Praxis
Wie klingt’s
Nach der umfangreichen Inhaltsbeschreibung ist es an der Zeit, sich den Nord Wave 2 genauer anzuhören. Immerhin bietet er eine große Palette, die es zu erkunden gilt. Fangen wir mit ein paar Presets an, und stimmen wir uns ein auf das geballte Klangpotential des Wellenform-Giganten!
Der Nord Wave 2 hat es faustdick hinter den Ohren. Vier Sound Engines, die in jeweils vier Layern geschichtet oder gesplittet werden können, das ist schon eine ganze Menge und klingt wirklich fett. Dabei gefallen mir viele der Presets auf Anhieb und ich bin überrascht, wie vielseitig der Synthesizer durch die Kombination der Syntheseformen ist. Sicherlich hat der Wave 2 einen recht eigenen Sound, was u. a. an dem prägnanten Sound der Wavetables und auch an den im Nord befindlichen Samples aus der Nord Sample Library liegt. Wer bereits einen Nord besitzt, der wird so manche Streicher und Bläser-Samples wiedererkennen. Auch die reinen Synth-Sounds klingen sehr rund und erinnern mitunter an Vintage-Synths wie dem Minimoog – andere Presets wiederum verbinde ich mit Klängen, die ich aus typischen Workstations der 2000er Jahre kenne. Das Schöne ist auf jeden Fall, dass der Nord Wave 2 durch die Verbindung der vier Klangsyntheseformen deutlich breiter aufgestellt ist. Und noch dazu: In Kombination mit den einzelnen Layern verschmelzen die Sounds sehr gut miteinander!
Wellenformen
Eine Besonderheit des Nord Wave 2 sind seine vielen Wellenformen, die sich in den verschiedenen Klang-Engines verstecken. Schauen wir uns zunächst die virtuell-analoge Engine an, in der sich die klassischen Wellenformen auf unterschiedliche Art „verbiegen“ lassen – Waveshaping nennt man dies. Über das Display kann man der Verformung der Welle per Osc CTRL-Regler zuschauen. Klingen tut das auf jeden Fall sehr interessant, denn die Mischformen zwischen den Wellenformen bringen sehr interessante Klänge hervor. Es ist u. a. möglich, aus einer Dreieck-Welle einen Sägezahn zu formen, oder diverse weitaus komplexere Formen, wie man etwa der Bezeichnung „Fold“ und „Squeeze“ entnehmen kann. Das Waveshaping kann außerdem über den Osc-Mod-Envelope oder den LFO automatisiert werden. Natürlich gehört auch eine simple Pulsweitenmodulation zum Repertoire des Nord Wave 2.
Im Bereich Multi und Super befinden sich außerdem jeweils geschichtete Wellenformen, zu denen beispielsweise zwei oder drei Säge- bzw. Rechteckwellen in unterschiedlichen Oktavlagen gehören, sowie auch x-fach-geschichtete Super-Saws und Super-Squares: über den Osc-CTRL-Regler werden diese gegeneinander verstimmt, was absolut fett klingt.
Außerdem besitzt der Nord Wave 2 eine eigene Sync-Kategorie, in der nicht nur die klassischen Wellenformen gesynct werden, sondern auch solche Wellenformen wie z. B. „chop saw“ und „chop square“. Die Sync-Sounds machen auch in Verwendung mit dem Sample&Hold-Funktion Spaß. Hier ein kurzer Ausschnitt verschiedene Sync-Klänge:
Für dich ausgesucht
Wavetable
Weiter geht’s mit den verschiedenen Wavetables, die sich im Nord Wave 2 befinden. Dass die Inspiration dieser Wavetables hauptsächlich von akustischen Instrumenten stammt, das lässt sich anhand der fünf Kategorien Bells, Acoustic, Digital, Organ, Keys erkennen. Tatsächlich findet man hier jeweils 6-14 verschiedene Klänge, die mal dumpf, und mal sehr obertonreich klingen. Im Unterschied zu den Wellenformen aus dem Analog-Bereich gibt es im Wavetable-Bereich leider keine Möglichkeiten, über den Osc-CTRL-Regler die Wavetables zu bearbeiten: aus anderen Synthesizern kenne ich beispielsweise das „durchfahren“ der Wavetables über den sog. Wavetable-Index. Im Folgenden ist ein kleiner Ausschnitt mehrere Wavetables zu hören.
