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Neue Sounds und Effekte durch unkonventionelle Kombinationen

Heutzutage ist die Vielfalt an Effekten für Tasteninstrumente kaum zu überblicken. Vor allem, weil sich zusätzlich auch viele Gitarren-Effekte für Keyboards eignen. In den vielen Jahrzehnten der (Pop)-Musik und Musikproduktion haben sich einige Effekte etabliert, die oft mit bestimmten Instrumenten genutzt und assoziiert werden. Ein Rotary-Effekt haucht einer (Hammond)-Orgel schon seit den 1940er Jahren Leben ein, ein balladenhaftes E-Piano erfreut sich an einem warmen Tremolo-Effekt. Als Keyboarder erwische ich mich immer wieder dabei, diese Klischees zu bedienen und nicht wirklich weiter oder neu zu denken. Wer sagt eigentlich, dass ein Rotary-Effekt nicht auch gut für Mellotron-Sounds geeignet ist und im Gegenzug ein Tremolo einer Orgel gefallen könnte? Wir zeigen euch einige Ansätze, wie ihr teilweise eingestaubte Klischee-Effekte neu nutzen und zu Unerhörtem kombinieren könnt, getreu des Mottos: Alte Effekte – Neue Sounds!

Feature: Neue Sounds und Effekte durch unkonventionelle Kombinationen (Foto: Shutterstock von Aaron Amat / Von: cylnone)


Rotary / Leslie

Der Rotary-Effekt basiert auf einem in einem Gehäuse befindlichen montierten Zwei-Wege Lautsprechersystem (Hochton und Tiefton), deren Schallabgabe durch zwei rotierende mechanische Schallumlenkungs-Systeme in der 360-Grad erfolgt. Dadurch erhält die sonst statische Klangquelle eine ganz besondere Räumlichkeit, die durch die physikalischen Eigenschaften des Doppler-Effekts entsteht. Die Rotations-Geschwindigkeit ist in der Regel in zwei Geschwindigkeiten, ‚Chorale‘ (langsam) und ‚Tremolo‘ (schnell), wählbar. Da die bekanntesten Rotary-Speaker von der Firma „Leslie“ gebaut wurden, wird der Begriff „Leslie-Speaker“ auch oft als Synonym für den Rotary-Effekt verwendet.
Mittlerweile gibt es natürlich diverse digitale Simulationen dieses Effekts. Am ehesten verbindet man ein Leslie in Kombination mit einer (Hammond)-Orgel, deren sonst recht statischer Sound durch den Effekt zu schweben oder zu flirren beginnt, je nach gewählter Geschwindigkeit. Der Sound beginnt zu leben. Zusätzlich sorgt eine leichte Oberton-Verzerrung für eine angenehme Patina im Klangbild. Dieser Effekt sollte keineswegs nur einer Orgel vorbehalten werden, sondern funktioniert neben einer E-Gitarre auch fabelhaft mit anderen Flächen-Sounds wie Mellotron, Strings oder einem Synth-Pad. Selbst ein Klavier oder ein E-Piano klingt mit Rotary-Effekt dreckiger, etwas mystisch und angenehm ungewohnt. Der Effekt kann sehr gut in Erwägung gezogen werden, wenn beispielsweise in einem Pop-Song ein wenig Schmutz und Bewegung gebraucht wird, ohne dass man gleich das Klischee der Hammond-Orgel auspacken möchte. 

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Mellotron + Leslie-Effekt Piano + Leslie-Effekt Synthesizer-Pad + Leslie-Effekt
Fotostrecke: 3 Bilder Neo Instruments Ventilator II (Foto: Thomann)

Die bekanntesten Leslie-Effektpedale auf dem Markt sind derzeit Ventilator II, mini Vent II von Neo Instruments und Electro Harmonix Lester K.

Neo Instruments Ventilator II    Produktseite auf Thomann.de
Neo Instruments mini Vent II    Produktseite auf Thomann.de
Electro Harmonix Lester K    Produktseite auf Thomann.de

Tremolo

Einer der bekanntesten und etabliertesten Effekte für E-Gitarre und E-Pianos in Sachen Lautstärke-Modulation und Panorama ist der Tremolo-Effekt. Dank der einstellbaren Modulations-Geschwindigkeit funktioniert ein Tremolo sowohl als softer Bewegungs-Lieferant für Balladen-Sounds, kann aber auch bei schnelleren Soul-Songs punkten. Und eben auch in ganz anderen Einsatz-Gebieten, wo man es leider viel zu selten hört. So beispielsweise bei akustischen Pianos oder auch Orgel/Flächen-Sounds. Je nach Einstellung erinnert ein Tremolo fast an einen LFO aus einem Synthesizer, den man nun auf alle möglichen Klänge anwenden kann.

