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Nirvana – 30 Jahre Nevermind

Am 24. September 1991 erschien ein Album, das einen gewaltigen Fußabdruck in der Musiklandschaft hinterlassen und sowohl die klangliche als auch die modische Ästhetik fast aller Rockbands der 80er Jahre ablösen sollte. Die Rede ist von Nirvanas zweitem Studioalbum “Nevermind”, jenem Werk, das die aus Seattle stammende Grunge-Bewegung zu einem weltweiten Trend machte und Alternative-Rock zur vorherrschenden Stilrichtung des Rockbusiness beförderte.

(Bild: © Shutterstock / Von: Stefano Chiacchiarini)
(Bild: © Shutterstock / Von: Stefano Chiacchiarini)
Inhalte
  1. History – Grunge & Nirvana
  2. Produktion
  3. Gear
  4. Kompositionselemente
  5. Workshop


Der Erfolg des Albums sucht bis heute seinesgleichen, denn mit weltweit über 30 Millionen verkauften Einheiten zählt es zu den meistverkauften Longplayern überhaupt und schaffte es sogar, den “King of Pop“ Michael Jackson mit seinem damaligen Release “Dangerous” vom Platz 1 der Albumcharts zu stürzen. Unzählige Hits wie “Smells Like Teen Spirit”, “Come as you are”, “Lithium” oder “In Bloom” prägten den Soundtrack einer ganzen Generation, die sich nun endlich verstanden fühlte und in der Musik des Frontmannes und Komponisten Kurt Cobain ein Sprachrohr fand.
Wir wollen uns heute diesem Klassiker widmen und ihn ins damalige Zeitgeschehen einordnen, wobei uns natürlich auch die Produktion und die musikalische Gestaltung interessiert.

1. History – Grunge & Nirvana

Auch wenn für viele der Begriff “Grunge” untrennbar mit Nirvana verbunden ist, zeigt die Entwicklung dieser Stilrichtung doch eine besondere Geschichte, die schon weit vor Kurt Cobains Trio ihre Anfänge nahm. Der Zündfunke kam aus Seattle, einer ehemaligen Arbeiterstadt im Nordwesten Amerikas, die durch schlechtes Wetter, verhangenen Himmel und Kälte gekennzeichnet ist. Diesem Umstand war wohl auch zu verdanken, dass sich arbeitslose Jugendliche oft aus Langweile und Frust in Garagen und Kellern zusammenfanden um entweder Musik zu hören oder zu machen, denn Seattle wurde nicht gerade von vielen tourenden Bands besucht. Der Musikgeschmack der jüngeren Generation war dabei erstaunlich kohärent und so nennen viele Musiker der dortigen Szene härtere Bands wie z.B. Venom, Black Sabbath, MC5, Dinosaur Jr. oder Motörhead als ihre Vorbilder. Schon bald entwickelten sich aus diesem Konglomerat neue Formationen und eine sehr energetische Szene, die Elemente des Metals und des Punks verband wie z.B. Skin Yard, The Melvins, The U-man, Mudhoney, Mother Love Bone und auch Soundgarden. Die neue Musik grenzte sich, bei allen Gemeinsamkeiten, doch deutlich vom damaligen zeitgenössischen Heavy Metal ab, der vor allem durch Rockstartum, Haarspray, Glam und Show gekennzeichnet war. Der Grundsound war dunkler, punkiger und versprühte raue Emotionen, Ehrlichkeit, aber auch Schmerz und Verzweiflung. Musikalisch äußerte sich die stilistische Kehrtwende dadurch, dass sich der Fokus vom instrumentalen Virtuosen mehr in Richtung Songwriting und Simplizität verschob. Hochglanzpolierte Produktionen gehörten der Vergangenheit an und alles wurde ungeschliffener und “heavier”, was sich auch in der stärkeren Verwendung von Drop Tunings oder der Renaissance des Fuzz-Effektes niederschlug. 1985 wurde die “Deep Six“-Kompilation releast, die sehr anschaulich zeigt, in welche Richtung sich der Seattlesound zur damaligen Zeit entwickeln sollte. Kurz darauf erschienen auch die ersten Plattenlabel auf der Bildfläche, von denen “Sub Pop”, gegründet von Bruce Pavitt und Jonathan Poneman, besondere Erwähnung verdient, da hier die erste Soundgarden EP “Screaming Live“, aber 1989 auch das Nirvana Debut „Bleach” erschien. In Insiderkreisen kam nun der Name “Grunge” auf, der auch aus Sicht vieler Seattlebands den Kern der Musik sowohl lautmalerisch als auch in der Wortbedeutung von “Schmuddel” und „Dreck” ganz gut trifft.

