Praxis
Sound
Als Testorgel habe ich dem mini Vent eine frisch restaurierte Hammond A100, Baujahr 1961, vorgesetzt, die normalerweise über ein 122er und ein 147er Röhren-Leslie gespielt wird. Abgehört wird das Ganze über Kopfhörer, Studio-Nahfeldmonitore und eine mittlere Gesangsanlage. Nach dem Anschließen fällt sofort auf, dass der Kleine wie sein großes Vorbild nicht stumm ist, sondern das Drehgeräusch der Rotoren auch dann produziert, wenn man nicht spielt. Ein sanftes, angenehmes Rauschen wandert von links nach rechts. Da kommt sofort Leslie Feeling auf, sogar mit Kopfhörer! Hier wurde sehr detailgetreu gearbeitet.
Hören wir uns zunächst die Werkseinstellung der beiden Settings an. Setting A hat mit mittleren Werten für Drive und Distance einen weichen, jazzigen Klang, während Setting B mit viel Drive und höherem Mikrofonabstand sehr rockig klingt.
Der Grundsound des mini Vent fällt sofort äußerst angenehm ins Ohr: Er ist sehr voll, rund, weich und warm. Im STOP-Mode bleiben beide Rotoren immer nach vorne gerichtet stehen. Drehen sich die Rotoren langsam, produziert er einen extrem breiten und schwebenden Effekt. Beschleunigt er auf FAST, beginnt der Sound angenehm zu flattern ohne irgendwie künstlich zu klingen oder zu „eiern“. Genau so soll es sein. Bravo!
EDIT-Mode
Um die beiden Settings A und B in den Parametern „Drive Intensity“ und „Distance“ zu editieren, muss man sich in den EDIT-Mode begeben. Dazu hält man beim Einschalten den Slow/Fast-Taster drei Sekunden lang gedrückt. Danach kann man die beiden Parameter mit den beiden Fußtastern verändern. Durch wiederholtes Drücken des Bypass-Tasters steppt man durch die Werte für den Drive-Parameter. Analog funktioniert dies mit dem Slow/Fast-Taster für die Distance-Werte. Dabei zeigen die Lo/Hi-LEDs an, welcher Parameter gerade editiert wird. Den eingestellten Wert erkennt man am Blinken der Parameter-LEDs: Je höher der Wert ist, desto schneller blinkt die LED. Der Höchstwert wird durch Leuchten der jeweiligen LED signalisiert. Sehr angenehm ist, dass man durch Drücken auf den A/B-Taster während des Editierens zwischen den Settings hin- und herschalten kann, ohne dass dabei die bereits vorgenommenen Einstellungen verloren gehen. Sind alle Parameter-Einstellungen angepasst, drückt man beide Taster gleichzeitig für zwei Sekunden. Der mini Vent speichert die Settings und kehrt zurück in den Play Mode.
Leider gibt es für den Edit-Mode und seine Parameter keine Beschriftung auf dem Gehäuse, sodass ein Blick in die Anleitung anfangs unumgänglich ist. Auch gibt es keine separate optische Anzeige für den Edit-Mode, den man nur daran erkennt, dass sich das Blinken der Lo/Hi-LEDs verändert. Da muss man schon genau hinschauen. Außerdem lässt sich der Effekt nur im Slow-Mode bearbeiten, da ja der Slow/Fast-Taster im Edit-Mode für den Distance-Parameter zuständig ist. Will ich die vorgenommenen Einstellungen in der Stellung FAST anspielen und testen, muss ich die Einstellungen erst speichern und den Edit-Mode verlassen, also beide Taster zwei Sekunden lang gedrückt halten. Gefällt mir nicht? Also zurück in den Edit-Mode. Das bedeutet: Netzstecker ziehen, Slow/Fast-Taster gedrückt halten, Netzstecker einstecken, drei Sekunden warten, Einstellungen verändern, speichern, anspielen und so weiter. „Mal eben schnell“ ist anders.
Drive / Distance
Ungeachtet dieser etwas umständlichen Bedienung haben es die beiden im Edit-Mode veränderbaren Parameter soundmäßig in sich. Die Verzerrung – eine empfindliche Schwachstelle vieler anderer Leslie-Simulationen – ist beim mini Vent von hoher Qualität und verhält sich wie eine echte Röhrenverzerrung. Sie spricht nur bei entsprechend hohem Output der angeschlossenen Orgel an. Mittels des Input Gain Selectors kann man das Eingangssignal zwar grob justieren, jedoch hätte ich mir eine feinere Gain-Regelung mittels eines Potis gewünscht. Der Effekt produziert schöne harmonische Verzerrungen und hat den nötigen Biss in den hohen Lagen. Dabei klingt er kaum kratzig. Die 5-stufige Werterasterung ist so abgestimmt, dass sie von clean über angezerrt bis zur Rockröhre alle Soundfacetten ausreichend abdecken kann.
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Der Distance-Parameter regelt den Abstand der virtuellen Mikrofone vom simulierten Leslie und damit gleichzeitig auch die Intensität des Effekts. Ist der Wert am niedrigsten – stehen die Mikrofone also dicht an den Rotoren – dann klingt der Effekt wegen des stärkeren Stereoeindrucks am intensivsten. Der Sound gleitet im Stereopanorama sehr schön und deutlich von links nach rechts. Auf FAST entsteht so ein warmes Wabern. Je höher hingegen der Wert eingestellt wird, je größer der Abstand der Mikrofone zu den Rotoren also ist, desto unauffälliger ist der Effekt im Stereopanorama und wird daher weniger deutlich wahrgenommen. Jedoch ohne die angenehmen Schwebungen zu verlieren. Schlau gelöst!
Noch ein paar Worte zu den anderen üblicherweise einstellbaren Parametern des Rotoreffekts: Im Gegensatz zu anderen Rotorkabinett-Simulationen lassen sich beim mini Vent weder die Drehgeschwindigkeiten noch die Anlauf- und Abbremszeiten oder die Balance der beiden Rotoren verändern. Ein echter Nachteil ist das für mich nicht, da ich diese Dinge bei einem originalen Leslie auch nur eingeschränkt beeinflussen kann. Alle Geschwindigkeiten und Zeiten liegen im mittleren Bereich und sind vollständig praxistauglich. Natürlich ist es überflüssig zu erwähnen, dass diese für Bass- und Hornrotor dem Original entsprechend unterschiedlich sind. Die Balance zwischen Horn- und Bassrotor ist ebenfalls sehr ausgewogen. Bei Neo Instruments hat man bezüglich dieser Parameter also ein gutes Gespür bewiesen und eine praxisnahe Wahl getroffen. Anspruchsvolle Nutzer, die das alles im Detail einstellen möchten, haben zudem die Möglichkeit, auf den „großen“ Ventilator zurückzugreifen.