Praxis
Rhodes Mark I
Das Rhodes Mark I, das im Gegensatz zum späteren Mark II viel glockiger klingt, ist DER E-Piano Klassiker schlechthin. Ein Keyboarder, der noch nie auf einem ECHTEN Rhodes gespielt hat, ist bisher wirklich was entgangen bzw. darf sich auf sein erstes Mal noch freuen! Obwohl einige Reproduktionen mittlerweile klanglich ein hohes Niveau erreicht haben, ist und bleibt es einfach ein Unterschied, ob man wirklich vor diesem inspirierenden Kult Instrument sitzt oder eine täuschend echte Simulation hört und spielt. Nur das Original verströmt dieses gewisse magische Gefühl, was man nur schwer beschreiben kann.
Doch zurück zum Produktionsalltag und zur Budget-Realität. Zwölf Samples mit vollständigem Ausklang und zwölf, dazu gehörige Release Samples pro Ton, bilden, als Velocity Layer gemapped, den Klang dieses Rhodes Mark I ab. Das originale Instrument wurde zuvor einer sorgfältigen Restaurierung unterzogen.
Im Gegensatz zur früheren Ausgabe dieser Library unter der Marke „Scarbee“, haben Native Instruments das Skript noch um die „Horizontal Release Technology“ erweitert. Das bedeutet, dass Release Samples nicht nur in Bezug auf Keyboard Velocitiy, sondern auch in Bezug auf die Notenlänge angesprochen werden. Ein Ton, den man bei gleicher Velocity staccato oder legato spielt, wird also mit verschiedenen Release Samples wiedergegeben.
Neben der normalen, temperierten Stimmung, liegt noch ein weiteres Tuning-Skript vor. „Stretch Tuned“ ist eine spezielle Stimmung, die sich am Oberton Spektrum der Töne orientiert: die tiefen Register sind leicht tiefer gestimmt, die hohen Register leicht höher. „Stretch Tuned“ ist gut für Solistisches geeignet, im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten sollte man die temperierte Stimmung wählen.
Auf dem GUI sieht man links oben die Sektion „Tone Control“ mit den Level-Reglern für Bass und Treble. Bass fungiert dabei als Low-Cut, seine Nullstellung findet sich bei Rechtsanschlag. Mit „Instrument Noise“ kann man oben rechts, das originale Gerätebrummen hinzu mischen. Release definiert, ob das Rauschen immer erklingt oder erst in einer bestimmten Zeit, nach dem Loslassen einer Taste, verstummt.
Darunter parkt die erste Seite der FX-Sektion: die beiden Send-Effekte Reverb und Delay werden hier angesteuert. Das Delay kann zum Host Tempo gesynct werden. Beide Effekte machen einen guten Job. Beim Delay hätte ich mir dennoch einen Tone-Regler oder Filter gewünscht, um mögliche Präsenzen in den Echos etwas abzudämpfen.
In der Mitte des GUI steht ein Ausklappmenü zum Aufrufen von Presets und Abspeichern von bis zu fünf Usersets. Klickt man unter „FX TYPE“ auf Insert, gelangt man auf die zweite Effekt-Seite.
Hier stehen verschiedene Insert-Effekte bereit: Pan und Autowah (beide lassen sich zum Tempo des Hostsequenzers synchronisieren), Compressor, Chorus, Distortion, Phaser und Amp. Besonders Pan und Amp gefallen mir sehr gut – einen Tremolo-Effekt vermisse ich aber trotzdem!
Phaser und Chorus sind noch brauchbar, der Compressor geht mir aber definitiv zu forsch zur Sache und kann, meiner Meinung nach, nicht mit der Güte vieler Standard-Software Compressoren mithalten.
Distortion gefällt mir überhaupt nicht! Schon bei kleinsten Werten wird hier schrill und digitalig harsch gezerrt, sodass feine Justierungen kaum möglich sind. Für warme Vintage Pianos finde ich das äußerst unpassend. Ein sanfter Overdrive oder eine Röhrensimulation wären hier viel angebrachter gewesen. Vielleicht möchte Native Instruments sich aber auch nur ein paar gute Argumente für Guitar Rig aufsparen … lohnen würde es sich.
