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Netzwerken für Musiker – ein Appell

Das Thema Networking oder Netzwerken liest sich immer furchtbar business-mäßig und mysteriös, ist aber für kaum eine andere Branche so wichtig wie für die Musikbranche. Aus diesem Grund befassen wir uns in diesem Artikel genauer mit dem Networking für Musikerinnen und Musiker.

(Bild: © Shutterstock, Foto von: Rawpixel.com)
(Bild: © Shutterstock, Foto von: Rawpixel.com)

Es ist ein Paradoxon: Als Bands stehen wir gemeinsam auf der Bühne, im Studio agieren wir gerne mal mit ganz vielen unterschiedlichen Leuten und Spezialisten an ihren Instrumenten, aber was unseren “Berufsweg” angeht, sind wir Musiker*innen doch eher Einzelkämpfer*innen. Man kann darüber spekulieren, ob es mit der Freiberuflichkeit einhergeht, aufgrund derer man ja irgendwo gucken muss, wo man bleibt oder an den Grundsätzen der Major-Labels, die mantra-artig gerne betonen, nur ein gutes Pferd im Stall einer Musikrichtung zu haben und dann ähnliche Künstler*innen anderen Labels gegenüber konkurrierend zu positionieren. Das Signal: Es ist nur Platz für eine Band im Genre!
Mit ein bisschen Abstand und Objektivität kann man sagen: Beides völliger Quatsch und ein bisschen mehr Pfadfindergrüppchen-Sein würde uns nicht schaden.

Das große Ganze sehen

Als Künstler*innen kreisen wir ganz schön viel um uns selbst. Songs schreiben, üben, sich um unsexy Themen wie Buchhaltung kümmern, Booking und die übergeordnete große Frage, wohin man künstlerisch eigentlich möchte. Dass es unseren Kolleginnen und Kollegen ganz genauso geht, vergessen wir bei aller Egozentrik gerne. Das ist einerseits nicht besonders sozial und andererseits auch ganz egoistisch gesehen doof. Die beiden Phrasen “Geteiltes Leid ist halbes Leid” und “Geteilte Freude ist doppelte Freude” kann man wunderbar auf unsere Kollegenschaft beziehen.
Wer gemeinsam plant und gegenseitig aneinander denkt, wenn es um Empfehlungen geht, kommt weiter – und zwar alle Beteiligten. Ein paar Beispiele: Ihr werdet für ein kleines Festival angefragt? Super, fragt doch, ob die Veranstaltung noch nach passenden Acts sucht und empfehlt eure Netzwerkpartner weiter! Ihr könnt einen Gig spielen, der zwar schön, aber nicht besonders gut bezahlt ist? Kein Problem, wenn ihr euch so gut untereinander vernetzt habt, dass sich zum Beispiel zwei Acts eine eingespielte Bandbesetzung teilen könnten. Ihr bringt ein neues Video heraus? Eine gelungene PR-Aktion, wenn deine Kolleginnen und Kollegen das Video teilen und euch so Reichweite schenken. Und wie gut ist es bitte, jemanden anrufen zu können, wenn man bei einem Veranstalter ein doofes Gefühl hat und einen Rat braucht? Eben.
Tipps, wie du deine Gagen verhandelst, findest du hier:

Die Bedingungen für Künstler*innen sind schwer genug und alleine kaum bis gar nicht zu bewältigen. Also lasst uns zusammenhalten.

Netzwerken – wie denn?

Die Frage, wie man über seine Band hinaus sein Netzwerk aufbaut, ist naheliegend und auch genauso einfach erklärt. Eigentlich ist es wie beim Dating, nur viel einfacher, weil deine Kolleginnen und Kollegen sich freuen, mit anderen Musiker*innen ins Gespräch zu kommen und der erste Schritt somit viel leichter fällt: Geh raus! Sei offen! Sprich Leute an!
Über Facebook und Instagram ist es so einfach wie nie, andere Musiker*innen aus deiner Stadt zu finden und sich mit ihnen zu connecten. Wir alle wissen, wie viele unbekannte und dubiose Anfragen man bei Facebook bekommt, daher sei bei Freundschaftsanfragen über Facebook vorausgeschickt, dass es immer einen besseren Eindruck macht, die Anfrage mit einer kleinen Nachricht zu verknüpfen à la “Hey, ich bin soundso und finde super, was du machst. Ich würde mich freuen, wenn wir uns hier verbinden könnten” oder so ähnlich.
Bei Facebook gibt es viele geschlossene Gruppen für allerhand Interessensgebiete und zwar auch für Musiker*innen, die sogar in noch kleinere Interessengruppen unterteilt werden. So gibt es Gruppen für die Frauen in der Musikwelt (bspw. musicHHwomen oder Hey Ladies) oder bestimmte Instrumentengruppen (PedalBoard Gruppe), Hochzeitssänger*innen, usw. Diesen Gruppen kann man sich zum Lesen, Diskutieren und Vernetzen wunderbar anschließen oder – wenn man eine neue Idee für ein Netzwerk hat – einfach selbst eine gründen.
Außerdem könnt ihr ganz gezielt zu zweit auf Events/Festivals/Panels gehen, um euch gegenseitig Leuten vorzustellen, die der jeweils andere noch nicht kennt. So verdoppelt ihr beide euren Kontaktestamm!
Genauso gut trifft man andere Musiker*innen auf lokalen Konzerten, Sessions und klar – spielt eine Band, die du kennst, ist es doch auch total legitim, mit ihr nach ihrem Konzert anzustoßen und sie anzusprechen. Und: Wir Musiker*innen freuen uns auch, uns auf einen Kaffee zu treffen und über unsere kleine Musikwelt zu sprechen.
Du wirst sehen, nach einigen Monaten Umtriebigkeit hast du viele neue Leute kennengelernt.

