Praxis
Man könnte sich nun völlig damit begnügen, mal eine Orgel (in meinem Fall ein Clavia Nord Stage) an den Ventilator anzuschließen, ein wenig an den Einstellungen herumzuspielen und zu hören, was herauskommt. Mach ich natürlich und muss sagen: Viel! Da kommt sofort Freude auf. Der Sound lässt sich sehr vielseitig formen und begeistert direkt durch einen satten Druck. Gleich fällt auch auf, dass Hochtöner und Bass in der Simulation ganz eigenständig sind. Im Gegensatz zu den meisten Leslie-Effekten von der Stange wirkt das sehr lebendig, und man meint, vor allem die Wucht des Basslautsprechers körperlich zu spüren.
Aber die Erfahrung hat doch gezeigt, dass so manches Imitat zu überzeugen weiß, solange es nicht im direkten Vergleich gegen das Original anzutreten hat. Genau das können wir also dem Ventilator nicht ersparen. Andererseits ist natürlich auch der Vergleich zu anderen Simulationen nicht uninteressant. Sicherlich wäre ein Vergleich mit möglichst vielen anderen Vertretern der Nachahmungszunft (also z. B. Rotosphere, Roland RT-20, Electro-Harmonix Wiggler etc.) spannend, aber das sei den Kollegen von der Grundlagenforschung überlassen. Ich beschränke mich hier auf einen weiteren Kandidaten, nämlich den Leslie-Effekt des Nord Stage. Der hauseigene Effekt des Keyboards ist schließlich die handlichste Lösung. Sollte sich also herausstellen, dass dieser dem Ventilator oder gar dem Original ebenbürtig ist, wäre er ganz klar erste Wahl.
Mit wissenschaftlichem Eifer schreiten wir also zur Tat und stellen gleich fest: So leicht ist es gar nicht, einigermaßen vergleichbare Ergebnisse zu produzieren. Zunächst ist noch alles naheliegend. Auf dem Nord Stage schrauben wir einen passablen Orgel-Sound zurecht, der für alle drei Kandidaten das Ausgangsmaterial bildet. Faire Bedingungen, sollte man meinen. Der Clavia-interne Effekt wird natürlich einfach stereo aufgenommen, beim Ventilator geht es mono aus dem Nord Stage in die Box und wiederum stereo aufs Band.
Vertrackter wird es, wenn das echte 122er Kabinett ins Spiel kommt. Natürlich ist bei unserer Anordnung ein Leslie mit Line-in Pflicht (sowieso eine schöne Sache!), denn dem normalen 9-Pol-Anschluss haben wir ja nichts zu bieten. Die Hochtonspeaker des Leslie nehmen wir mit einem Royer SF24 Stereo-Mikrofon an einem Chandler TG2 Preamp auf, um die Bassbox kümmert sich ein Royer R122 an einem Earthworks 1022 (Engineer: Phil Kullmann, Raw Artistic Studio, Köln). Zwei Mics an den Hochtönern, eines für den Bass, genau das Recording-Setup, das der Simulation im Ventilator zugrunde liegt.
Allerdings zeigt sich schnell, dass die Ergebnisse schwer zu vergleichen sind, da sie sich im Frequenzspektrum zu sehr unterscheiden. Zwar liefern die Royer Mics ein extrem authentisches akustisches Abbild, aber schließlich geht es auch beim Recorden analoger Klassiker nicht primär um Flat-EQ, sondern darum, dass es fein klingt. Deshalb springen wir über den Testerschatten, binden die Hände im Rücken los und greifen ein wenig zu den EQs der SSL-Console, um zunächst dem echten Leslie zu etwas mehr Höhen zu verhelfen. Anschließend gleichen wir Nord Stage-Leslie- und Ventilator-Recording so an, dass sie frequenztechnisch dem 122er nahe kommen. Schließlich geht es bei Simulationen ja doch darum, irgendwie das Original zu erreichen.
