Mit dem Nord Electro 4 HP bekommt das ohnehin schon große Clavia-Arsenal abermals Zuwachs. Neben dem Nord Stage, Nord Piano, Nord Lead und Wave sind zur Zeit allein fünf verschiedene Nord Electros erhältlich, die sich teilweise nur in wenigen Punkten voneinander unterscheiden. Größter Unterschied des 4 HP gegenüber dem nächsten Verwandten Nord Electro 4D ist sicherlich die gewichtete Tastatur mit Hammermechanik. Auch besitzt er wieder die Clavia-typischen LED-Ketten statt der „echten“ Zugriegel. Dafür hat er einen größeren Speicher als sein Kollege bekommen. Vom 3 HP wiederum unterscheidet ihn unter anderem die überarbeitete Orgel-Sektion, während die Tastatur die gleiche ist. Verwirrend?
Es geht noch weiter: Clavia hat kürzlich auch noch den Nord Electro 4 SW73 angekündigt. Wer blickt denn da noch durch? Doch keine Angst: Was der 4 HP kann, was ihn von den anderen Electros unterscheidet und was ihn generell so einzigartig macht, lest ihr hier.
Details
Äußerlich bleiben die Schweden ihrem bewährten Design treu: Rote Holzseitenteile und ein rot-schwarzes Metallgehäuse mit farbig abgesetztem Bedienpanel in der Mitte. Kurz: Der Nord Electro 4 HP sieht aus wie sein Vorgänger und seine nahen Verwandten. Beim näheren Blick auf die Bedienelemente fallen im Gegensatz zum Electro 4D die fehlenden Drawbars auf. Clavia setzt beim 4 HP wieder auf die altbewährten LED-Zugriegel. Die Aufgaben scheinen klar verteilt: Der 4D mit ungewichteter Waterfall-Tastatur und „echten“ Zugriegeln für den Organisten, der 4 HP mit Hammermechanik-Tastatur ohne Drawbars für den Piano-Spieler.
Die Tastatur stammt aus dem Hause Fatar und ist sehr angenehm gewichtet. Die Tasten sind schön schwer, lediglich der Druckpunkt ist relativ weich. Dabei wiegt das ganze Teil gerade mal 11 kg! Ein leichteres Stagepiano mit einer vergleichbar guten Tastatur gibt es zur Zeit nicht. Falls euch interessiert, wie das geringe Gewicht zustande kommt: Mein Kollege Xaver Fischer hat das Innenleben der (baugleichen) Tastatur des Studiologic Numa Nano in einer spektakulären Aktion in Augenschein genommen.
Doch zurück zu den Bedienelementen: Neben der Orgel-Sektion mit ihren LED-Türmchen und Tastern für Vibrato, Percussion und Tastatursplit findet man die Abteilungen Piano, Program und Effekt. Innerhalb der Program-Zone befinden sich das kleine dreistellige „Wecker“-Display, die Taster zur Anwahl der Soundbänke und Sounds, sowie die Octave-Switch-Taster. Die Effektsektion wiederum beherbergt einen Equalizer mit vier Potis, sowie drei Effektslots mit jeweils einem Auswahl-Taster und einem Drehpoti. Zusätzlich findet man hier den Amp-Simulator und einen weiteren Volumenregler, der die Lautstärke der einzelnen Programs regelt. Eines der Erfolgsrezepte der Schweden ist die übersichtliche Bedienung ihrer Produkte, und da macht auch der Nord Electro 4 HP keine Ausnahme.
An der Rückseite befinden sich ein Stereo-Ausgang, ein Stereo-Eingang in Miniklinkenformat, MIDI In/Out, Pedalanschlüsse für Sustain, Rotor-Switch und Expression(Volumen) sowie ein USB-Anschluss, der neuerdings auch MIDI-Daten verschicken und empfangen kann. Neu ist glücklicherweise auch der Stromanschluss über ein allseits gebräuchliches Kaltgerätekabel statt der kleinen Rasiererstecker-Variante.
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Kommen wir zum Inneren des roten Schweden: Bei der Auswahl eines Sounds wird grundsätzlich zwischen Orgel- und Piano-Sektion unterschieden. Letztere bietet die Kategorien Grand Piano, Upright Piano, E-Piano 1+2, Clavinet/Harpsichord und Sample Library. Jede dieser Kategorien kann mehrere Instrumente beherbergen, je nachdem, was man in den Speicher geladen hat. Dazu später mehr. Bei den akustischen Pianos lassen sich bei jedem Sound zusätzlich Long-Release- und String-Resonance-Samples an- und ausschalten. Die Long-Release-Samples verlängern die Ausschwingzeit der Saiten, so als würde man die Dämpfer eines Klaviers etwas lockern. Die String-Resonance-Samples imitieren das Mitschwingen der Saiten bei getretenem Pedal. Beim Clavinetsound kann man die Auswahl der Pick-Ups und das Filterverhalten einstellen. Hat man einen Sound aus der Sample Library ausgewählt, kann die Hüllkurve (Attack- und Release-Zeit) justiert werden.