FM
Dass der Nord Wave 2 in puncto FM-Synthese deutlich mehr zu bieten hat, als der Vorgänger, hatte ich schon eingangs erwähnt. Tatsächlich ist die Liste der verwendeten Operatoren und deren mögliche Verschaltungen sehr umfangreich. Insgesamt stehen zehn Varianten der Verschaltung zur Verfügung, bei denen jeweils der „Partial“ in Stufen von 0,5 bis 24 ausgewählt werden kann. Über den Osc-CTRL-Regler wird der Grad der Modulation bestimmt, was mitunter sehr drastisch klingt.
Unison
Um einen Oszillator etwas „anzudicken“ oder lebendiger zu machen, verwendet man oft einen zweiten Oszillator, der z. B. dieselbe Wellenform wie der Erste erzeugt, jedoch leicht verstimmt. Das Ergebnis ist eine Schwebung, die den Klang interessanter macht. Der Nord Wave 2 bietet dafür die Unison-Funktion: Per Druck auf den Unison-Taster werden die Wellenformen vervielfacht und im Panorama verteilt. Der Effekt lässt sich in drei Stufen erhöhen und lässt so einen einfachen Oszillator gleich viel satter erklingen. Kleine Nebeninfo an dieser Stelle: Per Shift-Taste erfährt der Unison-Taster eine Doppelfunktion, die im Sample-Modus das Sample unbearbeitet (RAW SMPL) erklingen lässt, oder die Attackphase verkürzt (SKIP ATK), damit das Sample noch noch etwas aggressiver in der Einschwingphase wird.
Samples
Neben diesen drei Syntheseformen besitzt der Nord Wave 2 auch die Möglichkeit, Samples abzuspielen. Neben eigenen Sample-Kreationen steht natürlich auch die gesamte Nord Sample Library 3 zur Verfügung. Der Nord Wave 2 besitzt einen Speicher von 1 GB, um diese Samples unterzubringen – und tatsächlich sind die meisten schon ab Werk an Bord des Synthesizers. Darunter befinden sich u.a. Streicher, Bläser sowie Mellotron- und Chor-Sounds. Perfekt, um diese mit den synthetischen Klängen des Nord Wave 2 zu mischen.
Nord Sample Editor 3
Der kürzlich erschienene Nord Sample Editor 3 kann hier kostenlos heruntergeladen werden, und ist dank seines neuen Interfaces besonders schnell zum Erstellen eigener Samples hilft. Jetzt ist es sogar möglich, eine Audio-Datei mit mehreren Samples in die Software zu laden. Diese erkennt die Pausen zwischen den verschiedenen Sounds, bearbeitet sie und verteilt sie auf die entsprechend korrekten Tasten.
Filter
Eine Besonderheit des Nord Wave 2 sind die verschiedenen Filter-Typen, die sich im Filter-Bereich verstecken. Hören wir uns zunächst die drei Tiefpassfilter an, anhand eines Synth-Bass-Sounds mit Filterhüllkurve. Hebt man die Filter-Resonanz leicht an, dann lassen sich deutliche Unterschiede im Klang und Frequenzverhalten des Filters bemerken. Gerade zu Beginn als auch in den Höhen sind deutliche Unterschiede zu hören. Das LPM-Filter zeigt hier beispielsweise einen deutlich Bass-ärmeren Klang, wenn man die Resonanz aufdreht. Dafür gefällt mir der satte Klang und das verhältnismäßig weiche „Gezwitscher“ beim LPM-Filter besonders gut. Übrigens ist der leichte Bass-Verlust tatsächlich ein typisches Verhalten des Moog-Ladder-Filters: Minimoog-Besitzer werden das Phänomen kennen (auch bei meinem Moog Matriarch ist das so).
Schalten wir nun den Drive in drei Stufen hinzu – jetzt wird deutlich, was mit analoger Zerre gemeint ist! Dabei ist interessant, wie unterschiedlich auch hier die drei Lowpass-Filter auf die verschiedenen Drive-Stufen reagieren.
LFO
Der LFO des Nord Wave 2 verfügt über die typischen Funktionen, die von einem „tiefschwingenden“ Modulator erwartet. Neben Dreieck, Sägezahn (auf- und absteigend) und Rechteck verfügt der LFO auch über ein Sample&Hold-Funktion, die ich persönlich sehr gerne mag. Letztere eignet sich nicht nur zum Steuern des Filter-Cutoff, sondern kann auch dem Pitch, oder wie eben erwähnt dem Osc-Control-, d.h. diversen Waveshape- und FM-Einstellungen zugeordnet werden.