Wie baue ich ein eigenes Netzwerk auf?

Ich habe mir vor nicht allzu langer Zeit Gedanken darüber gemacht, warum sich ausgerechnet Sänger*innen gar nicht so gut vernetzen wie Instrumentalisten (zumindest in Hamburg). Vielleicht liegt es daran, dass sich unsere Bandmitglieder untereinander öfter in anderen Bands vertreten und das bei Sänger*innen als Hauptacts naturgemäß nicht so oft passiert. Aber – wieso geben wir zum Beispiel nicht den guten Kontakt einer Gesangskollegin oder eines -kollegen weiter, wenn wir einen Termin nicht spielen können und lassen ihn eher verfallen? Wieso helfen wir uns nicht gegenseitig beim Orga-Monster Booking?
Wer sich über Strukturen ärgert, kann diese (zumindest im Kleinen) ändern. Um aus meiner Erfahrung zu sprechen: Ich habe alle möglichen Sängerinnen zusammengetrommelt, die ich kannte. Daraus entstand ein Stammtisch und ein Kollektiv an Künstlerinnen, die mittlerweile eine regelmäßige medienwirksame Konzertreihe spielt und sich auch sonst hilft, unterstützt, weitervermittelt, vertritt und über die auch Freundschaften entstanden sind. Was ich damit sagen will: Trau dich, Leute zusammenzubringen. Das kann jeder.

Nicht aufrechnen oder Netzwerken ist keine Bilanz

Ganz wichtig: Erfolgreich netzwerken bedeutet nicht, dass man eine gute Tat gegen eine andere auf einer Strichliste abhakt. Wer so vorgeht, wirkt schnell opportunistisch und es ist auch schwer durchzuhalten, mit Leuten gut zu netzwerken, die man nicht mag. Die Grundvoraussetzung für ein gutes, erfolgreiches Netzwerk ist, Leute zu unterstützen, die man nett und fachlich super findet und sich mit ihnen zu verbandeln. Dafür ist auch ein Vertrauensvorschuss beiderseits notwendig. Unehrliches und zweckgebundenes Handeln geht nicht lange gut. Und genauso frustrierend kann es sein, wenn man nach einer kleinen Empfehlung zeitnah eine Gegenleistung erwartet. Es liegt in der Natur unseres Geschäfts, dass man nicht sofort alles “zurückhonorieren” kann und natürlich kann es auch mal sein, dass der eine ein paar mehr Gefallen bekommt als der andere. Das fällt für einen aber oft gar nicht ins Gewicht, wenn man selbst beim anderen bspw. ein bisschen Equipmenthilfe, anderes Know-How oder oder oder bekommt. Natürlich ist es wichtig, dass wir das Gefühl haben, unser Netzwerk funktioniere ausgewogen, wir Tipps und Hilfe bekommen und dies aber eben auch an anderer Stelle weitergeben können. Das Gefühl stellt sich aber von alleine ein und wenn es zu einseitig wird und man sich dabei unwohl fühlt, justiert man einfach sein Handeln ohne dabei ein nöliger Behördenmensch zu werden. Denn ausgenutzt werden muss auch keiner und einen Anspruch auf deine Person kann niemand erheben.

Sei neugierig

Statt zu Hause zu sitzen und sich den Kopf darüber zu zerbrechen, “wie andere das so machen”, kann man auch offen sein und ganz einfach fragen. Deine Neugier kann für dein Gegenüber absolut schmeichelhaft sein! Wenn du gerne wissen möchtest, wie andere ihren Weg im Musikbusiness so gehen, erzählen sie dir sicher davon. Auch über Songwriting-Techniken, Übungsroutinen, Sorgen und Ängste kann man sich wunderbar austauschen, wenn man denn über seinen Schatten springt und fragt. Gerade wir Deutschen trauen uns ja oft nicht, um Dinge zu bitten oder Fragen zu stellen, weil wir uns zu sehr sorgen, “wie das denn aussehen könne/ob der andere das überhaupt möchte/…”. Meine ganz persönliche Erfahrung zeigt: Ohne viele Menschen, die ich gerade am Anfang meines musikalischen (Berufs-)Lebens um Rat, Ideen und Know-How gefragt habe, wäre ich heute bei Weitem nicht dort (also aktive Berufsmusikerin), wo ich bin. Und oft habe ich erlebt, dass wir viel öfter eine Antwort oder nette Unterstützung bekommen als wir vermuten. Wenn wir uns nicht trauen zu fragen, wird die Antwort auf die Frage immer “Nein” lauten. Daher gib dir einen Ruck und stelle Fragen, auch wenn sie dir noch so doof vorkommen mögen.
Eure Nina

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von nina.graf

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