Praxis
Welchen hätten’s denn gern?
Zum Test standen uns alle drei Modellvarianten des Nord Stage 3 zur Verfügung. Technisch sind alle Modelle identisch. Der Unterschied liegt in den Tastaturen und demzufolge im Gewicht der Instrumente. Der Stage 3 88 ist mit einer gewichteten Tastatur und Hammermechanik ausgerüstet. Sie umfasst 88 Tasten und vermittelt mit einem deutlichen Druckpunkt ein pianistisches Spielgefühl. Allerdings ist dieses Modell mit 19kg auch das schwerste von den dreien. Es ist für Nutzer interessant, deren Fokus auf dem Klavierspielen liegt und die andere Sounds nur nebenbei einsetzen. Das Modell 76HP ist mit der gewichteten Hammer Action Portable Tastatur versehen, die zum Ziel der Gewichtsreduktion auf Metallteile verzichtet und nur aus Kunststoffteilen gefertigt ist. Ganz klar stellt sie einen Kompromiss dar. Man kann damit die Dynamik der Piano-Sounds noch gut kontrollieren; gleichzeitig ist sie aber leichtgängig genug, um schnelle Synthie-Läufe und Orgel-Glissandi abzufeuern.
Die HP-Tastatur spielt sich im direkten Vergleich schwammiger als die 88er-Variante und war für mich eher gewöhnungsbedürftig. Sie ist zwar gewichtet, spielt sich aber nicht so griffig und definiert. Der entscheidende Vorteil gegenüber dem 88er-Modell ist die Gewichtsersparnis, denn das Instrument bringt mit 76 Tasten lediglich 12kg auf die Waage.
Der Stage 3 compact verfügt neben einer Hammond-typischen, leichtgängigen Waterfall-Tastatur auch über physische Zugriegel und eine Anschlussmöglichkeit für einen Halfmoon Switch. Er richtet sich somit an Keyboarder, die hauptsächlich Orgel und Synthesizer spielen. Dennoch bietet die 73er Tastatur genügend Widerstand, um darauf auch ganz vernünftig Rhodes und Wurli spielen zu können. Und wenn man nur ab und an mal einen Klaviersound spielen muss, kommt man damit auch zurecht. Mit 10kg ist der Stage Compact das reisefreundlichste Modell.
Bedienung
Nord-Nutzer, die das Konzept des Nord Stage kennen, werden sich sofort zurecht finden. Auf Nord-Neulinge könnte das Panel auf den ersten Blick vielleicht etwas unübersichtlich und verwirrend wirken, aber man gewöhnt sich sehr schnell an die Arbeitsweise mit dem Instrument. Trotz der vielen neuen Features bleibt der Nord Stage 3 intuitiv und direkt ohne lästiges Display-Tippen bedienbar. Die OLED-Displays zeigen hauptsächlich nur Informationen an – lange Menüs bleiben einem beim Nord Stage weitestgehend erspart. Es gibt kein Gefummel mit Cursor-Tasten und Eingabehilfen auf unzähligen Display-Seiten, sondern zielgerichtetes, direktes Bedienen. Alle Taster und Regler haben eine direkte Funktion und die meisten eine über „Shift“ erreichbare Zweitfunktion. Drehe ich am Poti oder drücke ich einen Taster, erscheint der zugehörige Wert sofort im Display. Und es gibt noch eine weitere Möglichkeit zur Dateneingabe: Manche Taster rufen durch Festhalten eine Display-Seite auf, die die zugehörigen Funktionen und Werte anzeigt. Diese werden dann mit den Program-Tastern ausgewählt und verändert. Trotz der Fülle an Funktionen weiß man beim Nord Stage 3 sehr schnell, wo man drehen oder drücken muss.
Allerdings hat sich durch das neue Display und das Wegfallen der Bank-Taster die Navigation durch die Programs bzw. Songs geändert. Man kann Programs lediglich durch Scrollen mittels des Program-Encoders, den Page-Tastern und mit einem optional angeschlossenen Doppelfußtaster anwählen. Bei 400 Programs bzw. Songs kann das sehr nervig werden. Hinzu kommt, dass bei den Programs auch die Kategorien entfallen sind. Damit konnten beim Nord Stage 2(EX) alle Programs nach Instrumentengruppen organisiert und aufgerufen werden. Zu allem Übel wurde auch noch der „Pending Load” gestrichen, bei dem man während des Spielens ein neues Program “vorauswählen” konnte, um es erst im passenden Moment auf Knopfdruck aktivieren zu können. Im Song-Mode kann ich zwar die Programs meinen Anforderungen entsprechend sortieren, aber dennoch ist die Navigation ohne Bank-Taster und Pending-Load sehr gewöhnungsbedürftig. Vor allem, wenn auf der Bühne plötzlich ein bestimmter Sound gesucht werden muss oder die Setliste spontan durcheinander gewürfelt wird und man weit zwischen den Songs springen muss, ist man mit seinen Sounds zu spät dran. Hier wurde eine grundlegende, für den Live-Einsatz unabdingbare Funktionalität, die bei den Vorgängern sehr gut und bühnentauglich gelöst war, in der neuen Version für mein Empfinden leider verschlechtert.