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Piano + Tremolo Orgel + Tremolo Mellotron + Tremolo

Eine weitere interessante Kombination ist die Schaltung eines Reverb-Effektes vor (!) das Tremolo. Somit wird der Hall moduliert, was fast wie ein Delay anmutet, aber schließlich doch recht einzigartig ist. Oft ist es also auch nicht nur die Wahl der Effekte, sondern auch deren Reihenfolge und Anordnung, die besondere Klänge entstehen lässt. 

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Piano + Reverb vor Tremolo
Fotostrecke: 2 Bilder Electro Harmonix Super Pulsar (Foto: Thomann)

Wirklich gute Tremolo-Effekte bieten z. B. das Electro Harmonix Super Pulsar und das Source Audio Vertigo Tremolo Effektpedal. 

<b>Electro Harmonix Super Pulsar</b>    Produktseite auf Thomann.de
<b>Source Audio Vertigo Tremolo</b>    Produktseite auf Thomann.de

Weitere spannende Ansätze, den Tremolo-Effekt kreativ einzusetzen, bietet auch unser Workshop „Tremolo“-Groove von Thomas Dill.

Octaver

Zuletzt haben Rock-Acts wie „Royal Blood“ oder die „Rival Sons“ wieder einmal eindrucksvoll bewiesen, wie der Octaver-Effekt Gitarren und Bässe andicken und anreichern kann. Beim Octaver wird eine zusätzliche Oktave oberhalb und/oder unterhalb der Klangquelle generiert, die man dem Original-Signal beimischen kann. Das klingt dann in der Regel vor allem eines: Fett! Und das gilt auch für den Einsatz mit Pianos und E-Pianos, auch wenn der Octaver hier viel zu selten im Einsatz ist. Das „POG“-Effektpedal aus dem Hause Electro-Harmonix eignet sich besonders gut für Keyboards, da es sehr akkurat arbeitet und sogar polyphon ganze Akkorde harmonisieren kann. Zu letzterem dient bei einem Synth meist ein Sub Oszillator, den wir beim Klavier-Sound aber natürlich nicht einfach so dazu schalten können. Natürlich hängt es immer davon ab, ob Platz im Arrangement ist für einen derart angedickten Keyboard-Sound. Aber gerade für Duos ist der Effekt ein hilfreiches Mittel. Es klingt schnell, als würde man Oktaven auf dem Klavier spielen. In Wirklichkeit werden aber nur einzelne Töne gespielt und die restlichen Finger können nun andere Aufgaben übernehmen. 

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E-Piano + Octaver Piano + Octaver

Außerdem kann ein träumerischer Shimmer-Effekt erzeugt werden, wenn man der Originallage eine oder mehrere obere Oktaven beimischt und diese mit einem Reverb versieht. So spart man sich unter Umständen ein zusätzliches „Shimmer Reverb“-Pedal, wenn man bereits einen Oktaver besitzt. 

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Piano + Octaver und Reverb
Electro Harmonix Nano POG (Foto: Thomann)

Das Electro Harmonix Nano POG Effektpedal bietet enorme Möglichkeiten beim Einsatz mit unterschiedlichsten Instrumenten.

<b>Electro Harmonix Nano POG</b>

   Produktseite auf Thomann.de

Filter

Wird ein Rotary-Effekt am ehesten mit einer Orgel assoziiert, so denke ich bei einem Filter sofort an einen Synthesizer. Diesen Umstand kann man sich zur Nutze machen. Denn möchte ich meinem elektronisch angehauchten Song eine Retro-Note verpassen, erhalte ich beispielsweise durch einen Mellotron-Sound einen Flächen-Sound mit organischem Retro-Beigeschmack, der durch Zugabe eines Filters aber wieder in die elektronische Umgebung eingebettet wird. Ähnliches lässt sich mit E-Piano oder Orgel anstellen und macht gewaltig Spaß. Umgekehrt kann dank eines Filters auch Rock-orientierten Songs eine sanfte elektronische Note verpasst werden, ohne dass man direkt zum Synthesizer greifen muss.

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Mellotron + Filter E-Piano + Filter
Fotostrecke: 2 Bilder Moogerfooger MF-101

Beliebte Filter-Pedale sind etwa das Moog Moogerfooger MF-101, und wenn es etwas komplexer werden soll, kann auch zur Sherman Filterbank gegriffen werden.

<b>Moog Moogerfooger MF-101</b>

Sherman Filterbank 2

   Produktseite auf Thomann.de

Vocal Effekte / Vocoder

Wie der Name schon sagt, kennt man Effekte wie Auto-Tune oder Harmonizer vor allem aus dem Vocal-Bereich. Auch Keyboards sollen sich daran erfreuen können. Die Ergebnisse sind hierbei meist relativ unvorhersehbar und experimentell, wodurch sie interessant für Ear-Catcher und auffällige Lead-Sounds werden. Man hört, wie die Vocal-Prozessoren mit dem unbekannten Material kämpfen und es seltsam verfremden.

