Neumann TLM 102 im Test: Wenn ein weiteres neues Mikrofon auf den ohnehin schon „kurz vor Überfüllung geschlossenen“ Markt kommt, sorgt das in der Regel nicht mehr automatisch für übergroßes Interesse. Aber Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel, und eine solche Ausnahme stellt definitiv der Mikrofonhersteller Neumann dar. Wenn die Berliner Traditionsfirma einen neuen Spross präsentiert, horcht man in Audiokreisen auch heute noch gespannt auf. Und wenn es sich bei dem neuen Mikrofon dann auch noch um eine taufrische Erweiterung des bestehenden Portfolios nach unten handelt, wächst das Interesse umso stärker.
Beim TLM 102 (so ist nämlich der Name des „Neuen“) handelt es sich um das preisgünstigste Großmembran-Kondensatormikrofon aus dem berühmtem Hause. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass ein Highend-Hersteller, der meint, er müsse auf einmal preislich auch Produkte im mittleren oder unteren Segment bereithalten, nicht zwingend auch ein amtliches Ergebnis präsentieren muss. Getreu dem Motto „Gebranntes Kind scheut das Feuer“ war ich dann auch etwas skeptisch, als mich die Pressemitteilung des TLM 102 erreichte. Denn ehrlich gesagt wurde ich von günstigeren Produkten renommierter Hersteller in der Vergangenheit schon häufiger mal enttäuscht und musste zu dem Schluss kommen: Nun gut, man möchte eben auch auf dem Massenmarkt präsent sein, auch wenn die Qualität nichts mit dem eigentlich von solchen Firmen gewohnten Standard zu tun hat.
Bevor ich mich nun aber zu sehr meinen Vorurteilen hingebe, lasse ich das TLM 102 doch lieber im Studio zeigen, was es kann – zumal es mit dem TLM 103 ja einen bewährten, professionellen und erstklassigen Paten hat (mich hat das 103er jedenfalls bei den verschiedensten Recordings schon sehr, sehr häufig zu 100% zufriedengestellt).
Quick Facts zum Neumann TLM 102
- preiswertestes Studio-Großmembranmikrofon von Neumann
- Richtcharakteristik: Niere
- sehr klein
- Made in Germany
Details
TLM 102: So klein und dennoch ein Großmembran-Mikrofon
„Das ist ja süß!“, so lautete der Kommentar von Alice, einer befreundeten Sängerin, die ich zum Praxistest des TLM 102 eingeladen hatte, als sie Neumann´s Neues zum ersten mal sah. Und in der Tat, ich muss Alice Recht geben. Diese Aussage trifft den Nagel auf den Kopf. Ok, man könnte „süß“ auch gegen „putzig“, „drollig“, „niedlich“, etc. austauschen oder einfach nüchtern sagen: Dieses Mikro ist wirklich ultra-kompakt. Man könnte aber zuerst auch erschrocken schreien: „Mamaaaa, ich habe das TLM 103 zu heiß gewaschen!“ Auch das TLM 103 ist ja für ein Großmembran-Mikro nicht gerade ein Riese (Durchmesser: 60 mm, Länge: 132 mm, Gewicht: ca. 500 g), aber gegen das TLM 102 wirkt es fast wie Goliath. Die Maße des 102er betragen gerade einmal 52 mm (Durchmesser) und 116 mm (Länge), und auf die Waage bringt es lediglich 260 Gramm – errechnete man aus diesen Daten den BMI (Body Mass (Mikrofon) Index), würde man sicherlich in Untergewichtsregionen landen.
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Erstklassige Verarbeitung und vielseitiger Einsatzbereich in der Praxis
Aber ganz im Ernst: unterm Strich wird man beim ersten Anblick des TLM 102 nicht unbedingt einen großen und kräftigen Sound erwarten. Doch beim zweiten Blick und vor allem beim Anfassen merkt man gleich, dass man es hier mit einem waschechten Neumann zu tun hat. Das Mikrofon ist absolut erstklassig verarbeitet und vermittelt sofort einen hochwertigen Eindruck (ganz so, wie man es von den größeren Verwandten gewohnt ist) – das hebt die Erwartungen an die Klangübertragungseigenschaften dann doch schon wieder deutlich. Der Mikrofonbody ist eine solide Vollmetallkonstruktion, ein hochglänzender Ring bildet den Übergang zum Mikrofon-Korb, der aus einem stabilen Drahtgeflecht besteht. Das TLM 102 ist in Schwarz und Nickel erhältlich und wird mit einem Stativgelenk geliefert. Demnächst wird es auch eine spezielle Spinne für dieses Mikrofon geben, die deutlich günstiger sein soll, als die bisherige Neumann-Spinne (der Preis für diese Spinne wird (deutlich) unter 100 EUR liegen). Am unteren Ende des Mikrofonkörpers befindet sich der sauber verschraubte XLR-Anschluss und ein präzise geschnittenes Gewinde, über das man das Mikro sicher mit der Spinne oder dem Stativgelenk verbinden kann.