Inmitten dieser ganzen Umbruchstimmung formierte sich im nur knapp 150 km entfernten Aberdeen die Band Nirvana mit Kurt Cobain, Krist Novoselic und dem damaligen Drummer Chad Channing. Roger “King Buzzo” Osborne, seines Zeichens Gitarrist der “Melvins” brachte seinen Freund Kurt Cobain durch den Besuch eines “Black Flag“-Konzerts mit dem Punkrock in Verbindung. Cobain, der selbst auf eine extrem schwierige Kindheit in einer zerrütteten Familie zurückblickte, erkannte schnell in der Musik einen Weg, sich ausdrücken zu können, und kurz nach dem Erscheinen der ersten Demo stand auch schon der Plattenvertrag bei “Sub Pop”. Ganz allmählich wurden nun auch die Major Labels auf das “New Thing”, das in Seattle entstand, aufmerksam, und schon bald fanden sich Bands wie Soundgarden, Alice in Chains, oder die aus Mother Love Bone entwachsenen Pearl Jam bei den großen Plattenfirmen unter Vertrag. Der richtig große Paradigmenwechsel kam jedoch im September 1991, als Nirvana unter dem Geffen-Label das zweite Album “Nevermind” releaste. Der vormalige Drummer Chad Channing wurde nach diversen Wechseln und Aushilfsschlagzeugern wie z. B. Dale Crover von den Melvins schließlich gegen den wesentlich präziseren und energetischeren Dave Grohl ausgetauscht, und als Produzenten holte man sich Butch Vig ins Boot. Vielen A&Rs war klar, dass hier etwas Besonderes und Neues entsteht, aber die Erwartungen beliefen sich dennoch auf maximal 100.000 bis 150.000 verkaufte Tonträger. Dass es Nirvana gelang, die bereits erwähnten mehr als 30 Millionen Einheiten zu verkaufen, stand nicht auf dem Plan.

Schnell wurde Seattle zum hippsten Ort der Musikszene und Grunge transformierte den poppigen Hair-Metal, symbolisiert durch Acts wie beispielsweise Motley Crue, Warrant, Poison oder Ratt, ganz grundlegend. Die neue Musikrichtung schloss die Bands am Rand der Szene mit ein und Alternative Music wurde auf einmal massen- und MTV-tauglich, was sich auch in einem neuen Modebewusstsein bemerkbar machte: Flanellhemden, zerrissene Pullover und Worker-Klamotten waren plötzlich en Vogue. Viele der typischen 80er Jahre Rockbands standen nicht zuletzt aufgrund ihres schwindenden Ruhms der Entwicklung skeptisch und argwöhnisch gegenüber und manche versuchten verzweifelt, mit härteren Grunge-Bands wie z. B. Alice in Chains als Tour-Opener eine Brücke zwischen den Stilen zu schlagen.
Bis 1994 gelang fast allen Bands der Grunge-Ära irgendwann einmal eine Nummer 1 Chart-Platzierung, doch der Ruhm brachte auch einige Schattenseiten mit sich, die sich vor allem durch einen starken Heroinkonsum in der Szene ausdrückten. Der Erfolg forderte unter anderem mit Mother Love Bone Frontmann Andy Wood, Layne Staley von Alice in Chains oder Blind Melons Shannon Hoon seine Opfer, und auch Kurt Cobain konsumierte wegen seiner chronischen Magenschmerzen immer exzessiver Heroin. Trotz zahlreicher Entzugsmaßnahmen holte ihn die Sucht immer wieder ein und am 5. April 1994 nahm er sich in seinem Haus in Seattle mit einer Überdosis und einem Kopfschuss das Leben. Sein Abschiedsbrief bestand aus dem Neil Young Zitat: “It’s better to burn out than to fade away.”
Für manche ist Cobains Todestag 1994 gleichbedeutend mit dem Ende des Grunges, das für andere wiederum mit der Auflösung von Soundgarden besiegelt wurde, die als letzte Band der original “Deep Six“-Compilation 1997 getrennte Wege ging. Einige Musiker, die auf der kurzen Grunge-Welle reiten durften, hatten Ende der 90er genug von der Szene und fühlten sich vom Begriff “Grunge”, der immer mehr zu einem Medien-Buzzword verkam, genervt. Viele Stars wie Chris Cornell starteten Solokarrieren oder wie im Falle von Dave Grohl mit den Foo Fighters eigene Bandprojekte. Bands wie Mudhoney, Alice in Chains oder auch Pearl Jam blieben ihrer Tradition weitestgehend treu, nur dass heute keiner mehr von “Grunge”, sondern schlichtweg von “Rock” spricht.
Im Abgesang des Trends suchten die Plattenfirmen nun neue Bands, um diese Lücke zu füllen, was in Nirvana-Clones wie beispielsweise “Silverchair” mündete. Andere Bands wie Creed, Candelbox oder Nickelback, die sich kommerzieller ausrichteten, fasst der Begriff “Post Grunge” zusammen. Sie bedienen sich einiger Stilelemente des Grunges wie z. B. des typischen “Yarling”- bzw.“Underbite”-Gesangsstils eines Eddie Vedder oder Layne Staleys und natürlich der rauen Spielweise der Ur-Grunger. Da die komplette Bandkonzeption wesentlich stadiontauglicher, bombastischer und poppiger auftritt, ist der Post Grunge an ein vollkommen anderes Klientel als das der frühen Grunge-Musik adressiert.