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Routing der Einzelausgänge – das war schon mal besser!
Einen weiteren schmerzlichen Verlust gibt es beim Routing zu beklagen. Während beim Stage 2(EX) jede Sektion der Klangerzeugung einzeln auf die Ausgänge geroutet werden konnte (z.B. Orgelsounds immer auf Ausgang 3, unabhängig von der Panel-Konfiguration), kann man das beim Nord Stage 3 nur noch insgesamt für Panel A oder B festlegen. Folgendes Beispiel: Ich spiele meine Orgel-Sounds global über eine externe Leslie-Simulation. Baue ich innerhalb eines Panels einen Split oder ein Layer aus Orgel und einer anderen Sektion, so werde ich beim Nord Stage 3 auch die andere Sektion entweder durch den externen Effekt jagen müssen oder ich muss auf diesen verzichten. Die Lösung wäre, die Orgel-Sektion über einen Einzelausgang an die externe Simulation zu schicken und den anderen Sound über den Stereo-Ausgang auszugeben, wie man es beim Vorgänger problemlos festlegen konnte. Aber genau das ist nicht mehr möglich und das gibt einen ganz dicken Minuspunkt. Denn letztendlich haben die Einzelausgänge so keinen wirklichen Nutzen mehr, haben sie doch eigentlich den Zweck, dass man einzelne Sounds in einen unabhängigen Signalweg schicken kann, um sie getrennt von anderen Sounds zu bearbeiten. Dieses unabhängig von der Panel-Konfiguration der Programs festlegen zu können, war eine der Stärken der älteren Nord-Stage-Modelle und das geht beim Nord Stage 3 nach dem derzeitigen Stand der Dinge nicht mehr. Stattdessen müsste man die Ausgangs-Konfiguration bei der Verteilung der Sounds auf die Panels immer im Hinterkopf haben (also z.B.: Panel B geht immer durch den externen Effekt), was einfach nicht praktikabel ist und die Möglichkeiten einschränkt. Hoffentlich wird dieses Manko in naher Zukunft durch ein OS-Update behoben, denn es könnte für viele Nutzer Grund genug sein, nicht auf den Nord Stage 3 zu wechseln.
Sound
Um es gleich vorweg zu nehmen: Soundmäßig ist der Nord Stage 3 erstklassig. Mit den Orgel-Sounds hatte Clavia schon bei den Vorgängern einen starken Trumpf in der Hand. Und auch in der dritten Generation, in der die C2D-Engine werkelt, klingen die Orgel-Sounds sehr gut und sehr authentisch. Im Vergleich zum Stage 2(EX), in dem noch das Herz der älteren C2 steckt, klingt die B3-Emulation nicht ganz so hell, sondern hat einen etwas weicheren Charakter. Daher könnte die Percussion für meinen Geschmack etwas mehr Biss vertragen. Der neue Rotoreffekt ist eine gut gelungene On-Board-Simulation und verleiht den Bassbereich einen zusätzlichen kräftigen Wumms. Die Röhrenverzerrung „brezelt” so richtig schön drauf los, ohne ein unangenehmes Kratzen im Gehörgang auszulösen. Allerdings hätte der Effekt für meinen Geschmack etwas intensiver ausfallen können.
Die VOX- und Farfisa-Orgeln erinnern direkt an die 60er Jahre. Sie klingen etwas brav, können aber mit Hilfe der Amp Simulation in Richtung charmante Nervensäge getunt werden.
Klar und rein ist der Charakter der beiden Pfeifenorgeln, die als nette Dreingabe der Orgel-Section gesehen werden können. Der flötenähnliche, weiche Klang von Pipe 1 lässt sich universell einsetzen und mischt sich gut mit anderen Sounds. Pipe 2 klingt vor allem mit dem Detune-Effekt nach strahlender und mächtiger Kirchenorgel.
Die Flügel- und Upright-Sounds klingen über den gesamten Tastaturbereich klar und ausgewogen. Sie sind äußerst dynamisch spielbar und können sich sehr gut durchsetzen. Dynamikübergänge sind dabei nicht wahrzunehmen. Vor allem die Upright Pianos haben teils sehr schöne Schwebungen und erzeugen mit ihrem individuellen Charakter eine ganz eigene Atmosphäre. Die Sounds klingen für meine Ohren nicht mehr ganz so hart wie bei den Vorgängern, sondern edler und wärmer. Dies hat mit der hohen Qualität der verschiedenen Piano-Modelle zu tun, die vor allem bei den LRG und XL-Varianten sehr aufwändig gesampelt wurden.
Mit den neuen Funktionen, wie z.B. dem Piano-Filter und den Effekten, kann man den Klavieren den letzten Schliff verpassen oder sie bei Bedarf auch völlig verfremden.
