Praxis
Hier geht es um Emotionen, die der Klang mit sich bringt
Es ist immer sehr schwierig, den berühmt-berüchtigten Vintage-Röhrensound vergangener, goldener Tage mit Worten zu beschreiben. Wir kennen diesen Sound alle und haben ihn auf unzähligen Produktionen in unseren CD/Platten-Regalen oder der iTunes-Bibliothek. Aber kennt ihr das, wenn ihr ein Feeling, das ihr jederzeit abrufen könnt, weil es euch schon lange begleitet oder ihr es eben sehr gut kennt, beschreiben sollt? Es ist eben ein Gefühl. Was ist denn beispielsweise das Tolle am Rolls-Royce-Fahren? Klar, viel Platz, luxuriöser Komfort, aber da ist doch eben noch mehr, was etwas mit Emotionalität zu tun hat. Und genauso ist es eben auch bei dem Sound, den das M 149 Tube vermittelt, hier geht es auch um Emotionen, die dieser Klang mit sich bringt. Ich versuche es trotzdem, mit möglichst „nüchternen“ Worten zu beschreiben, auch wenn ich im Prinzip jetzt schon weiß, dass ich es nicht zu 100% schaffen werde. Von daher lege ich euch an dieser Stelle noch mal dringend ans Herz, euch die unkomprimierten Original-Audiofiles (96kHz/24Bit) herunterzuladen und diese über eine vernünftige Abhöre oder hochwertige Kopfhörer laufen zu lassen – ihr werdet dann sicherlich wissen, wovon ich rede.
Neutralität ist dem Röhrenmikrofon fremd – und sogar erwünscht
Wie alle anderen Mikrofone in diesem Testmarathon der Open-End-Klasse klingt auch das M 149 nicht neutral, und genau wie die anderen möchte es das auch gar nicht. In der Regel entscheidet man sich ja auch genau deswegen für ein Röhrenmikrofon, um eben genau diese Färbungen und Übertragungseigenschaften zu erhalten. Sehr charakteristisch sind auf jeden Fall die Höhen, die mich immer wieder an Samt und Seide erinnern – ich kann diese Formulierung zwar so langsam selbst nicht mehr hören, aber es beschreibt die Art und Weise immer noch am besten. Ich versuche, es noch etwas zu präzisieren: Hohe Frequenzen können absolut offen übertragen werden, gleichzeitig jedoch schnell hart und kühl klingen, ich nenne das dann häufig „Kristall-Höhen“. Das ist eben hier nicht der Fall, denn die Höhen sind auch nach oben sehr offen, vermitteln aber eine gewisse warme Brillanz. Ihr könnt das sehr gut in den Audio-Files unserer beiden Sängerinnen Bahar und Alice hören. Achtet auch mal auf die Atemgeräusche, die durch diese gewissen Höhen-Präsenzen zu einem künstlerischen Element werden. In den Mitten löst das Mikrofon extrem gut und differenziert auf, und zwar so gleichmäßig und breitbandig, dass die Übergänge zwischen Bässen und Mitten bzw. Höhen und Mitten quasi nicht vorhanden sind, es wirkt wie aus einem Guss. Anders als bei manch anderem Vertreter unseres Vergleichstests geht das Neumann sehr gutmütig mit S- und T-Lauten um – man muss sich schon Mühe geben, um das Mikro in dieser Disziplin aus der Ruhe zu bringen. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Transienten nicht so ultraschnell übertragen werden, was dem Grundcharakter des M 149 auch vollkommen entgegenkommt. Diese Eigenschaft harmoniert übrigens auch sehr gut mit unserer deutschen Sprache bzw. Aussprache, die ja naturgemäß etwas „härter“ ist. Es nimmt einfach eine Portion Schärfe aus dem Signal. Die Bässe und tiefen Mitten liefern uns ein perfektes Fundament für den restlichen Sound. Hier klingt das Mikrofon durchaus voll und kräftig, aber nicht so voluminös wie z.B. die Bottle von Blue. Es ist eben ein anderer Charakter, der etwas zurückhaltender in den tiefen Frequenzen ist, wodurch der Umgang auch vereinfacht wird.
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Auch bei hohen Pegeln offener “mix ready” Sound
Bestnoten verdient sich Sir Neumann auch in Sachen Dynamik. Leise Passagen werden ebenso sauber, fein und detailliert wiedergegeben wie laute Passagen. Natürlich kommt mit steigendem Pegel ein Kompressionseffekt dazu, der aber so fein dosiert und ideal abgestimmt ist, dass man ihn eigentlich eher subtil wahrnimmt. Man merkt, dass das Signal dann weiter nach vorne kommt und direkter wird, aber niemals würde man den Klang mit komprimiert bezeichnen. Das Signal bleibt auch bei sehr hohen Pegeln noch absolut offen, und genau so soll es auch sein. Eine sehr gute Beschreibung des Gesamtsounds dieses Mikrofons ist sicherlich auch „mix ready“. Die Signale setzen sich auch ohne Einsatz von Kompressoren und EQs schon sehr gut im Mix durch, was eben auch wieder für die unglaubliche Präsenz spricht, die das Neumann überträgt.
TrickTrack sagt:
#1 - 24.03.2012 um 15:53 Uhr
Hey Bonedos,
echt ein super Test. Habe auch schon ein paar mal mit dem M149 aufgenommen und kann die Aussagen vom Autor nur bestätigen, das Teil ist ein Knaller. Die Sache mit den Plastikschaltern habe ich übrigens auch so gesehen, da wär Metall schon angebrachter.
MS sagt:
#2 - 16.02.2014 um 09:45 Uhr
Wie schlägst sich d. Micro in Instrumentenaufnahmen durch (z.B.a coustische Gitarre,Tambourin ) durch ?
Guido (bonedo) sagt:
#3 - 17.02.2014 um 17:02 Uhr
Hallo MS, das M149 Tube eignet sich für akustische Instrumente (z.B. Akustikgitarre) hervorragend. Ich habe selber schon sehr viele Recordings von Akustikgitarren mit diesem Mikro gemacht und war jedes Mal wieder von der Auflösung (insbesondere des Mittenbereichs), der angenehm seidigen Färbung der Höhen sowie der Dynamik begeistert. Ich hatte es aber auch schon vor einer Bassdrum (in ca. 1m Abstand zum Resonanzfell als zweites Bassdrummikro), an diversen Percussions (Congas, etc.) sowie an einem Flügel im Einsatz. Du siehst, das M149 ist durchaus sehr universell einsetzbar. Natürlich darfst du nie einen cleanen, neutralen Sound erwarten (dann solltest du besser zu hochwertigen Kleinmembran-Mikros greifen), aber das möchte man wohl auch nicht, wenn man ein Großmembran-Röhrenmonster wie das M149 einsetzt ;-)
Viele Grüße,
Guido