Arpeggiator | Gate
Weiter geht es mit dem Arpeggiator. Hier zeigt der Nord Wave 2 eines seiner neuen Features. Im Regulären Modus funktioniert der Arpeggiator, wie man es nicht anders kennt: die gespielten Noten werden nacheinander abgespielt – das Tempo und die Oktavlagen werden dabei über die beiden Potis eingestellt. Der Nord Wave 2 verfügt dabei über die „Laufrichtungen“ Up, Down, Round, sowie Zick-Zack. Ebenso kann der Arpeggiator auch mehrere Stimmen gleichzeitig arpeggieren – das nennt sich dann „Poly“. Alternativ bietet der Nord Wave 2 auch eine Gate-Funktion, mit der stehende Klänge rhythmisiert werden. Sowohl für den Arpeggiator als Gate stehen 28 Patterns zur Verfügung, die das sonst recht klassische Bewegungsmuster aufwerten. Auf Wunsch können diese Patterns sogar selber verändert oder neu erstellt werden: Die Rhythmik kann in bis zu 16 Stufen justiert werden und die Notenlängen, sowie deren Panorama individuell bestimmt werden. Klingen tut das jedenfalls sehr gut!
Effekte
Alle Effekte des Nord Wave 2 stehen jedem Layer zur Verfügung – damit ist das Nord Wave 2 vielseitiger und deutlich leistungsstärker als andere Nord-Keyboards, bei denen sich die verschiedenen Parts die Effekte untereinander teilen. Das ist vorbildlich!
Unter den in vier Panels aufgeteilte Effektsektion befinden sich zahlreiche Modulationseffekte, die man einfach „durchsteppen“ kann. Das Einsetzen der Effekte ist also kinderleicht. Neben der Filtersättigung findet man hier übrigens auch einen weiteren Verzerrer, der so manche Lead-Sounds etwas „dreckiger“ gestalten lässt. Insgesamt klingt er sehr nach Röhre und fügt eher dezente Verzerrungen hinzu – nicht so, wie man es etwa aus dem Nord Stage oder Electro kennt. Das Delay bietet von allen Effekten am meisten Spielereien: Der Analogmodus erlaubt Pitch-Effekte des Delay-Feedbacks, und kann dieses zudem mit einem Chorus, Ensemble oder Vibe-Effekt versehen. Wahlweise lässt sich das Delay im PingPong-Modus betreiben und bietet verschiedene Filtermodi für das Feedback-Signal. So verliert das Delay-Feedback mit jeder Wiederholung eher tiefe oder hohe Frequenzen.
Für mich persönlich ist neben den genannten Effekten vor allem der Reverb hervorzuheben, denn schon beim ersten Anspielen hat mich der wirklich großartige Hall des Nord Wave 2 begeistert. Gerade die – mittlerweile ja wieder sehr angesagten – langen Reverb-Presets Hall und Cathedral lassen tolle Klangräume entstehen. Alle Hall-Typen gibt es übrigens in einer regulären sowie auf Wunsch auch in einer hellen und dunklen Variante. In Kombination mit der Shift-Taste kann man über „Chorale“ noch Modulationen in die Hallfahne einbauen – das klingt ebenfalls sehr schön!
Tastatur
Die 61 leichtgewichteten Tasten des Nord Wave 2 lassen sich sehr einfach und differenziert spielen. Die Gewichtung ist passend, weder zu leicht, wie etwa bei einer Waterfall-Tastatur, noch ist sie schwergängig. Da sich unter den Presets so manche Klänge befinden, die etwa an akustische Instrumente erinnern, ist die Spielbarkeit der Tastatur wirklich gut gelungen, macht haptisch einen sehr guten Eindruck, und auch der Aftertouch lässt sich differenziert kontrollieren.
Bedienung
Grundsätzlich kann man sagen: Der Nord Wave 2 Synth ist wirklich intuitiv zu bedienen. Das merke ich persönlich daran, dass ich die meisten Funktionen auch ohne das Handbuch sofort erreiche. Sicherlich gibt es eine Menge Zusatzfunktionen, die sich z. B. über Tastenkombinationen mit dem Shift-Taster erreichen lassen, und dafür lohnt sich ein genauer Blick in die Bedienungsanleitung. Wer bereits mit Nord Keyboards vertraut ist, den erwartet auch beim Nord Wave 2 nichts, was er nicht schon kennt. Für fast alle Funktionen gibt es Regler und Taster, sodass sich das Durchkämpfen durch vertrackte Untermenüs weitestgehend obsolet bleibt. Alle Ausnahmen ergeben sich allerdings recht schnell aus dem gut leserlichen Handbuch.
Clavia Nord Wave 2 Sound Demo (no talking) – NAMM 2020
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