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Neumann V 402 Test

Praxis

Qualitätssache

Der zweikanalige Mikrofonvorverstärker Neumann V 402 ist ohne Zweifel ein gelungenes Stück Hardware: Die verwendeten Materialien, die Perfektion bei der Herstellung – all das ist absolut standesgerecht. Genauso ist die Haptik der Regler und Schalter ohne Tadel. Neben dem taktilen ist auch das optische Feedback gelungen, was vor allem auf das Konto der LED-Ketten und der Ringbeleuchtung geht. Die Beschriftungen und Stellungsmarkierungen dürften für den robusten Alltagsbetrieb gerne etwas kräftiger ausfallen, wenn man mit größeren Sichtabständen und/oder ungünstigem Licht arbeitet.

Der Neumann Preamplifier V 402 im Studioeinsatz.
Der Neumann Preamplifier V 402 im Studioeinsatz.

Fragestellung 

Es ist absolut löblich, dass Neumann dem V 402 einen Kopfhörerverstärker spendiert hat. In einigen Situationen kann dieser recht hilfreich sein, etwa beim Einschätzen von Soundeinstellungen oder Mikrofonpositionierungen, wenn Schallquelle, Mikrofon und Preamp sich an einem Ort befinden. Zudem kann dem Kopfhörerverstärker eine wirklich hohe Qualität attestiert werden, spielt er doch linear, schnell und auch mit hochohmigeren Hörern reichlich laut. Ich muss jedoch gestehen, dass mir die Konzeptionierung nicht ganz erschließt. Zunächst: Es gibt in Studios, ob großen oder kleinen Bedroom-Studios selten einen generellen Mangel an Kopfhörerverstärkern. Dann steht die Frage im Raum, wann der HP-Amp von praktischem Nutzen ist. Als Monitoring für den Aufnehmenden eher weniger: In Recording-Situationen, ob nun „One-Room“ oder klassisch räumlich getrennt in Regie und Aufnahmeraum, wird man im Großteil der Fälle zu einem Playback-Signal singen. Und wenn es Sprachbeiträge sind, dann ist es Usus, dass über den Kopfhörer auch Talkbacksignale eingespeist werden und zuvor aufgenommene Teile vorgespielt werden. Ganz ehrlich wäre ein einfacher Audio-Input eine gute Wahl gewesen und hätte den Nutzungswert weit nach oben geschraubt. Wenn es nach mir ginge, hätte Neumann unter Verzicht auf die Kopfhörerfunktionalität die stellenweise simple Ausstattung etwas erweitern können. Über verschiedene Flankensteilheiten und Grenzfrequenzen bei Hochpassfiltern freue ich mich genauso wie über zwei Line-Ausgänge pro Kanal oder so simple Dinge wie eine XLR-Buchse auch auf der Vorderseite. Eine interessante Möglichkeit, die man wenn es denn sein muss als „Hack“ bezeichnen kann, ist die zeitweise Nutzung des V 402 als reinen Kopfhörerverstärker für externe Signale: Gain auf Minimum und Pad drücken in beiden Kanälen – fertig ist der hochwertige HP-Amp!

Fotostrecke: 4 Bilder Traumpaar: Neumann/Telefunken U 47 bei den Aufnahmen der Audiofiles mit dem V 402

Neutral und schnell

Beim ersten Anschließen des Neumann V 402 zeigte sich schon sofort das, was sich im Studio „Die Klangschmiede“ festigte: Der V 402 ist ein klarer, neutraler Amp „von der schnellen Sorte“. „Schnell“ deshalb, weil er Transienten bei allen Verstärkungen ohne erkennbare Verrundungen durchreicht. Das ist besonders im Stereobetrieb hervorragend, denn dadurch gelingen enorm scharfe und plastische Raumabbildungen; Rückwürfe und Bleed-Signale werden deutlich besonders deutlich gezeichnet. Dazu kommt die enorme Kanalgleichheit in Bezug auf sämtliche Parameter. Alleine für diese Eigenschaften: Hut ab!

