PRAXIS
Die Bedienung des Nord Piano 2 erschließt sich in nur wenigen Minuten. Die gut spielbare, griffige Tastatur mit gutem Repetitionsverhalten macht Spaß! Die Velocityansprache ist in vier Stufen gegliedert und lässt sich leicht anpassen. Nur Pianissimo, das ganz ganz leise Spiel, ist mit ihr irgendwie nicht möglich. Als Rock- oder Popmusiker braucht man diese Facette ja aber auch nur äußerst selten.
Die verschiedenen Flügel- und Klaviersounds gefallen mir ausgesprochen gut. Jeder Sound hat einen eigenen Charakter: „Grand Imperial“ (Bösendorfer-Flügel) klingt brillant, räumlich und mächtig. „Studio Grand 2“ (Yamaha-Flügel) ist dagegen weich und warm, ohne dumpf zu wirken. „Grand Lady D“ (Steinway Flügel) ist klanglich durchsetzungsfähiger und mittiger. Die Klangpalette der Upright-Pianos reicht von „klar“ über „holzig“ bis hin zu „romantisch/urig“. So viele gute Pianoklänge in einem Keyboard habe ich bisher noch nicht erlebt!
Das Rhodes klingt insbesondere in Kombination mit den Amp-Simulationen und dem Auto-Pan gut. Im Sample-Pool stehen glockige und auch trockenere Varianten bereit. Auch die Clavis und Cembalos klingen recht anständig. Schade, dass Nord immer noch so stiefmütterlich mit seinem Wurlitzer-Sound umgeht. Er ist zwar ganz passabel, aber wer weiß, wie ein echtes Wurlitzer klingen kann, wird das Nord-Wurli als dünn und statisch empfinden. In diesem Punkt hat meiner Meinung nach zur Zeit ganz klar das SV-1 von Korg die Nase vorn.
Die zuschaltbaren Features „Long Release“ und „String Resonance“, die für die meisten Klänge der Piano-Sektion bereitstehen, beeinflussen den Ton subtil, aber hörbar. Anschläge und Ausklänge wirken räumlicher und lebendiger. Rein technisch betrachtet, klingen bei aktivem „Long Release“ die Töne nach dem Anschlag nicht so schnell ab. Mit dem Begriff „Release“ im klassischen Verständnis von Lautstärke-Hüllkurven hat „Long Release“ also wenig zu tun, eher etwas mit „Decay“. String Resonance simuliert das leise Mitschwingen nicht angeschlagener Saiten, wahrnehmbar als angenehmer, subtiler metallischer Nachhall, der für leichte Schwebungen im Klang sorgt.
Das Dreifach-Fußpedal bietet nicht nur Sustain, Sostenuto und Soft-Pedal (una corda), sondern erzeugt auch die typischen Nebeneffekte wie Mechanik-Rumpeln und das silbrige Sirren der leeren Saiten, wenn der Dämpfer angehoben wird. Es ist dynamisch spielbar: betätigt man es mit mehr Kraft, ist das Rumpeln lauter – und umgekehrt. Sofern mich nicht alles täuscht, wird hier für alle Grand Pianos immer dasselbe Rumpel-Sample verwendet. Für die Klaviere gilt das gleiche. Dies ist aber nicht weiter schlimm, es funktioniert in der Praxis gut. Auch den Rhodes-Modellen wurde ein Pedalgeräusch spendiert – dem Wurlitzer jedoch nicht. Bei den Clavis und Cembalos erübrigt sich das Thema ohnehin. Die Lautstärke der Pedalgeräusche ist global in einem Bereich von ± 6 dB anpassbar. Im folgenden Audio-Beispiel ist Pedal Noise auf die maximale Lautstärke gestellt. In den zwei Beispielen danach habe ich das Pedal Geräusch solo aufgenommen und die Aufnahmen normalisiert.
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Effekte
Die Effekte des Nord Piano 2 sind von ihren Einstellmöglichkeiten her relativ einfach gestrickt und klanglich eher dezent als krass. Sie lassen sich daher mehr musikalisch als „klangbastlerisch“ einsetzen. Das neue Delay, das mich stark an die Version aus der Nord-Stage-Serie erinnert, ist eine gute Ergänzung der Effektkette und bietet mit „Tempo Tap“ und BPM-Anzeige alles, was der Live-Keyboarder in puncto Echo braucht. Das Delay und auch der Reverb klingen neutral und nie harsch oder blechern. Auch der EQ arbeitet sauber. Mit seinem parametrischen Mittenband lässt sich der bei Pianos und E-Pianos wichtige Mittenbereich gut justieren. Eine gute Erweiterung der Amp-Simulationen ist die „Stereo Tube Distortion“. Sie bereichert die Amp-Klangpalette um einen Stereo-Verzerrer, der auf ein stark färbendes Amp-Modelling verzichtet. Der Klang der Tube Distortion ist im Vergleich zu den Amp-Simulationen neutraler und der Bassbereich wird nicht so stark beschnitten.
Wer hörbar komprimierte Pianos mag: Dank des Kompressors ist auch das kein Problem, auch wenn er nur rudimentäre Einstellmöglichkeiten bietet. Auf die Amp-Simulation muss man bei Nutzung des Kompressors allerdings verzichten, denn beides gleichzeitig geht nicht. Mal abgesehen von solchen eher seltenen Fällen, passt hier aber alles gut zusammen. Mein Workflow-Indikator schlägt bei diesem Test eigentlich durchweg ins Positive aus. Nur manchmal habe ich mir etwas mehr Flexibilität bei den Effekten gewünscht.