2. Produktion

Nirvana galt trotz des “grungigen” Looks als extrem disziplinierte Band, die ihren Fokus immer stärker auf die Musik und weniger auf das Image ausrichtete. Kurt war stets ein großer Fan der Beatles, insbesondere John Lennons, und konnte durch die intensive Auseinandersetzung mit deren Kompositionen einen soliden Background vorweisen. Das Debütalbum “Bleach” wurde daher in nur 30 Stunden aufgenommen und verkaufte sich vor dem Nevermind Release in den Staaten 40.000 mal.
Als die Diskussion über den Produzenten des zweiten Albums aufkam, fiel der Name des damals relativ unbekannten Butch Vig, der später der Drummer von “Garbage” werden sollte. Butch sagte zu und mit einem Budget von 65.000 Dollar ging es in die Sound City Studios nach Van Nuys, Los Angeles. Dieses Studio galt schon damals als legendär, da es zum einen über eine der sagenhaften Neve-Konsolen verfügte und sich hier andererseits Acts wie Fleetwood Mac, Neil Young, Rick Springfield und viele mehr die Türklinke in die Hand gaben.
Vig hatte bereits vor den finalen Aufnahmen von “Nevermind” für die Band das Demo von “Polly” aufgenommen, das später auch auf dem Album zu finden war. Dennoch plante er eine Probe-Session im Vorfeld, um sich einen Eindruck vom Songmaterial zu verschaffen. Besonders beeindruckt zeigte er sich von dem Song “Smells like Teen spirit“ und der Tightness von Dave Grohl, dessen Beitrag er zum Erfolg der Platte als extrem hoch einstufte.
Ebenfalls entscheidend für den “Nevermind”-Klang war der quadratische Recordingraum A der Sound City Studios, der durch seine lange Nachhallzeiten und die speziellen Oberflächenbeschaffenheiten den Aufnahmen eine ungeheure Tiefe und Lebendigkeit verleiht. Nirvana beabsichtigte, den Sound ihrer Liveshows auf dem Album einzufangen, weshalb Vig die Basic Tracks live aufnahm und später durch Overdubs ergänzte. Dies führte bisweilen zu Konflikten mit Kurt, der ganz getreu der Punk-Ethik nur eine Spur verwenden wollte, sich jedoch meistens von Butch überzeugen ließ.
Wer mehr zu den Produktionsumständen erfahren will, kann hier fündig werden:

3. Gear

Fotostrecke: 4 Bilder Boss DS-1
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Da Kurt Linkshänder war, sieht man ihn zwar meist mit den entsprechenden Linkshändergitarren, allerdings auch mit Rechtshändermodellen, die er umgekehrt besaitet.
Seine Hauptgitarren zur “Nevermind”-Zeit waren eine Fender Mustang von 1960, eine Fender Jaguar mit DiMarzio-Pickups und eine Stratocaster mit Humbucker in der Stegposition. Als Akustikgitarre verwendete er eine eigentlich 12-saitige Stella Harmony, die aber lediglich mit fünf Nylonsaiten bespannt war, die angeblich noch nie gewechselt wurden. Für Butch Vig hatte dieses Instrument jedoch einen gewissen Charme und so wurden die Takes mit dem Instrument belassen, das mit einem AKG 414 aufgenommen wurde.
Während der Nevermind-Ära setzte Kurt als Haupt-Amp auf einen Mesa/Boogie Studio 22 Preamp, der über eine Crown-Endstufe und 4 x 12 Marshall-Boxen lief. Während der Aufnahme-Sessions wurde von Butch Vig noch ein Fender Bassman als Clean-Amp und Pedalplattform sowie ein Vox AC30 ausgeliehen. Um Kurts Cabinets im Studio zu mikrofonieren, verwendete Butch Vig ein Shure SM57, ein AKG 414, ein Neumann U87 und gelegentlich das Sennheiser 421.
Vieles von dem, was den Nevermind-Gitarrensound ausmacht, wird über Pedale erzielt. Für die Verzerrer stand ein BOSS DS-1 Distortion und in seltenen Fällen, wie z. B. für “Territorial Pissings”, eine ProCo Rat bereit. Der DS-1 wurde für “In Utero” übrigens von einem DS-2 abgelöst. Fuzzsounds, wie z. B. in „Lithium”, stammen vom Electro-Harmonix Big Muff Fuzz, der sich ohnehin einer hohen Beliebtheit in der Grunge-Ära erfreuen konnte und dem Smashing Pumpkins-Album “Siamese Dream” den Signature-Sound verleiht. Da Nirvana-Songs oft einen sehr drastischen Wechsel zwischen ruhigen Strophen einerseits und extrem aggressiven Refrains andererseits vorweisen, bietet sich der Einsatz von Pedalen an, die einen schnellen und unvermittelten Sprung zwischen den Soundwelten ermöglichen. Zumal die gebräuchlichsten Amps dieser Zeit wie z. B. 800er Marshalls oder Fender noch Einkanaler waren.
Der Electro-Harmonix Small Clone Chorus kreiert den überaus interessanten und wässrigen Gitarrensound, der im Pre-Chorus von „Smells Like Teen Spirit“ und natürlich in „Come As You Are“ zu hören ist.

