Kommen wir zum Workflow- und Hörtest. Wer bei Software-Pianos nicht mehr ganz grün hinter den Ohren ist und wer Kontakt oder den Kontakt Player kennt, wird hier keine weiteren Fragen haben. Ganz im Gegenteil. Den Arbeitsfluss kann man also schon mal mit „sehr gut“ bewerten. Eine kleine Einschränkung gibt es dann aber doch. Es gibt nämlich einen MIDI-Bug in Logic, der auch schon beim Akoustik Piano auftrat und Native Instruments bekannt ist. Wenn man einer MIDI-Spur im Sequencer nicht einen kleinen Vorlauf lässt, erklingt die erste Note abgehackt. Der Logic-Benutzer sollte also immer etwas „Anlaufzeit“ geben.
Die Samples jedes Pianos werden in wenigen Sekunden in den Arbeitsspeicher geladen, und ein paar Anpassungen an mein Setup (MIDI, Soundkarte) sind schnell gemacht. Wer möchte, kann sich nun noch mit den Klangparametern auseinandersetzten. Die Presets sind aber alle schon so gut, dass man das nicht zwangsläufig tun muss. Sinnvoll ist es jedoch, sein Masterkeyboard mit Hilfe der zur Auswahl stehenden Velocity-Kurven an die Pianos anzupassen. Jede Tastatur verhält sich bekanntermaßen anders.
Info: Wenn man für ein Piano ein neues Preset lädt, werden dafür keine anderen Samples verwendet. Die Unterschiede werden durch anders geartete Skripts bezüglich der Klangparameter erzeugt.
Und nun zum Lauschangriff. Als erstes interessiert mich, ob man Übergänge der Velocity-Layer hören kann. Wenn man sie sich in steriler Laborumgebung mit alle Anschlagstärken von 1 bis 127 vorspielen lässt, kann man Übergänge hören. Und ich bilde mir auch ein, subtile Filterfahrten wahrzunehmen … aber hier verlasse ich das Terrain des an Fakten orientierten, seriösen Produktests. Fest steht: mit praxisgerechtem musikalischem Hören und Spielen haben solche Experimente nichts zu tun und mir sind beim “normalen Spielen” der Pianos keine Velocity-Layer Sprünge aufgefallen. Unten ein Beispiel mit dem NY Concert Grand, in dem Velocity-Anschläge von 36 bis 64 nacheinander abgespielt werden. Zugegeben, es ist recht eintönig.
Wer zum Vergleich mal ein Beispiel für eine weniger gelungene Umsetzung hören will, dem sei das darauf folgenden Audio empfohlen. Es handelt sich dabei um das „Steinway Grand Piano“ aus der Apple Logic 8 Standard Library, das ich mit dem gleichen MIDI-File abgespielt habe. Das Logic Steinway Grand verwendet dabei eine Velocity->Filtercutoff Modulation, die Übergänge noch etwas kaschiert.
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Wie verhalten sich drei Fügel und das Piano beim langem Ausklang eines Akkordes?
Zunächst ein Beispiel, bei dem das Upright Piano gut in Szene gesetzt wird. Width ist hierbei auf einen kleinen Wert gestellt. Und danach noch etwas Klassik. Ich habe ein und die selbe MIDI-Spur von allen drei Flügeln abspielen lassen, jeweils mit leichten Optimierungen in Sachen Dynamikansprache, Resonanz und Raumanteil.
Für meine Ohren klingt das ausgesprochen gut. Vienna sehr klar in den Bässen und brillant in den Höhen, Berlin eher leicht und unaufdringlich, New York mit dem ausgewogensten und für mich schönsten Ton. Alle drei Flügel sind dabei insgesamt etwas roh im Klang, etwas knallig in den Mitten. Für die gefühlvolle Ballade oder romantische Soundtracks würde ich mir einen etwas weicheren Ton und ein bisschen mehr Wärme wünschen. Aber da kann man im Studio ja noch mit breitbandigen EQs oder färbendem, hochwertigen Hall nachhelfen. Dem puristischen Klassiker oder Jazzer könnte der Klang der NI Grand Pianos aber auch ohne solche Studiotricks zusagen. Irgendwie haben mich die Flügel alle an die Piano Passagen aus dem Soundtrack „Das fabelhafte Leben der Amelie“ erinnert …
Alle drei Flügel empfehlen sich zudem für die druckvolle, bombastische Pop/Rock- oder auch Dance-Produktion. Denn hier sind genau ihre Stärken gefragt: präsent, durchsetzungsfähig, klar. Im Pop-Bereich geht es ja nicht selten darum, sich gegen die allgegenwärtige Hallsuppe, Streicherarrangements und den Rest der Rhythmusgruppe zu behaupten. Warme Mitten und sensible Details würden in diesen Fällen sowieso mit EQs und Kompressoren weggehobelt werden.
Ich habe es mir auch nicht nehmen lassen mal zu schauen, wie sich die Produkte von Roland, Steinberg und Moddart im direkten Vergleich behaupten. Wieder habe ich das gleiche MIDI-File benutzt.
Da dies ein Test der NI Classic Piano Collection ist und keine Kür des besten Klavierklangs, lasse ich dies mal ohne Bewertung so stehen. Jeder möge sich selbst ein Urteil bilden bzw. seinen Geschmack befragen. Auffallend ist nur, dass die drei Mitbewerber alle eine deutliche Spur mehr „untenrum“ bieten und für mein Empfinden auch feiner und weicher auflösen.
Und um zu verdeutlichen, welcher Entwicklungssprung zwischen dem 90er Jahre Blockbuster „Kurzweil MicroPiano“ und heutigen Modellen liegt, zum Abschluss noch das passende Audiobeispiel dazu.