Unter den E-Pianos findet man viel Bekanntes. Vom Rhodes gibt es für alle Situationen eine passende Variante der Modelle Mk I, Mk II und Mk V. Vor allem das Nefertiti Mk I klingt sehr punchy. Dagegen wirkt das Wurlitzer mit nur zwei Varianten etwas vernachlässigt, ist aber dennoch brauchbar. Natürlich werden die E-Pianos erst durch den Einsatz von Effekten richtig geformt. Und hier ist beim Nord Stage von butterweich dahinschmelzend bis psychedelisch abgedreht alles machbar. Das macht richtig Spaß!
Die Clavinet-Sounds klingen gewohnt funky und bei den Harpsichords gibt es ebenfalls diverse brauchbare Vertreter.
Die DX7-Pianos aus der neuen Digital-Abteilung klingen sehr authentisch und lassen sich sehr dynamisch spielen. Da kommt echtes 80er-Feeling auf!
Breit, voll und schwebend sind die Attribute der Layer-Pianos, die in zahlreichen Varianten vorliegen.
Die neue A1 Synth Engine klingt im Vergleich zum Stage 2(EX) druckvoller und klarer. Durch die Oszillatorkonfigurationen und deren Modulationsmöglichkeiten erfährt die Soundpalette noch mal einen ordentlichen Zuwachs, vor allem in Bezug auf Klangbewegungen und Soundmorphing. Die klassischen Wellenformen und die Super Waves klingen in Kombination mit dem neuen Moog-Filter richtig fett, und es gibt viele bewegende Sounds und metallische Klänge. Die beiden Oszillatoren ermöglichen jetzt Sounds, für die man beim Vorgänger beide Panels bemühen musste, wie z.B. das Kombinieren von gesampelten Sounds mit einer einfachen Wellenform.
Die Nord-Samples sind technisch eher einfach gehalten und kommen ohne Velocity-Layers und Multisamples aus. Dennoch überzeugen sie durch Authentizität und klingen im neuen Format klarer und aufwändiger. Im Vergleich zu den Synth Sounds vermisse ich etwas Durchsetzungskraft. Da muss man gelegentlich mit dem EQ ein bisschen nachregeln.
Inhaltlich geht es einmal quer durch die gesamte Instrumentenpalette. Angefangen mit einer ordentlichen Anzahl an Solo- und Ensemble-Streichern, die allesamt sehr graziös und mit viel Bogen klingen, gibt es Orchester- und Bläsersounds in etlichen Solo- und Ensemble-Varianten. Auch Samples von vielen kleinen Sektionen aus nur drei oder vier Instrumenten sind hier zu finden. Bei den Solo-Holzbläsern ist neben den klassischen Instrumenten viel Ethnisches und Orientalisches dabei. Die diversen Sounds von legendären Bassgitarren (z.B. Fender Precision oder Höfner 500) klingen allesamt sehr punchy. Weniger überzeugen können die Gitarren- und Chor-Samples. Hier vermisst man dann doch verschiedene Velocity-Layer und Mutli-Samples, die mit Dynamikabstufungen und typischen Nebengeräuschen wie Saiten- und Atemgeräusche die Sounds lebendiger machen. Ein Highlight hingegen sind die Samples der klassischen, analogen String-Machines von Eminent, Logan etc. und die vielen Mellotron und Chamberlin-Sounds. Im direkten Vergleich mit großen Workstations à la Korg Kronos oder Yamaha Montage muss man bei Umfang und Aufwand der Samples Abstriche machen. Aber der Stage 3 verfolgt ja ein anderes Konzept und stellt nicht den Anspruch, ein reiner Sample-Player zu sein. Obwohl der Nord mit einer stattlichen Anzahl an Samples ausgeliefert wird, werden diese in den Programs recht stiefmütterlich behandelt.
Auch die Effekte bieten weiterhin die gewohnte exzellente Qualität wie der Vorgänger. Spaß machen die Filter-Funktionen beim Delay und EQ, die den Sound des Stage 3 auf den aktuellsten Stand heben. Schade finde ich, dass man den Reverb nicht auf die Ausgänge 3 bzw. 4 routen kann.
Insgesamt spielt der Nord Stage 3 in Sachen Soundqualität nach wie vor in der obersten Liga und es gibt kein großes Gemeckere. Alles klingt klar, druckvoll, kräftig und mächtig, aber immer mit einer gewissen Wärme.
Schon reif für die Bühne?
Während des Tests gab es noch ein paar weitere Bugs zu vermelden. Der Nord Stage 3 verweigert bei einem angeschlossen Roland DP-10 Sustainpedal komplett den Dienst, indem er sich noch während des Boot-Vorgangs aufhängt. Schließt man das Pedal erst an, nachdem das Instrument hochgefahren ist, funktioniert alles einwandfrei. Von einem professionellen Bühneninstrument, das in punkto Zuverlässigkeit höchste Ansprüche an sich selbst stellt, darf man anderes erwarten. Und es kam häufiger vor, dass sich bei kontinuierlichen Reglerbewegungen der Wert sprunghaft änderte. Dieser Bug sollte mit einem OS-Update behoben werden. Ein Update auf Version 1.04 steht bereits auf der Nord-Website zum Download bereit.