4. Kompositionselemente

In verschiedenen Dokumentationen wird Nirvana oft als die “Beatles des Grunge” bezeichnet und in der Tat finden sich auf “Nevermind” einige sehr interessante melodische und harmonische Wendungen, die auf Kurts Bewunderung der Fab Four hindeuten. Natürlich sei an dieser Stelle erwähnt, dass Cobains Kompositionen sicherlich eher intuitiv entstanden und er sich wohl herzlich wenig um Fragen der Harmonielehre oder Musiktheorie kümmerte. Insofern ist es umso verblüffender, wie stark sein natürliches Gespür für intelligente Melodiebögen und Akkordfolgen ausgeprägt war.
Generell entstanden einige Kompositionen aus dem obligatorischen Jam, den die Band vor jedem Probenbeginn machte. Laut David Grohl kam für Kurt immer die Musik vor dem Text und bestimmte Worte wurden von Cobain eher aufgrund ihres Sounds und weniger aufgrund ihrer Bedeutung gewählt. Diese Aussage wirkt sehr überraschend, bedenkt man, dass gerade die Texte von Nirvana doch sehr die Emotionen der damaligen Jugend ausdrückten und nicht zuletzt vermeintlich dysfunktionalen Kids, die sich unverstanden fühlten, aus der Seele sprachen. Die Inhalte waren dabei an einen extrem energetischen Gesang gekoppelt und Kurt Cobain verstand es wie nur wenige Sänger, eine unfassbare Intensität und Authentizität in seine Worte zu legen. Auch die Dynamik der Songs, die oft blitzschnell zwischen ruhigen und lauten, furiosen Passagen wechselt, trägt zu der unvergleichlichen Tiefe vieler Nirvana-Songs bei. Butch überredete Kurt auch dazu, seine Gesangslinien unisono zu doppeln, was Kurt ursprünglich ablehnte. Mit Verweis auf John Lennon, der dies ebenfalls tat, konnte er jedoch schließlich überzeugt werden. Ziel der Band war es stets, die Stücke simpel, klar und schon fast Kinderlied-artig zu halten, weshalb Songs wie “Come as you are” oder “Something in the way“ über weite Strecken oder sogar gänzlich mit simplen Zwei-Akkord-Pendeln auskommen. Auch scheint Kurt eine Vorliebe für zweitaktige Harmoniepattern mit halbtaktigen Akkordwechsel zu haben, wie man sie z. B. auf “Smells like Teen Spirit” oder Polly findet. Dass viele Kompositionen manchmal mit überraschenden, nicht-diatonischen Dur-Akkorden gespickt sind, hat häufig mit Kurts Einsatz von “Modal Interchange”-Wendungen zu tun. Diese findet man z. B. bei “Lithium”, wo Akkorde aus E-Dur mit E-Moll kombiniert werden, in “Polly”, das in Em (Vorzeichenbereich von G-Dur) steht und sich mit dem Bb-Dur einen Akkord aus Gm entleiht oder auch bei “Territorial Pissings”, wo Kurt mit den Harmonien A, F und D die Tonalitäten A-Dur und Am vermischt (bzw. wenn man den D als D7 begreift, eine Zwischendominante integriert). Cobain gelingt es jedoch selbst über unerwartete Wendungen herrlich eingängige Melodie-Motive zu singen, die zwar häufig auf überraschenden Optionstönen landen, aber dennoch dem Ganzen einen sehr organischen Zusammenhalt verleihen. Dadurch schaffte es Nirvana, dem dissonanten, punkigen Grunge-Sound charakteristische Pop-Elemente unterzumogeln, die dann wiederum durch die aggressive Spielweise kaschiert werden. Der charakteristische Kompositionsstil von Kurt Cobain erstreckt sich natürlich auch auf die Alben “Bleach” und “In Utero”, denn “About a girl” kommt ebenfalls mit einem simplen Akkordpendel in Em, das dann von Akkorden aus E-Dur abgelöst wird. Auch zeigt “Heart Shaped Box” eine ähnliche Akkordfolge wie “Territorial Pissings“, wobei Kurt hier D in der Gesangslinie zu einem D7 und damit zu einer Zwischendominante erweitert. Das Riff von “Rape Me” hingegen weist starke Parallelen zu “Smells like Teen Spirit” auf.

5. Workshop

a) Smells like teen spirit
Der Titel des Songs “Smells Like Teen Spirit” geht auf einen Spruch zurück, den Kurt Cobains damalige Freundin an seine Zimmerwand schrieb: “Kurt smells like Teen Spirit”. Kurt wusste zum damaligen Zeitpunkt noch nicht, dass es sich bei “Teen Spirit” um ein Mädchendeodorant handelte, fand den Wortklang jedoch sehr ansprechend. “Smells Like Teen Spirit” war einer der letzten Songs, die für das Album geschrieben wurden und fand großen Zuspruch von Butch Vig. Das Gitarrensolo kopiert die Gesangsmelodie und ist gespickt von Nebengeräuschen und mitschwingenden Leersaiten. Der Schlusston mündet in ein Feedback, das später in der Strophe in einen fiesen Oberton überkippt. Das Video, in dem Highschool-Kids und Cheerleader herumhüpfen und völlig durchdrehen, änderte den Look von MTV, das von nun an eine komplett neue Klientel ansprach. Kurt nahm es mit der Greifweise der Powerchords nicht so genau und vermutlich spielte er beim F-Powerchord die Quinte und den Grundton auf der A- und D- Saite mit einem Ringfingerbarrée, sodass sich manchmal die Quarte Bb auf der G-Saite einschleicht. Ebenfalls ganz typisch für Curts Spielweise ist das Spielen aller Leersaiten auf der letzten Achtel, bevor der Akkord gewechselt wird, wie wir es z. B. bei “Polly” oder “In Bloom” sehen. Da sowohl das Riff als auch das Solo bereits Gegenstand von Workshops war, möchte ich auf diese verweisen.

b) In Bloom
“In Bloom” war eines der ersten Stücke des Nervermind-Recordings und wechselt, wie viele Nirvana-Songs, zwischen leisen Strophen und lauten, energiegeladenen Refrains hin und her. Novoselic und Grohl hielten ihre Parts simpel und songdienlich, wozu Dave Grohl erklärte, es sei „eine unausgesprochene Regel“, unnötige Drum-Fills zu vermeiden.