Im TLM 102: speziell entwickelte Großmembrankapsel mit fester Nieren-Richtcharakteristik
Es scheint erst einmal fast unglaublich, dass in diesem kompakten Mikro eine Großmembrankapsel ihren Dienst verrichtet, doch nach der Abnahme des Mikrofonkorbs offenbart sich tatsächlich eine solche. Die Großmembrankapsel wurde speziell für das TLM 102 entwickelt und arbeitet mit fester Nieren-Richtcharakteristik. Schaut man sich das Frequenzdiagramm an, so sieht man bis ca. 6 kHz einen absolut linearen Verlauf. Ab dieser Frequenz gibt es eine Präsenzanhebung von ca. 4 dB. Die technischen Daten offenbaren keine großen Überraschungen, alles lässt auf einen reibungslosen, zuverlässigen und auch durchaus vielseitigen Praxiseinsatz schließen. Den Übertragungsbereich gibt der Hersteller mit 20 Hz – 20 kHz an, den Feldübertragunsfaktor mit 11 mV/Pa (@ 1 kHz an 1 kOhm), den Ersatzgeräuschpegel mit 12 dB(A), den Grenzschalldruckpegel mit 144 dB(SPL) (KTest des TLM 103 stillen – so ersparen wir uns an dieser Stelle eine Wiederholung und können gleich zur Tat schreiten, also ab ins Studio.
MHE sagt:
#1 - 14.09.2011 um 16:50 Uhr
Vielen Dank für deinen Test. Hab mich zwar nicht entschieden, aber besonders die soundbsp. helfen einem natürlich ungemein..!!
docmisdnite sagt:
#2 - 15.01.2012 um 22:41 Uhr
Wow, beeindruckend bei sehr ähnlichem Grundsound der Popschutz des kleinen 102ers!
Dave sagt:
#3 - 05.09.2013 um 19:54 Uhr
Bestes Preis/Leistungs-Verhältnis aller Zeiten.
banjogit sagt:
#4 - 01.10.2013 um 03:34 Uhr
Sehr gute Rezension.Lustig finde ich hingegen die Vermutung der Preis der Spinne würde DEUTLICH unter 100 EUR liegen.Momentan liegt die Spinne mit 111.- EUR deutlich ÜBER 100 EUR.Vielleicht war's ja nur ein Verschreiber?
Guido Metzen (bonedo) sagt:
#5 - 01.10.2013 um 09:34 Uhr
Hallo banjogit, danke für deinen Kommentar. Freut mich, dass dir der Test gefallen hat. Beim Preis der Spinne handelt es sich nicht um einen Schreibfehler - zum Zeitpunkt des Tests gab es die Spinne noch nicht, die Preisangabe wurde mir damals von Neumann genannt. Viele Grüße, Guido
RS93 sagt:
#6 - 01.02.2016 um 16:49 Uhr
Hallo, eine sehr gute Rezension, die meiner Meinung zum TLM 102 sehr nahe kommt! Mir gefällt das Soundbeispiel sehr gut, ich habe allerdings einen etwas anderen Sound mit dem TLM 102. Daher meine Frage:
Was habt Ihr denn für die Aufnahmen für eine 'Kette' gehabt?
Guido bonedo sagt:
#6.1 - 02.02.2016 um 08:27 Uhr
Hallo RS93,
danke erst mal für deinen Kommentar. Was die Aufnahmekette betrifft, so stellst du mich echt vor eine Aufgabe, da der Test ja schon eine Weile her ist. ;-) Ich habe aber mal recherchiert und kann dir auf jeden Fall sagen, dass als Preamp ein Focusrite ISA 428 zum Einsatz kam. Der Wandler war ein RME (hier weiß ich allerdings nicht mehr genau, welches Modell). EQ und Kompressor waren nicht im Einsatz.
Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig weiterhelfen.
Viele Grüße,
Guido (bonedo)
Antwort auf #6 von RS93
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenAlex Abedi sagt:
#7 - 08.08.2017 um 04:28 Uhr
ich bin ein fan von dem tlm 102. ich hab das tlm 103 wieder verkauft. mir gefaellt es einfach nicht. in dem audiobespielen kann man das auch sehr gut hören: die tiefmitten, müssten im mix auf jeden fall gecutet werden, das ist aber nicht das eigentlich problem das tlm 103, die hochmitten sind sehr extrem, es hat in den höhen auch etwas exciter-mäßiges, was man leider nicht raus eqen kann. wenn man das tlm 102 dagegen hört, fallen einem steine vom herzen, endlich ist dieser "verzerte" klang weg.