Im Vergleich mit einem einstmals als linear eingestuften, heutzutage aber natürlich als deutlich färbendem Preamp angesehenen Telefunken V 672 (gerackt von Vintage City) wird besonders deutlich, wie gering der Klirr des 402 ist. Sehr auffällig ist vor allem, dass diese Klangeigenschaften (oder genauer: deren Abwesenheit!) über den gesamten Gainbereich konstant bleiben. All das bedeutet natürlich auch: Wer „Mojo“ sucht, ist definitiv fehl am Platze, der Amp ist explizit als neutral und ohne eigenen Charakter entwickelt und wird auch als solcher beworben. Klangformung durch die Technik erhält man bei Neumann nur durch entsprechende Mikrofone, allen voran sicherlich U 67 oder U 47 FET. Mikrofone dieses Typs können am Neumann V 402 ihre wundervollen Eigenschaften sehr detailliert feilbieten. Das (dereinst für den amerikanischen Markt gebaute und dementsprechend mit der Handelsmarke „Telefunken“ gelabelte) Neumann U 47 sorgt in der Klangschmiede so schon regelmäßiges für Begeisterung. Mit dem V 402 konnte es aber enorm brillieren und seinen edel glitzernden Seidenschleier über das Aufnahmesignal werfen. Auch anderen Charaktermikrofonen tat die Verstärkung durch den V 402 sehr gut, etwa dem AEA A440, dem EV RE20, dem Shure SM7B oder auch „nur“ dem Mojave MA-201FET. Die sehr cleanen Mikrofone im Test, unter anderem ein Schoeps CMC68xt, ein Earthworks SR314 und ein Audio-Technica AT5045, lieferten in Verbindung mit dem Neumann-Preamp eine sehr gute Arbeitsgrundlage, die enorm tiefes EQing und starke Dynamikbearbeitung erlaubte. Neben der feinen Auflösung und der Detailzeichnung von besonders Höhen und Hochmitten sind die straffen und knochentrockenen Bässe eine explizite Nennung wert.

Audio Samples
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Telefunken U 47 an Neumann V 402 Telefunken U 47 an Telefunken V 672 Telefunken U 47 an True P-Solo Ribbon Audio-Technica AT5045 an Neumann V 402 Audio-Technica AT5045 an Telefunken V 672 Schoeps CMC68xt an Neumann V 402 Earthworks SR314 an Neumann V 402 Electro-Voice RE20 an Neumann V 402 Electro-Voice RE20 an Telefunken V 672 Electro-Voice RE20 an True P-Solo Ribbon Coles 4038 an Neumann V 402 Coles 4038 an Telefunken V 672 Coles 4038 an True P-Solo Ribbon AEA A440 an Neumann V 402 AEA A440 an Neumann V 402, HPF aktiviert AEA A440 an Telefunken V 672

Vor allem für die passiven Bändchenmikros Beyerdynamic M130 und Coles 4038, aber auch Röhrenmikrofone nutze ich gerne die kleinen Preamps True P-Solo Ribbon. Diese verzichten bewusst auf Phantomspeisung und liefern bedeutend mehr Gain (76 dB maximal). Generell wirken die Trues ein wenig frischer als der V 402, was von vielen zunächst als „besser“ wahrgenommen werden wird, jedoch auch minimal „bissiger“ und „hektisch“ wirken kann. Den schnell etwas trägen Tauchspulenmikros und bei naher Besprechung doch sehr bassigen Bändchen tut das aber gut. Der 402 ist insgesamt ausgeglichener und nicht so kristallin, aber alles andere als teilnahmslos. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich für cleane Verstärkung passive Ribbons eher mit dem True verstärken, andere mit dem Neumann.

Noch ein Wort zum maximalen Gain: Es ist einem für seine kapazitiven Mikrofone weltberühmten Unternehmen wie Neumann eigentlich gar nicht anzukreiden, dass die maximale Verstärkung nur etwas oberhalb der in Audio-Interfaces eingebauten Preamps endet. 60 dB Gain sind für Kondensatormikrofone absolut ausreichend, 70 oder gar 80 benötigt man allenfalls beim Umgang mit dynamischen, vor allem Bändchenmikrofonen. Das einzige dynamische Neumann-Mikrofon (BCM 705), aber auch die vielen klassischen dynamischen Allrounder aus der Sennheiser-Großfamilie können bei leisen Schallquellen und größeren Abständen noch mit 60 dB Gain ausreichend angehoben werden, viele passive Bändchen haben es da schon etwas schwerer. Immerhin erlaubt die Rauscharmut des V 402 bei Bedarf noch etwas nachträgliche Anhebung in der DAW, zudem klingt auch die Maximalverstärkung des Neumann V 402 genau so wie eine geringere – viele Audiointerfaces „quetschen“ da schon recht ordentlich.

Neumanns Zweikanal-Preamp ist natürlich kein Schnäppchen. Doch der Preis stimmt: Für zwei wirklich cleane Mic Pres im 19“-Gewand sind immer Preise von mindestens 2000 Euro nötig, besonders dann, wenn sie wie der V 402 nicht in Billiglohnländern hergestellt werden. Grace Design m201, Millennia HV-3C, Earthworks 1022, Forssell SMP-2 oder auch GML 8302 oder Avalon 2022 liegen preislich zumindest in einem ähnlichen Bereich wie der V 402.

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