Für dich ausgesucht
Nun aber zu den Früchten der Arbeit. Den Anfang macht das Original:
Das ist also die Messlatte. Den schönen Schmutz, wie Raumgeräusche und Knackser der Mechanik, erwarten wir von den digitalen Kollegen natürlich nicht. Aber den Druck, die komplexen Modulationen des Sounds und das feine Stereo-Bild wünschen wir uns schon.
Hier nun die komplett Nord Stage-interne Lösung:
Tja, für sich betrachtet hat die Kombi für meinen Geschmack immer einen ganz guten Job gemacht. In dieser Gegenüberstellung werden aber die Grenzen des Clavia-Effekts deutlich. Zwar liefert er bei schneller Rotorgeschwindigkeit ein passables Tremolo im Breitwand-Format. Aber besonders bei langsamer Rotation wird das Ganze doch recht flach. Vor allem die Basstrommel kommt überhaupt nicht zu ihrem Recht. Wo sich im 122er unter 800Hz richtig was regt, sind beim Clavia eher stehende Töne zu haben. Alles in allem eine brauchbare (Bühnen-)Lösung, jedoch sprichwörtlich ohne viel Tiefgang.
Und nun der Ventilator:
Sofort fällt auf, dass hier mehr Leben in der Bude ist. Speziell die Basstrommel wirkt nicht so hüftsteif wie beim Clavia. Es grummelt und pfeift wirklich imposant. An die akustische Komplexität des Originals reicht es für meine Begriffe nicht ganz heran. Aber hier verschafft die gute Akustik des Aufnahmeraums dem 122er auch einen klaren Vorteil. Dennoch muss man sagen: erstaunlich nah dran!
Zum Thema Raum muss man noch folgendes erwähnen:
Während man im Studio gerne die Raumanteile eines Leslies aufnimmt, freut man sich im Livebetrieb über ein möglichst trockenes Signal, da jedes Quäntchen Raum an der Durchsetzungsfähigkeit der Orgel nagt. Deshalb hat sich Guido Kirsch wohl auch dazu entschieden, auf zusätzliche Raumsimulationen zu verzichten.
Zuletzt interessiere ich mich noch für die Distortion-Möglichkeiten der drei Varianten.
Die drei Zerren klingen doch ziemlich unterschiedlich, was es schwer macht, einen vernünftigen Vergleich zu ziehen. Auch der Grad der Verzerrung variiert. Hier setzt sich die Tendenz aus dem »cleanen« Aufeinandertreffen fort: Der Clavia-Effekt wirkt etwas dünn und plakativ, während der Ventilator neben dem Original eine gute Figur macht. Auch wenn die Zerre des 122ers etwas anders klingt, weiß doch der digitale Nachbau mit einer satten Röhren-Verzerrung zu gefallen, die dem Ganzen Biss verleiht, ohne den Sound zu Transistorstaub zerfallen zu lassen.
M Ernst sagt:
#1 - 09.01.2012 um 04:47 Uhr
Bisher habe ich meine B3 natürlich über 122er oder 147er gespielt. Und in kleinen Räumen und im Studio ist das auch weiter meine erste Wahl. Aber in letzter Zeit Nutzer ich den Neo Ventilator auf der Bühne. Da ich in der großen Besetzung meine Orgel mehr aus dem Monitor als aus dem Leslie höre, hat der Neo die Nase vorn:
- weniger unkontrollierbarer Lärm auf der Bühne
- die Kollegen können die Lautstärke des Orgelsounds selbst bestimmen
- der FOH hat die Orgel jetzt unter Kontrolle
- sogar für mich ist die B3 so lauter (kein Feedback mehr, keine Klangeinbußen durch Frequenz- Basteleien wg. Feedback)
- der Sound ist irgendwie definierter
- Distortion perfekt unter KontrolleWenn ich bei "kleinen" Gigs anstelle der B3 mit der XK-3c unterwegs bin, rettet der Neo Ventilator mir den Abend ;-)