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Praxis
Wurlitzer Electric Piano
Auch das Wulitzer Electric Piano kann auf viele Anhänger und eine lange Erfolgsgeschichte zurückblicken. Die Band Supertramp setzte es sehr häufig ein, aber auch die Welthits „I Heard It Through The Grapevine“ von Marvin Gaye und „Blue Jeans“ sind gute Beispiele für seinen Klang. Besonders wenn man hier „ordentlich in die Tasten haut“ und Gebrauch vom eingebauten Tremolo macht entsteht dieser charmante, wabrig-angezerrte, durchsetzungsfähige Knurr-Sound.
Scarbee hat in diesem Falle das erfolgreichste Wurlitzer Modell 200A gesampelt und zuvor am Instrument ein paar Optimierungen an Mechanik und Elektronik vorgenommen. Insbesondere das Brummen verursachende Netzteil wurde ausgelagert.
Ich klicke im Browser des Kontakt Players auf das Wurlitzer und lade 110 MB an Samples in den Arbeitsspeicher: 16 Velocity Layer inkl. Relase Samples, die insbesondere den oberen Velocity Bereich, in dem das Wurli so schön knurren kann, sehr genau abbilden. Im GUI sieht man oben links den Regler für das Wurli-typische Tremolo, das sich aber nur in Bezug auf seine Intensität nicht aber in puncto Geschwindigkeit regeln lässt. Das ist beim echten Wurli auch so, wo dieser Regler allerdings irreführenderweise „Vibrato“ heißt… Rechts oben hat man mit „Instrument Noise die Möglichkeit die originalen Geräusche des Instruments wieder hinzuzumischen. Nach dem gleichen Prinzip, wie oben schon beim Rhodes erklärt. Auch der untere Bereich, das FX-Fenster, ist identisch zu dem des Rhodes Mark I.
Praxis
Hohner Clavinet D6
Was dem Klassiker sein Cembalo, ist dem Funk&Soul Brother sein Clavinet. Das Prinzip der Klangerzeugung ist hier mehr oder weniger das gleiche: Saiten werden gezupft oder besser gesagt: per Fernsteuerung über die Klaviatur angerissen. „Very superstitious, writings on the wall…“ sang Stevie Wonder, und sein Clavinet klackert dazu so funky, wie es keine Rhythmusgitarre besser könnte.
12.300 (!) Samples fertigte Scarbee vom Hohner Clavinet D6 an, was zur Folge hat, dass hier teilweise mit 15 Velocity-Layers pro Ton gearbeitet wird. Zählt man noch die „Off-Center Anschlag“ Samples mit, die je nach Skript bei bestimmten Velocities aufgerufen werden, kommt man sogar auf 20 Layer pro Ton! Off-Center Samples sind Aufnahmen von sporadisch vorkommenden, „fehlerhaften“ Hammeranschlägen, die die Saiten nicht genau in der Mitte treffen, typisch für den Sound des Clavinets.
Alle Töne wurden zudem in den vier möglichen Pickup-Einstellungen im Normal- und Mute-Mode abgesampelt, individuelle Hammeranschlagsgeräusche sind ebenfalls in vier Velocity Stufen in der Library enthalten. (Allerdings unterhalb des C2 nur noch heruntergepitcht). Gemäß Scarbee’s „Horizontal Release Technology“ wird, abhängig von der Haltezeit einer Taste, eines von 24 Release-Samples pro Ton verwendet. Dass man soviel Detail Abbildung nicht umsonst kriegt, ist klar: Lädt man das Clavinet Preset „Full“, werden 450 MB Samples an den RAM meines Rechners adressiert. Schluck!
Das GUI in der Main Ansicht des Clavinets gestaltet sich dann so: Oben links der Regler „Bass String“, mit dem man die Lautstärke der linken Tastaturhälfte regeln kann, den Bass Saiten Bereich. In der Normal-Einstellung (ganz rechts) klingen die tiefen Saiten nämlich deutlich lauter als die hohen.
