Nie „nur“ die Sängerin – Warum ich immer Musikerin sein wollte

„Ah, ein Mädel, das muss die Sängerin sein.“ Sätze wie diese höre ich seit Jahren. Nicht etwa von Menschen ohne musikalischen Hintergrund, sondern leider viel zu oft aus den eigenen Reihen. Von Bandkollegen, von Technikern, von Musikern, die offenbar vergessen haben, dass auch Gesang ein Instrument ist – nur eben eines, das man weder stimmen noch in ein Case packen kann.

Shutterstock / von Gorodenkoff

„Wir sollen gleichzeitig Gitarre spielen und singen? Weißt du, wie schwer das ist?“

Ich bin nicht „nur“ Sängerin, ich bin Musikerin. Ich habe Gesang studiert. Und E-Bass. Und Posaune. Ich arrangiere, ich komponiere, ich habe ein Musical geschrieben und aufgeführt, ich stehe jede Woche auf der Bühne. Und ja, ich weiß sehr genau, wie schwer es ist, zwei Dinge gleichzeitig zu machen: zu singen und dabei auf dem Bass eine völlig andere Linie zu spielen. Ich weiß, dass das nicht von allein geht. Dass man üben muss. Diszipliniert, strukturiert, mit Leidenschaft. So wie jeder andere Musiker auch.

„Du hast ja keine Ahnung, was für ein Aufwand das ist. Wer soll das arrangieren, planen, leiten…“

Wer als Sängerin mit einer Band durchstarten möchte muss vor allem eines sein: Allround-Talent. In diesem Moment wird man schnell auch zum Talentscout, denn die passenden Mitstreiter müssen ja erst noch gefunden werden. Schnell müssen gewisse Rollen und Hierarchien festgelegt werden und oft bleibt die Rolle des Bandleaders bei der Initiatorin. Man führt also seine eigene kleine Firma. Oft ist man beim Songwriting – gerade beim texten – ganz vorne mit dabei.

Und wenn man jetzt Auftritte haben möchte? Dann hofft man entweder auf motivierte Bandmitglieder oder findet sich damit ab, das man jetzt auch Bookerin und Managerin ist. Social Media- und Officemanagement gehört nun sowieso zum täglich Brot. Vielleicht entschließt man sich für eine Ausbildung oder ein Studium im Musikbereich. Dann kommt man an Klavier spielen, arrangieren, Rhythmus Schulung und Musiktheorie auch nicht vorbei.

Eben nicht “nur” eine Sängerin

Und trotzdem passiert es regelmäßig: Ich sage etwas über Songstruktur, Formteile, Harmonien – und der Raum wird kurz still. Dann folgt ein: „Achso, du meinst also…“ – als müsse man meine musikalischen Gedanken erst übersetzen. Ich bekomme das Mikrofon in die Hand gedrückt, als wäre ich eine Besucherin in meiner eigenen Band. Dabei habe ich die Proben organisiert, die Setlist erstellt, den Gig klargemacht und die Social-Media-Posts vorbereitet. Ich habe damals mit der Posaune angefangen unter anderem, um Noten und Rhythmen lesen zu lernen. Zu lernen, mich in großen Ensembles wie einem Orchester oder einer Bigband einzufügen. Gitarre und Klavier haben mir sehr geholfen ein harmonisches Verständnis zu entwickeln. Mein Songwriting wurde besser und durch Songwriting Camps, diverse Bücher und Workshops noch verfeinert.

Über die Jahre habe ich schon viele tolle Situationen erleben dürfen, in denen ich mich durch und durch als musikmachender Mensch fühlen durfte. Ich möchte weder gebucht werden weil ich eine Frau bin, noch möchte ich nicht gebucht werden weil ich eben eine bin. Und ja – beides habe ich erlebt. Denn: “Wenn eine Frau mitkommt, kann man im Band-Bus ja gar nicht furzen”. Aber: “Ein männlicher Sub am Bass funktioniert nicht, ich verkaufe die Band mit zwei Frauen.”

Warum ich nie „nur“ Sängerin sein wollte?

Weil das viel zu oft immer noch gleichgesetzt wird mit: dekorativ, emotional, nicht technisch.

Weil es bedeutet, dass musikalisches Wissen oft hinter einem Lächeln und einem Kleid verborgen bleibt.

„Halt das Mikrofon bloß nicht vor die Lautsprecher – das macht sonst dieses komische Geräusch.“

Will der mir gerade erklären, wie ein Feedback entsteht? Vielleicht habe ich keine Ausbildung als Bühnentechnikerin, aber ich helfe seit über zehn Jahren beim Aufbau von “Wohnzimmer-Bühnen” bis hin zur Hafengeburtstag-Mainstage. Habe ich erwähnt, dass ich im Technikbereich einer großen Musical-Produktion angestellt bin? Wer denkst du, schreibt die Tech-Rider für mein Soloprojekt? Meinst du nicht, dass wenn ich mein eigenes Reck mit dem EW-300, einem Shure Wirless-System um einer In-Ear-Strecke mitbringe, ich eventuell auch wissen könnte was ein Frequenz-Scan ist? Natürlich weiß ich nicht, ob es nur weiblich gelesenen Sängerinnen so geht, aber:

Ich will, dass Gesang als das gesehen wird, was es ist: ein Instrument mit Technik, Klang, Ausdruck und Körperbewusstsein.
Ich will, dass junge Frauen auf der Bühne nicht zuerst gefragt werden, ob sie wissen, wie sie ihr Mikrofon halten sollen, sondern dass davon ausgegangen wird, dass sie es genauso gelernt haben wie alle anderen Musiker.

Ausnahmen bestätigen da leider die Regel.

Affiliate Links
Sennheiser ew 300 G4 ME2 RC GBW Band
Sennheiser ew 300 G4 ME2 RC GBW Band Bisher keine Kundenbewertung verfügbar

Und wenn du Musikerin bist?

…Dann bist du in der Regel keine Sängerin mehr. Denn wer kann heutzutage noch ein herkömmliches Instrument auf sehr gutem Niveau spielen? Die Angebote lauten: Posaune in einer Bigband, Bass in einer Coverband oder sogar Gitarre in einem Musical. Aber Sängerinnen gibt es ja genug, da kann man ja auch jede andere nehmen. Jede Andere, die das Projekt alleine leiten kann, mit allen Marketing und Office-Arbeiten die dazugehören, alles arrangieren kann und die notwendige Technik mitbringt. Verschiedene Gesangstechniken und Genres beherrschen und sich auf der Bühne bewegen, mit dem Publikum interagieren kann.

Ich will Sängerin sein – aber als Musikerin ernst genommen werden.

Ein Text von
Aylin Ejder
Sängerin, Bassistin, Posaunistin…. Musikerin.

Hot or Not
?
2506 Ja Gesang Ist Auchein Instr Bild

Wie heiß findest Du diesen Artikel?

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • Soundscapes with the Strymon EC-1 Single Head dTape Echo
  • Intellijel booth tour - SUPERBOOTH 2025
  • Markbass MB Yellow JB - Sound Demo (no talking)