Audio Samples
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In Bloom – Original In Bloom – Playback

c) Come as you are
“Come as you are” ist als eine Art inkludierende Botschaft Kurt Cobains an sein Underground-Publikum zu sehen: Ich akzeptiere euch so, wie ihr seid!
Wieder zeigt sich das Zweigespann aus ruhiger Strophe auf der einen und energetischem Refrain auf der anderen Seite. Das wabernde Picking wird von einem Electro Harmonix Small Clone Chorus unterstützt. Auch hier haben wir ein Gitarrensolo, das grob die Strophengesangslinie wiedergibt. Für den Song hat Kurt die Gitarre einen Ganzton tiefer gestimmt.

d) Lithium
Der Wirkstoff Lithium wird bei schweren bipolaren Erkrankungen eingesetzt bzw. um manischen Depressionen vorzubeugen. Da Kurt Songwriting auch dazu nutzte, um sich von seinen inneren Dämonen zu befreien, hat der Text durchaus autobiografische Züge. Erneut bewegt sich der Song von ruhigen und schon fast geflüsterten Strophenteilen mit einem dezenten Gitarrenpicking und verhaltenem Drumming hin zu einem aggressiven Refrain.
In “Lithium” ist ein Big Muff Fuzz für die Refrain-Powerchords im Einsatz. Die Gitarre ist erneut einen Ganzton tiefergelegt.

Audio Samples
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Lithium – Original Lithium – Playback

e) Polly
Der Song “Polly” wirkt sehr unschuldig und kommt in einem klassischen, einfachen Kindersong-Gewand, das durch den etwas billigen Gitarrensound noch zusätzlich unterstützt wird. Die Geschichte dahinter steht jedoch im krassen Kontrast zu dem akustischen Eindruck, den der Song hinterlässt und fußt auf einem echten Vorfall. Der betraf ein 14-jähriges Mädchen, das nach einem Konzert im Community Show Theater, Tacoma, gekidnappt, gefoltert und vergewaltigt wurde, jedoch schließlich entkommen konnte. Für den Song fand Kurts fünfsaitige Stella-Akustikgitarre Verwendung. Fun Fact: Bei 1:55 kommt Kurts Gesang mit “Polly said” zu früh, was jedoch von Butch Vig im Take belassen wurde.

Audio Samples
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Polly – Original Polly – Playback

f) Something in the way
“Something in the way” stellte sich für Butch Vig als besonders schwer zu recorden heraus. Ursprünglich wollte Kurt den Song mit kompletter Band aufnehmen, war jedoch mit dem Ergebnis nie zufrieden, bis er irgendwann auf der Couch des Regieraums saß, sich zurücklehnte, den Song spielte und die Gesangslinie fast flüsterte. Butch Vig erkannte die Intensität dieser Stimmung, stellte einfach Mikrofone auf, schaltete alle Maschinen aus und drückte “Record”, wobei er laut seiner Aussage sogar die Luft anhielt, um die Aufnahme nicht zu zerstören. Natürlich hatte der Song dadurch keinen Klicktrack und die Gitarre war auch nicht wirklich in tune, weshalb Novoselic und Grohl manchmal Takt für Takt im sehr trocken klingenden “Studio B” einzeln aufnehmen mussten. Auch der Cellist Kirk Kenning hatte hart mit der Intonation zum Gitarrentrack zu kämpfen, unterstützt aber auf wunderbare Weise die Atmosphäre des Songs. Wieder kommt die Stella-Akustikgitarre zum Einsatz, die hier ungefähr in einem Drop C-Tuning gestimmt wurde.

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Something in the way – Original Something in the way – Playback

g) Breed
“Breed” wurde bereits 1989 komponiert und trug ursprünglich den Titel „Imodium”, den Namen eines Durchfallmedikaments, das Tad Doyle, der Singer der Band TAD auf einer gemeinsamen Tour mit Nirvana einnehmen musste. Die komprimierten und fuzzigen Sounds von Bass und Gitarre sind dem Umstand zu verdanken, dass sowohl Krist Novoselic als auch Kurt Cobain direkt ins Pult spielten und die Studiopreamps von Produzent Butch Vig extrem überfahren wurden. Ansonsten ist “Breed” ein echter Punk-Klassiker mit einem tollen Riff in F#m.

Audio Samples
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Breed – Original Breed – Playback

Damit wünsche ich euch viel Vergnügen bei Spielen der Nirvana Songs!

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