„Click“ regelt den Click-Relase-Sound der höheren Saiten wenn „Mute“ aktiviert ist. Die Sektion Instrument Noise verhält sich genau so, wie schon oben bei Rhodes und Wurlitzer beschrieben. Im Block darunter lassen sich die vier verschiedenen Pickups anwählen und „Mute“ aktivieren. Vier Filtereinstellungen stehen außerdem bereit. Sie lassen sich sogar mit den Tasten G7-C8 vom Keyboard aus steuern. Dass das Clavinet auf ein Sustain Pedal hört und Aftertouch ein subtiles Pitchtuning auslöst, sind schöne Vorzüge, mit denen die Digitaltechnik gegenüber dem Original auftrumpfen kann.
Klickt man in der Mitte in „Page“ auf das FX-Feld, erscheint eine neue GUI Ansicht: die Effekt Seite. Mit dem Unterschied des Mute-Hebelchens ist diese Sektion identisch mit Rhodes und Wurlitzer (siehe oben).
Praxis
Hohner Pianet N
Das Hohner Pianet ist ein E-Piano, das viele Baureihen durchlaufen hat. Scarbee hat für „Vintage Keys“ eines der frühen Modelle gesampelt, das Pianet N. Mit seinem knurrigen Klang erinnert es etwas an ein Wurli, ein Pianet hat aber insgesamt weniger Tonvolumen und ist auch nicht so dynamisch spielbar. Bekannte Songs, in denen es eingesetzt wurde sind beispielsweise „I Am The Walrus“ von den Beatles oder auch „Summer In The City“ von The Lovin’ Spoonful.
Für die Klangerzeugung hatte Hohner sich hier etwas ganz Spezielles ausgedacht: nämlich keine Hämmer, die Saiten anschlagen oder anzupfen, sondern eine Mechanik, die mit klebenden Hammerköpfen ziehend arbeitet. Betätigt man per Tastenanschlag diese Klebeköpfe, die im Grundzustand immer an den Klangzungen anliegen, bewegen sie sich von diesen weg, ziehen sie ein Stück mit, bis die Klebkraft nachlässt und die Klangzungen zurückfedern und in Schwingung versetzt werden.
So richtig viel Dynamik lässt sich auf diese Weise nicht erzeugen, was wohl auch der Hauptgrund ist, warum das Hohner Pianet nie an den Ruhm der anderen Veteranen herankam. Das Pianet war mehr ein Instrument, das aufgrund seines Preises und seiner Portabilität vor allem bei Anfängern beliebt war. Ein Pianet war nicht viel größer als ein E-Gitarren-Koffer und „nur“ 20 Kg schwer.
Das Pianet stellt technisch gesehen mit fünf Layern die schlankste Reproduktion in den Vintage Keys dar und benötigt nur mickrig erscheinende 17 MB Arbeitsspeicher! Grund dafür ist, dass das Pianet 13 Tasten weniger als ein Rhodes oder Clavi besitzt, sein Klang nicht so dynamisch ist und auch nicht über so viel Sustain verfügt. Das führt zu wenigeren und kürzeren Samples.
Der Klang und Dynamikbereich wird aber meiner Meinung nach trotzdem gut abdeckt, ich habe einmal ein Pianet besessen. Einige (aber nicht alle) Töne greifen auch unter Zuhilfenahme von Pitchtuning auf ein und dasselbe Sample zurück. Und auch hier werden, abhängig von der Tonlänge, verschiedene Relase-Samples verwendet. Sein GUI stellt eine Tremolo-Intensität und eine Regelung der Click-Lautstärke bereit. Click bedeutet in diesem Fall das Geräusch des Hammers, wenn er zurück auf die Klangzunge fällt. Ein eigentlich eher unschöner, störender Klang, den man in der Regel wohl eher gerne absenkt.
Im rechten, oberen Teil findet man, wie bei allen andere drei E-Pianos dieses Bundles auch, die Sektion „Instrument Noise“, in der man die Nebengeräusche der Instrumente hinzufügen kann.
Performance
Mein kleines MacBook konnte alle Pianos gut meistern, kam aber gelegentlich schon mal ins Schwitzen, wenn zu viele Instrumente gleichzeitig geöffnet waren. Ein zeitgemäßer Rechner mit großzügigem RAM (4GB) einer schnellen Festplatte 7.200 U sollten es schon sein, auch wenn Native Instrumentes bei den Mindestanforderungen etwas tiefer stapelt. Aussetzer oder Bugs gab es während dieses Test nicht.