Neumann U 47 fet i im Test bei bonedo – Ein U, eine Vier, eine Sieben. In der Kombination sorgt das Kürzel U 47 für den Pawlow’schen Reflex vieler Tontechniker. Sie reißen die Augen auf, überschlagen sich geradezu vor Euphorie, wedeln in Kopfhöhe mit den Armen und ja: manche fangen sogar an zu sabbern.
Sicher, die meisten haben dabei das mittlerweile unerschwingliche Röhrenmikrofon U 47 im Sinn, welches mit seiner M7-Kapsel und der Telefunken-Stahlröhre VF47 eines der ganz großen soundprägenden Mikrofone war – und immer noch ist: In der Londoner Abbey Road gibt es eine zweistellige Zahl dieser Schätzchen.
In Ermangelung bezahlbarer Ersatzröhren ist das U 47 produktionstechnisch heute nicht mehr wiederzubeleben (auch wenn es Ansätze gibt, die wichtige Röhre anderweitig zu ersetzen). Das gilt so jedoch nicht für das ursprünglich von 1969 bis 1986 hergestellte U 47 fet, welches anstelle einer Röhrenschaltung einen namensgebenden Feldeffekttransistor („FET“) verwendet. Dieses Studiomikrofon lässt sich auch heute noch fertigen, und genau das tut Neumann wieder.
Details
Kiste, Mikrofon, Papierkram
In einer leicht auf Retro-Look getrimmten Pappschachtel verbirgt sich ein Holzkoffer, wie man ihn auch von anderen aktuellen Neumann-Mikrofonen kennt. Darin wiederum liegt in geformtem Schaumstoff das U 47 fet in einer Plastikhülle. Dem Paket sind ein kleines Manual und ein Zertifikat beigelegt – das war’s. Einen Mikrofonhalter oder eine Spinne gibt es nicht, denn ähnlich wie beim TLM 170 ist der Bügel festgebaut. Der Bügel ist wie alle anderen Gehäuseteile aus satiniertem Messingblech gefertigt.
Ebenfalls in alter Optik: Neumann-Raute
Auf der Vorderseite zeigt ein Neumann-Logo, dass es sich nicht um einen der verschiedenen Nachbauten des altehrwürdigen U 47 fet handelt, sondern um ein tatsächliches Neumann. Ein Nierenpiktogramm und das Nichtvorhandensein einer Patternumschaltung lassen erkennen, dass es sich bei diesem Mikrofon um eines mit fester Richtcharakteristik handelt.
Keine Veränderungen, also auch keine Verbesserungen
Auf der dem Logo gegenüberliegenden Gehäuseseite wird deutlich, dass sich der deutsche Mikrofonbauer aussuchen konnte, ob er die Fraktion der Traditionsverfechter gegen sich aufbringt („Das war beim Original aber anders!“) oder die, die der Meinung sind, man hätte doch wenigstens mal gewisse Ärgernisse aus dem Weg räumen können („Das ist ja jetzt immer noch so! Wieso ändern die das nicht?“). Daher sind die rückseitigen Schalter für das einpolige Hochpassfilter und das 10dB-Pad wie gehabt versenkt eingebaut und nur mit einem spitzen, schmalen Gegenstand umschaltbar. Das gilt ebenfalls für die im Fuß eingelassene zusätzliche 6dB-Absenkung. Eine wirklich abschließende Meinung habe ich dazu nicht, es behindert einerseits den flüssigen Betrieb, andererseits ist ein U 47 fet eben genau so. Aber das Klassikertum muss man nicht komplett aufgeben, ohne leichte, sinnvolle Veränderungen zu integrieren, wie es etwa Universal Audio bei der Re-Issue des LA-3A gemacht haben.
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K 47
Im Inneren des charakteristischen Maschengitters, dessen Form auch schon die alten U 47 und U 48 geziert hat, arbeitet eine aktuelle mittenkontaktierte „K 47“-Kapsel. Diese hat bei Neumann nach einiger Produktionszeit des Röhren-47ers die M7 abgelöst, welche auf anfälligerem PVC statt auf Mylar aufbaut wurde. Die ebenfalls sehr beliebte Kapselform findet man heute noch beim UM 92.1S der Neumann-Nachfolgergesellschaft aus Gefell. Die richtende Charakteristik der Kapsel wird durch eine rückseitige Passivmembran bewerkstelligt, somit ähnelt die Konstruktion umschaltbaren Großmembran-Kondensatoren, wie das ursprüngliche U 47 eines war. Das Polardiagramm des Nierenmikrofons zeigt typische Tendenzen zur Superniere bei den höheren Frequenzen.
Tilt und Dip
Der Frequenzgang des „neuen“ U 47 fet ist wie der des alten insbesondere durch zwei Eigenschaften geprägt: Einmal ist es die sanfte Neigung, die das Mikrofon trotz der großen und damit tendenziell recht behäbigen Membran recht frisch und höhenreich klingen lässt (wobei natürlich das Air-Band dennoch eine hohe Dämpfung erfährt). Dass der Bass eher etwas unterrepräsentiert ist, scheint sich mit der häufigen Verwendung eines U 47 fet als Outer-Bassdrum-Mikrofon und an Kontrabässen und Celli zunächst zu beißen. Allerdings hat bei geringeren Abständen bekanntlich der Proximity-Effekt ein Wörtchen mitzureden – und bei 100 Hz beträgt der gemittelte Pegelverlust gegenüber 1 kHz ein mickriges Dezibelchen. Auffälliger ist die zweite Eigenschaft, namentlich der Dip zwischen fünf und zehn Kilohertz, welcher den Signalen, besonders Stimmen, ihre Schärfe zu nehmen weiß.
Alte Technik – alte Werte
Ein Mikrofon nach seinen technischen Daten zu bewerten, ist in vielen Fällen nicht sonderlich angebracht und erst recht nicht sinnvoll. Dies gilt vor allem dann, wenn man es mit Klassikern zu tun hat. Ein U 47, ein U 47 fet, ein C12, ein SM 7B oder gar ein 4038 wären im Mikrofon-Quartett die absoluten Looser, klanglich sind sie das bestimmt nicht. Insofern darf man die nur 8 mV/Pa Leerlauf-Übertragungsfaktor und die 18 dB(A) Eigenrauschen einfach akzeptieren und muss sich nicht mehr sonderlich daran stören. Und „schlimm“ ist das wirklich nicht, man sollte sich aber klar sein, dass man zum Betrieb des Neumann U 47 fet einen wirklich guten, rauscharmen Mikrofonvorverstärker verwenden sollte. Auch ohne Pad liegt der Grenzschalldruckpegel bei immerhin 137 dB SPL (0,5% THD). Außen an der Bassdrum wird dieser Wert von den meisten Trommlern nicht erreicht, allerdings ist man pegelmäßig dort durchaus in der Nähe (Selbst das ist kein Schaden, im Gegenteil: Im Grenzbereich kann das Mikrofon nämlich ordentlich punkten und den Sound andicken!).