Der Stage-Piano-Platzhirsch Nord hat seine Schwergewichts-Klasse „Nord Grand“ überarbeitet, welche die aufwendigste Hammermechanik-Tastatur der Nord-Familie besitzt und entsprechend vor allem auf authentisches Piano-Spiel abzielt. Diese Tastatur wurde nun in Zusammenarbeit mit Kawai für das Nord Grand 2 weiterentwickelt. Hinzu kommt unter anderem ein überarbeitetes Split/Layer-Konzept, welches sehr vielschichtige Layer-Sounds ermöglicht und somit über den bisherigen Klavier-Fokus hinausgeht. Ähnliche Wege gehen auch etwa das Kawai MP11 oder das Korg Grandstage. Ob und wie das Nord Grand 2 sich hier behaupten kann, haben wir für euch getestet.
Nord Grand 2 – Das Wichtigste in Kürze
- Nachfolge-Modell des Nord Grand
- überarbeitete Tastatur in Zusammenarbeit mit Kawai
- Vielschichtiges, multi-timbrales Layer-Konzept
- sieben multi-timbrale Effekte
- doppelter Speicherplatz im Vergleich zum Nord Grand
- angepasstes Design
Erster Eindruck
Da im Nord Grand eine vollwertige Hammermechanik verbaut wurde, zählt es mit seinen knapp 21 kg ähnlich wie etwa das Kawai MP11SE zu den größeren Stage Pianos mit Fokus auf möglichst authentischem Klavier-Spielgefühl. Sie bewegen sich zwischen kompakteren Stage Pianos wie dem Nord Stage und größeren Digitalpianos für den stationären Heim-Gebrauch. Nords Signature-Farbe rot darf natürlich bei der robusten Holz-Ummantelung des Grand 2 nicht fehlen. Bei der Rückseite des Pianos, die man ja vom Publikum aus in der Regel sieht, hat man sich für schwarz entschieden. Manche dürften hier das markante rot vermissen, andere werden sicherlich das unauffällige schwarz begrüßen. Das Bedien-Panel wirkt sehr aufgeräumt und zeigt sich im seit Jahren zeitlos klassischen Nord-Design. Am Übergang von Tastatur zu Bedienpanel ist ein kleiner Klavierfilz verbaut, der neben dem Spielgefühl auch den optischen Eindruck veredelt.
Die wichtigsten Unterschiede: Nord Grand vs. Nord Grand 2
Auf den ersten Blick wirken Nord Grand und Nord Grand 2 erst einmal ähnlich. Schaut und hört man jedoch genau hin, finden sich einige bemerkenswerte Unterschiede. An erster Stelle wäre da die Tastatur, deren Anschlag nun durch größere Dämpfung etwas sanfter und weniger klapprig daher kommt. Hinzu kommt beim Nord Grand 2 die Erweiterung des Nord-typischen Layer-Konzeptes.
Während beim Vorgänger-Modell pro Sektion ein Layer vorhanden war, sind es beim Nachfolger zwei unabhängige Layer pro Sektion. In diesem Zuge wurde auch eine Split-Funktion inklusive Split-Crossfade untergebracht, die beim Nord Grand noch nicht vorhanden war. Zwar gibt es lediglich einen Split-Point und damit zwei Split-Zonen, aber damit lässt sich schon viel anrichten. Außerdem wurde der Speicherplatz für Sounds auf 2 GB verdoppelt, ein Amount-Regler für die Modulations-Effekte verbaut und die Dimensionen und das Design des Bedienpanels für ein besseres Spielgefühl angepasst. Diese wesentlichen Unterschiede klingen erst einmal nach solider Modell-Pflege, haben aber teilweise große Auswirkungen auf den Workflow und die Vielseitigkeit des Nord Grand 2, wie sich im weiteren Testverlauf zeigen wird.