Neben der Piano-Sektion gibt es die große Orgel-Abteilung, die mit ihren LED-Drawbars knapp die Hälfte des gesamten Bedienpanels einnimmt. Neben dem überarbeiteten Hammond-Modell sind hier auch Sounds der ebenso legendären Vox- und Farfisa-Orgeln am Start. Bei letzterer fungieren die LED-Drawbars nicht als Zugriegel, sondern als Kippschalter für Flöte, Trompete etc. – so wie es das Vorbild vorgibt. Per Taster sind hier außerdem Vibrato und Chorus, sowie die Percussion auszuwählen. Zwar sieht der Nord Electro 4 HP grundsätzlich keine Split-Funktion vor (was natürlich zu bedauern ist); innerhalb der Orgelsounds kann die Tastatur allerdings geteilt werden. Die linke Hälfte der Tastatur dient damit quasi als zweites Manual mit eigenen Drawbar-Settings. Der Splitpunkt lässt sich dabei allerdings nicht verschieben.
Die Effekt-Abteilung bietet die altbewährte Funktionalität: Ein 3-Band EQ mit parametrischer Mittenregelung, zwei Effektslots mit sieben E-Piano-typischen Modulationseffekten wie Tremolo, Chorus und Phaser in unterschiedlicher Intensität, sowie ein umschaltbarer Hall- bzw. Delay-Effekt. Bei letzteren stehen jeweils vier Varianten (von Room zu Stage bzw. von kurzer zu langer Feedback-Time) zur Auswahl. Der Delay-Effekt bietet erfreulicherweise auch einen Tap-Tempo-Taster. Die Anzeige des Delays erfolgt dabei aber leider in Milisekunden und nicht in BPM. Das ist ein bisschen nervig und für einen Nord erstaunlich praxisfern, aber eben auch: Vintage. Ein Amp-Simulator rundet die Effekt-Abteilung ab. Hier findet man neben dem neuen, verbesserten Leslie-Effekt alles, was man für E-Pianos so braucht: Fender Twin, Jazz Chorus, einen „Small-Amp“ und einen schlichten Kompressor. Per Poti ist hier jeweils der Overdrive-Grad zu regeln.
Wie gehabt bietet der Electro 4 HP 128 Speicherplätze, um die Sounds mit ihren spezifischen Effekt- und Klangeinstellungen abzulegen. Diese sind in 32×4 Bänken organisiert. Diese Anordnung wurde bereits von meinem Kollegen Tobias Philippen imNord Electro 4D Test kritisiert und ich kann mich der Kritik nur anschließen. In Verbindung mit dem sehr spärlichen Display ist es recht schwierig, die Übersicht über die gespeicherten Programs zu behalten.
Thomas sagt:
#1 - 14.02.2013 um 01:42 Uhr
Hallo,
guter Testbericht, den ich - nach einer Woche electro 4hp-Besitz - bestätigen kann. Vor allem die Qualität der Sounds ist grandios, für die B3 dürfte es z.Zt. nichts Vergleichbares geben.
Der Splitpunkt ist dabei - anders als hier beschrieben - frei verschiebbar! Das Sustain-Pedal ist übrigens über die System-Funktionen so einstellbar, dass es beim Orgelspiel als Rotor-Pedal dient - praktisch und durchdacht wie vieles, was man als Live-Musiker sich an direktem Zugriff immer gewünscht hat, aber nicht zu hoffen wagte. Sensationell sind die 11 kg für ein Keyboard mit gewichteter Tastatur! Ein Labsal bei jedem Transport zur Probe...
Wirklich schade finde ich, dass kein Pitch-Bending möglich ist, auch nicht per externem Controller - da machen die tollen Lead-Sounds aus der Sample-Library nur noch halb so viel Spaß. Wäre toll, wenn Clavia sich hier doch noch mit einem OS-Update erbarmen würde!Thomas
Meini sagt:
#2 - 03.06.2013 um 09:51 Uhr
lieber thomas
vielen dank für den tollen beitrag. kannst du mir sagen wo ich diese aufgeführten sounds finde? vorallem fender rhodses mit jk und die b3 orgel?
lieber gruss aus der schweiz
meini