnungsfetischist in mir stört sich ein wenig an der Tatsache, dass die Plattenspieler zwingend an Kanal A und B angeschlossen sein müssen und die äußeren Kanäle C und D die digitalen Decks repräsentieren. Wie viel schöner und logischer wäre es doch, wenn die äußeren Kanäle mit den Turntables belegt werden könnten: Im Club hat DJ ja auch lieber die Decks neben dem Mixer auf den Kanälen in der Mitte angeschlossen und die außenstehenden Geräte an den äußeren Mixerkanälen. Ob da wohl mit einem Firmware-Update noch Abhilfe geschaffen werden kann?

Native Instruments hat die Traktor-Scratch-Funktionalität für alle Soundkarten freigegeben. Natürlich auch für den neuesten Spross Kontrol S4 MK3.
Native Instruments hat die Traktor-Scratch-Funktionalität für alle Soundkarten freigegeben. Natürlich auch für den neuesten Spross Kontrol S4 MK3.

Step by Step

Der Sequencer macht richtig Spaß. Es ist nicht gerade die lang erhoffte Maschine-Integration, aber nichtsdestotrotz: Beats sind schnell programmiert und Sounds blitzschnell ausgetauscht. Mit einem gut organisiertem Drum Sequencer-Remix-Deck hat DJ eine echte Waffe im Arsenal. Denn nicht zu vergessen: Ein Sequencer-Sound-Setup ist einfach erst mal ein Remix-Deck, mit bis zu 4 x 16 Sounds. Ladet euch doch einfach mal mein kostenloses Mijk van Dijk Bonedo Sound-Kit herunter und legt los. Für weitergehende Exkursionen mit Sequencer und Remix-Decks empfiehlt sich aber immer noch der altehrwürdige Kontrol F1, der praktischerweise an den Hub des S4 MK3 angeschlossen werden kann.

Fotostrecke: 2 Bilder Endlich kann man den rudimentären Sequencer intuitiv bedienen, das macht Spaß

Stabilität

Die Verbindung zwischen Traktor Pro 3 und dem S4 MK3 ist rock-solid stabil. Während des Tests habe ich den Laptop diverse Male vom Schreibtisch zum DJ-Pult getragen, an den Controller angeschlossen und wieder abgekabelt und wieder hin und wieder her: Traktor hat das mit digitalem Achselzucken quittiert, hatte nach zwei Sekunden die S4 MK3-Hardware erkannt und ungerührt weitergespielt. Es ist also nach wie vor kein Problem, Traktor bereits im Rechner hochzufahren, mit Playlisten zu bestücken, im Club an den S4 MK3 zu hängen und in wenigen Sekunden spielbereit zu sein. Der Traktor Kontrol S4 MK3 performed großartig und ist 100 % bühnentauglich.

Take it away: der Kontrol S4 MK3 ist ein stabiler Performance-Partner
Take it away: der Kontrol S4 MK3 ist ein stabiler Performance-Partner

Sound

Der Sound ist dank der neuen 24 Bit, 96 kHz Soundkarte laut und fett und klar. Ja, endlich auch laut. Der Vorwurf an Traktor-Controller war ja stets, dass sie im Vergleich zu Pioneers CDJs zu leise sind. Ein unfairer Vergleich, denn die Audiokarte eines CDJs muss lediglich ein Stereosignal ausgeben, während bei Traktor im Extremfall (vier bestückte Stem-Decks) bis zu 16 Spuren verzerrungsfrei verarbeitet werden müssen. Ob es nun die Soundkarte oder der neue Transparent-Limiter ist: Der S4 MK3 liefert einen korrekten Ausgangspegel. 

Fenster zur Welt

Die kleinen Displays sind eine weitere gute Entscheidung. Da DJ für Traktor sowie seinen Laptop benötigt, steht ohnehin ein großer, hochwertiger Screen zur Verfügung. Ein zusätzliches Mäusekino auf dem Controller in Form ausufernd großer Displays ist eigentlich nicht notwendig. 
Ich habe im Laufe des Tests immer weniger auf den Computer geschaut, sondern mich auf die Infos verlassen, die mir die Oberfläche des Controllers anbietet: die Stellung der physikalischen Bedienelemente, die rotierenden Jogwheels und die wenigen äußerst relevanten Display-Informationen, die mit einem kurzen Blick zu erfassen sind, ohne mit den Augen auf dem Laptop-Screen herumirren zu müssen. 
Am Ende ertappte ich mich, dass ich das Laptop-Display nur noch zum Browsen nutzte und zumeist der Full-View Browser-Screen geöffnet war, weil der S4 MK3 mir sämtliche zum Spielen nötigen Informationen vermittelte, optisch wie haptisch.

Fotostrecke: 2 Bilder Die beiden Displays des Kontrol S4 MK3 sind groß genug, um alle relevanten Informationen anzuzeigen und klein genug, um nicht zu viel Platz und Aufmerksamkeit zu beanspruchen

Warum „Musik fühlen“ so wichtig ist Warum ist es eigentlich so wichtig für DJs und Musiker, die Musik zu „fühlen“? Eine kleine Idee bekam ich durch den hervorragenden und sehr empfehlenswerten Vortrag zu Tinnitus und Hörproblemen von Dr. Susan Rogers auf der Ableton Loop Konferenz in Berlin.
Prince’s ehemalige Paisley Park Toningenieurin weist unter anderem darauf hin, dass Musiker heutzutage sehr oft Musik durch die Augen wahrnehmen, indem sie auf Computermonitore starren und weniger die Ohren oder die Hände bemühen, um Klang zu beurteilen oder zu erzeugen. Dies führe zu einer Überbewertung von Musik durch den Sehsinn und vernachlässige den Hörsinn.
Was für Toningenieure und Studiomusiker gilt, ist noch wichtiger für Musiker und DJs in einer Bühnensituation. Mit Plattenspielern und Mischpult können wir auch im Dunkeln auflegen, wir fühlen die Position des Equalizers und wir hören den Effekt, den wir mit einem Filter-Cut erzeugen. Vor allem aber wird unsere Aufmerksamkeit nicht ständig durch einen großen Screen abgelenkt., der für uns relevante Informationen parat hat. Jeder kennt das: Wenn man in einem Raum ist, wo ein Fernseher läuft, schaut man unwillkürlich dorthin, ob man will oder nicht.
Meine Erfahrung mit der neuen Traktor-Kombi: Der Laptopscreen hat durch das dunklere Layout nicht mehr so eine übergroße Anziehungskraft und der neue Controller vermittelt mir durch sein Layout und die direkt neben den wichtigsten Funktionen platzierten Displays alle notwendigen Informationen, um dem Hören und Fühlen der Musik den Vorzug zu geben, weniger auf den Laptop zu starren und mehr mit dem Publikum zu interagieren. Und das ist vielleicht das Beste, was ich über den Traktor Kontrol S4 MK3 bereits nach einem Wochenende sagen kann. 

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Profilbild von Robert Pasec

Robert Pasec sagt:

#1 - 18.12.2018 um 19:41 Uhr

0

schön dass dieser Controller nach dem etwas verhaltenen Start von Traktor Pro auch auf der ToDo Liste von VirtualDj steht. Zumindest ne alternative ....

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