Tastatur
Wie schon beim Vorgänger wurde die Tastatur des Grand 2 in Zusammenarbeit mit Kawai entwickelt, während bei den anderen Nord-Modellen Fatar als Partner mit an Bord ist. Das unterstreicht einmal mehr den Fokus, hier ein möglichst authentisches Flügel-Spielgefühl aufkommen zu lassen. Dagegen spricht, dass Nord sich gegen Holz-Tasten entschieden hat, wie sie etwa beim Kawai MP11SE zum Einsatz kommen. Das mag auch mit dem Gewicht zusammenhängen, ist jedoch ein Stück weit inkonsequent – gerade wenn sich das Nord Grand 2 von kompakteren Stage Pianos wie dem Stage oder dem Electro absetzen soll, wo Plastik-Tasten gewichtsbedingt Gang und Gebe sind. Im Vergleich zum Vorgänger wurde die Tastatur laut Nord stärker gedämpft. Dadurch wirkt der Anschlag sanfter und erinnert mich tatsächlich phasenweise trotz der Plastik-Tasten an weiche Flügel-Tastaturen wie etwa von Bösendorfer oder Kawai.
Für dich ausgesucht
Die Gewichtung ist insgesamt angenehm ausgewogen und nicht zu leicht. Außerdem ist die Tastatur beim Spielen recht leise und klappert deutlich weniger, als es etwa bei den Nord Electro-Modellen der Fall ist. Ein vergleichsweise großer Wermuts-Tropfen: Die Gewichtung der Klaviatur ist leider nicht skaliert und sowohl im Bass als auch im Diskant gleich. Dass auf Ivory-Touch verzichtet wurde, mag man noch unter „Geschmackssache“ verbuchen. Aber eine skalierte Klaviatur ist gerade in einer solchen Preisklasse nahezu selbstverständlich bei anderen Herstellern.
Funktionsweise und Bedienung
Die grundsätzliche Struktur des Grand 2 ist für Nord-User vertraut und ebenso vielseitig wie simpel: Es gibt die zwei Sound-Engines PIANO und SAMPLE SYNTH, die jeweils bi-timbral arbeiten können. Es lassen sich also pro Engine zwei unterschiedliche Sounds gleichzeitig und separat bearbeiten und spielen. Hierfür gibt es entsprechende Layer-Buttons, um das jeweils zu bearbeitende Patch auszuwählen. Die insgesamt vier möglichen Layer haben unabhängige Volume-Fader und lassen sich somit wie in einem Mischpult individuell ineinander mischen. Um hierbei nicht den Überblick zu verlieren, werden die meisten Parameter im zentralen Display angezeigt, wo sich neben dem Preset-Management auch weitere System-Einstellungen wie etwa MIDI oder Pedal-Settings vornehmen lassen. Mittels des SHIFT-Buttons morphen hier die Schalter zur Preset-Anwahl in die entsprechenden Buttons für die Menü-Settings. Alles Sachen, die wir bereits aus anderen Nord-Modellen gewohnt sind.
Multi-timbrale Effekte
Rechts vom Display beginnt dann die Effekt-Sammlung des Grand 2. Im Angebot sind hier zwei Modulations-Effektslots für Tremolo, Chorus, Phaser und dergleichen, von denen sich ein Slot auf mono umschalten lässt. Ein EQ mit parametrischen Mitten, ein Ping Pong-fähiges Delay mit Tap Tempo und die Nord typische Amp-Simulation werden vom Kompressor gezähmt. All diese Effekte lässt sich ebenfalls multi-timbral betreiben. Es können also für jeden der vier Sound-Layer separate Effekt-Entscheidungen getroffen werden. Lediglich den Reverb müssen sich alle Layer teilen.
Als kleiner Workaround findet sich hier jedoch eine Send-Funktion, die zumindest das Level des Reverbs pro Layer reguliert. Leider hat es Nord auch beim Grand 2 nicht für nötig gehalten, dass die Reverb-Time verändert werden kann. Neben einem zuschaltbaren Pre-Delay mit festem Wert gibt es lediglich einen Dry/Wet-Regler. Genau wie eine skalierte Tastatur gehört eine regulierbare Reverb-Time für mich in dieser Preisklasse zum Grund-Inventar, wie beispielsweise das Kawai MP11SE schon für wesentlich weniger Geld unter Beweis stellt.
Klavier Flatrate: Die Piano-Sektion des Grand 2
Die Piano-Sektion beheimatet die umfangreiche Nord Piano Library mit Sounds von akustischen Flügeln und Upright-Pianos bis hin zu E-Pianos und digitalen Sounds wie etwa dem DX7 Piano. Die Klaviere reichen vom perligen Boesendorfer-Imitat (Grand Imperial), über das voluminöse White Grand bis hin zum intimen Soft Grand. Auch ein charaktervolles und zeitgeistiges Upright-Piano Moderator-Filz ist mit an Bord, was bei anderen Stage Pianos eher eine Seltenheit ist.