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Piano + Harmonizer E-Piano + Formant Shift Piano + Auto Tune
DAW-Interne Auto-Tune Programme wie „Pitch Correct“ in Steinbergs Cubase liefern interessante Ergebnisse, wenn man sie mal nicht wie gewohnt mit Stimmen, sondern mit Keyboard-Klängen füttert. (Screenshot: Tom Gatza)

Fängt man schließlich an, die vorgestellten Ansätze wiederum miteinander zu kombinieren, wird eine endlose Sounddesign-Kette losgetreten, bei der die abgefahrensten Klänge entstehen können. Spätestens dann hat man traditionelle Effekt-Klischees auf ein nächstes Level gebracht.

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Piano + Vocal Effects und Rotary
Fotostrecke: 2 Bilder Boss VE-500 Vocal Performer (Foto: Thomann)

Vocal-Effekte gibt es vorwiegend als Multieffekt-Pedale, die gleich mehrere Effekt-Arten miteinander vereinen, wie beispielsweise das BOSS VE-500 oder die Geräte der TC Helicon VoiceLive-Serie.

Boss VE-500 Vocal Performer    Produktseite auf Thomann.de
TC-Helicon VoiceLive 3 Extreme    Produktseite auf Thomann.de

Layer-Sounds neu definiert

Nicht nur Effekte lassen sich miteinander kombinieren. Im Gegensatz zu Gitarristen haben wir Keyboarder das große Glück, auf eine ganze Palette verschiedener Grundsounds zuzugreifen, die wir auch übereinanderschichten können: „Layer“-Sounds sind für den Leser dieses Artikels wahrscheinlich nichts Neues. Auch hier gibt es jedoch Klischees, mit denen man brechen kann. In nahezu jedem Keyboard finden wir Layer-Sounds wie Piano + Strings oder auch Piano + Orgel vor. Die klassischen Layers verbinden meist zwei oder weitere oft genutzte Klangfarben, die dann gleichzeitig verschiedene Rollen erfüllen (z. B. Piano = Melodie und Strings = Fläche). Subtiler, aber auch interessanter ist tatsächlich die Kombination von Klangfarben mit ähnlichen Charakter-Eigenschaften. Mischt man ein Rhodes E-Piano mit einem akustischen Klavier, so nimmt der Layer-Sound zwar weiterhin die Rolle eines Pianos ein, aber mit einem Augenzwinkern. Der Sound steht etwas zwischen den Stühlen und kann bestimmten Songs subtil einen eigenen Charakter verleihen. Ähnliches zu tun vermögen folgende Kombinationen: Flügel + Upright-Piano, Rhodes+Synth Bas, etc. Der Kreativität sind hier natürlich keine Grenzen gesetzt.

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Layer: E-Piano + Bass Synth Layer: E-Piano + Upright Piano

Inspiration durch Kombination

Als Keyboarder und Sounddesigner neigt man gern dazu, auf altbewährte Mittel und Sounds zurück zu greifen … Der interne Arpeggiator hat schon immer funktioniert und wird es auch diesmal tun! Es kommt, wie so oft, dass sich einige dieser Mittel mit der Zeit abnutzen, und man irgendwann schmerzlich feststellt, dass die Inspiration auf Dauer darunter leidet. Um neue Impulse und Ideen für eure Songs und Instrumentals zu erhalten, könnt ihr eure Soft- und Hardware unkonventionell nutzen und kombinieren. Was passiert beispielsweise, wenn man den Sequenzer einer Drum Machine per MIDI an seinen Synth schickt? In jedem Fall Dinge, auf die man so ohne weiteres nicht gekommen wäre. In DAW‘s wie Ableton Live oder Steinberg‘s Cubase lassen sich jegliche Aufnahmen in MIDI-Dateien umwandeln. So wird beispielsweise aus einer Gitarre im Handumdrehen ein Lead-Synth und umgekehrt. All das bringt euch zu Klängen, die sich von Klischees vergangener Jahrzehnte absetzen, und den Weg öffnen, für euren eigenen Sound und dessen zukünftige Entwicklung. 

Audio to MIDI conversion in Ableton Live

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In DAW’s wie Ableton oder Cubase lassen sich Audio-Dateien im Handumdrehen in Midi-Dateien umwandeln. (Screenshot: Tom Gatza)

Schlusswort

Aufgrund der extremen Vielfalt an Effekten und Klangfarben kann dieser Artikel nur Ansätze liefern, wie sich Effekte neu kombinieren lassen können. Die Grenzenlosigkeit an Kombinations-Möglichkeiten ist jedoch ein erfreulicher Anlass für eine ausgiebige Forschungs-Expedition in die Welt der Effekte und Klangfarben. Wie man merkt, hilft es dabei, mit Klischees und Bestehendem zu brechen und so zu neuen Erkenntnissen und Sounds zu kommen.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Herumprobieren! Wenn ihr selbst noch Ideen für ungewöhnliche Effekt-Kombinationen habt, schreibt gerne in die Kommentare.
Weitere hilfreiche Literatur findet ihr hier:

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von Tom Gatza

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