Pro Layer gibt es einen Octave-Switch, String Resonances und Pedal Noises sowie einen dreistufigen Timbre-Button, der als eine Art Equalizer fungiert. Speziell bei Rhodes und Clavinet beheimatet der Timbre-Button auch spezifische EQ/Timbre-Features aus den jeweiligen Instrumenten. Außerdem lässt sich das Spielgefühl und der Dynamik-Umfang speziell der Klavier-Sounds an den eigenen Spielstil anpassen. Steht der KB TOUCH-Button auf HEAVY, ist der Dynamik-Umfang besonders groß und ermöglicht detailliertes Pianissimo vor allem für klassisches Klavierspiel, während NORMAL und LIGHT weniger Kraft für lautes Spiel benötigen und sich dadurch gut für Pop/Jazz-Piano eignen. Diese Settings lassen sich dann mit dem ebenfalls dreistufigen „Dynamic Compressor“ zusätzlich unterstützen. Spannend ist außerdem die Unison-Funktion, die nicht etwa zu einem monophonen Sound führt, sondern vielmehr einen Stereo-Widening Effekt kreiert, der gerade für E.Piano-Sounds interessant ist.
Sample Synth-Sektion
Im Bereich Sample Synth ist all das beheimatet, was nicht in die Piano-Sektion gehört: Orgeln, Synthesizer, Strings, Mellotron, Brass, Woodwinds und Gitarren können hier mittels der Potis CATEGORY und SAMPLES angewählt werden. Mit Erschrecken muss ich feststellen, dass keine Tonewheel-Orgeln à la Hammond dabei sind. Vielleicht lassen sich diese nachträglich auf das Piano laden, für mich gehören sie aber zum unbedingten Grund-Inventar bei Stage Pianos.
Da der Fokus des Grand 2 vor allem auf Piano-Sounds liegt, lassen sich die Sample Sounds nicht so spezifisch und ausführlich bearbeiten wie in der Piano-Sektion. Es gibt zwar es eine ASR-Envelope, einen Vibrato-LFO mit Rate und Amount, sowie eine Glide-Funktion und Dynamic/Velocity-Settings, aber leider keinen Cutoff-Regler/Filter. Dafür steht ein Unison-Button zur Verfügung. Im Prinzip haben wir es hier also mit einem sample-basierten, simplen Synthesizer zu tun, der auch organischere Sounds wie Streicher oder Bläser beheimatet. Ähnlich wie bei der KB TOUCH-Funktion der Piano-Sektion lässt sich mittels des DYNAMICS-Buttons das Anschlagsverhalten der Sounds an das eigene Spiel anpassen.
Anschlüsse
Rückseitig gibt es neben einem Stereo-Klinkenausgang gleich vier verschiedene Pedalanschlüsse für einen Foot-Switch, ein Expression Pedal, ein Sustain-Pedal sowie für das mitgelieferte Nord Triple-Pedal. Dem Monitor In für die Einspielung beispielsweise von Playbacks wurde praktischerweise ein Miniklinken-Anschluss gewidmet. Midi ist über die In/Out-Buchsen möglich sowie über den USB-Slot, der zusätzlich Firmware-Updates ermöglicht. Außerdem läuft hierüber die Sound-Verwaltung mittels Nord Sound Manager, über den sich zusätzliche Sounds aus Nords umfangreicher und frei zugänglicher Online-Library auf das Nord Grand übertragen lassen.
Mit der zusätzlichen Software namens Nord Sample Editor können zudem eigene Samples in den Sample Synth des Nord Grand 2 integriert werden. Ein externes Netzteil benötigt man nicht, das Piano lässt sich mit dem mitgelieferten Kaltgeräte-Kabel betreiben. Angesichts der Multi-Timbralität wäre ein zweiter Stereo Out schön gewesen, um beispielsweise einzelne Layer auf unterschiedliche Outputs routen zu können. Außerdem sind die Ausgänge allesamt nicht symmetrisch, wofür genug Platz gewesen wäre, wie auch etwa das Korg Grandstage X zeigt.