Nachdem wir uns beim letzten Mal mit der C-Durtonleiter in fünf Patterns und der Auswahl geeigneter Griffbrett-Positionen beim Spielen nach Noten beschäftigt haben, wollen wir dieses Konzept heute auch für alle anderen Tonarten nutzbar machen.
Die Struktur einer jeden Durtonleiter, also die typische Abfolge von Ganz- und Halbtonschritten, ist immer gleich, egal in welcher Tonart wir uns befinden. Daher können wir auch in jeder Tonart auf dieselben fünf Pattern zurückgreifen, die wir in der letzten Folge für C-Dur verwendet haben.
Wie war das doch gleich mit der Bestimmung der Tonart eines Notenbeispiels? Die Tonart wird uns durch die jeweilige Art und Anzahl der Vorzeichen (am Anfang jeder Zeile) zweifelsfrei angegeben. Ein Kreuz (#) bezeichnet beispielsweise die Tonart G-Dur, fünf Bs (bbbbb) die Tonart Des-Dur. Solltest du damit noch nicht vertraut sein, schaue dir an dieser Stelle bitte unbedingt erst noch einmal die fünfte Folge des Notenworkshops an, in der ich alles Nötige zum Bestimmen von Tonarten erklärt habe. Mit den fünf Positionen der Durtonleiter vom letzten Mal sind wir nun in der Lage, Notenbeispiele beliebiger Tonhöhe zu spielen, allerdings vorerst nur in der Tonart C-Dur. Aber wie erarbeiten wir uns Stücke in anderen Tonarten, deren Tonraum die erste Lage übersteigt?
Zur Veranschaulichung des Problems nehmen wir uns gleich ein konkretes Notenbeispiel vor, das den Tonumfang der ersten Lage übersteigt und suchen nach einer Möglichkeit, es für uns spielbar zu machen.
Folgende Schritte sind nun notwendig, damit wir das Notenbeispiel optimal spielen können:
Für dich ausgesucht
- Bestimmen der Tonart
- Ermitteln des Tonumfangs (höchster und tiefster Ton)
- Festlegen der Lage (welcher Bund, welche Stelle des Griffbretts ist geeignet?)
- Lokalisieren der Grundtöne in dieser Lage
- Bestimmen des passenden Durtonleiter-Patterns
1. Unser erstes Notenbeispiel mit einem b-Vorzeichen steht offensichtlich in der Tonart F-Dur, wie wir mithilfe des Merksatzes für Bs schnell herausfinden können: “Frische Brötchen essen Asse des Gesangs” (vgl. Folge 5, Tonarten).
2. Der höchste Ton ist hier das zweigestrichene d”, mit welchem das Notenbeispiel schon beginnt. Der tiefste Ton ist das kleine c, das z.B. in Takt 6 die Zählzeit 1 markiert.
3. Um sowohl den höchsten als auch den tiefsten Ton ohne Lagenwechsel spielen zu können, müssen wir das Notenbeispiel in der siebten (VII) oder achten Lage (VIII) spielen.
4. Der Grundton F ist hier zweimal vorhanden: Auf der fünften Saite im achten Bund (kleines f) und auf der dritten Saite im zehnten Bund (eingestrichenes f’).
5. Zum Bestimmen des passenden Durtonleiter-Patterns schauen wir uns noch einmal alle fünf in der Übersicht an, wobei die Grundtöne wieder farbig hervorgehoben sind:
Der Grundton kommt auf der fünften Saite nur in Position (Pattern) 1 und 2 vor. Einen zusätzlichen Grundton auf der dritten Saite zwei Bünde weiter gibt es nur in Pattern 2. Somit ist Pattern 2 das passende. Die vorhandenen Grundtöne dienen uns als Orientierungspunkte, an denen wir das Pattern ansetzen. In unserer Tonart F-Dur ergeben sich somit folgende Töne:
Da es im Notenbeispiel keine weiteren Versetzungszeichen gibt, können wir dieses komplett mit den Tönen von Pattern 2 spielen.
Du merkst, die einzelnen Arbeitsschritte setzen schon eine gewisse Griffbrett-Kenntnis voraus, aber die kommt mit der Zeit von selbst. Wenn du im Moment noch Probleme haben solltest, einen Ton auf dem Griffbrett zweifelsfrei zu bestimmen, zählst du ihn einfach von der entsprechenden Leersaite in Halbtonschritten ab. Es kann auch sinnvoll sein, sich zum Lernen eine komplette Griffbrett-Übersicht aller Töne auszudrucken und aufzuhängen. Diese gibt es zu Dutzenden im Internet.
Kommen wir zum nächsten Notenbeispiel:
Auch hier wenden wir die fünf Arbeitsschritte an.
- Mit drei b-Vorzeichen steht das Beispiel in der Tonart Es-Dur.
- Der Tonumfang bewegt sich hier zwischen dem eingestrichenen b’ (höchster Ton) und dem großen G (tiefster Ton).
- Den vollen Tonumfang haben wir nur in der dritten Lage (III) zur Verfügung.
- Der Grundton Es ist hier zweimal vorhanden; auf der zweiten Saite im vierten Bund und auf der fünften Saite im sechsten Bund.
- Diese Konstellation haben wir nur in Position (Pattern) 1, nur dort kommt der Grundton sowohl auf der zweiten als auch auf der fünften Saite vor:
Somit haben wir wieder die beste Möglichkeit ermittelt, Bsp. 4 zu spielen. Alle Melodietöne können ausschließlich mit Durtonleiter-Pattern 1 gespielt werden.
Weiter geht’s mit dem dritten kleinen Übungsstück:
- Anhand der zwei Kreuze können wir D-Dur als Tonart ermitteln. Der Merksatz für die Kreuztonarten lautete “Geh du alter Esel, hole Fisch!”. Alle Infos zum Thema Tonarten beim Spielen nach Noten gab es wie bereits erwähnt in der fünften Folge dieser Workshopreihe.
- Das Notenbeispiel bewegt sich zwischen dem zweigestrichenen e” als höchstem und dem kleinen cis als tiefstem Ton.
- Diesen Tonumfang bietet uns ausschließlich die neunte Lage (IX).
- An dieser Stelle des Griffbretts ist der Grundton D dreimal vorhanden: Auf der sechsten Saite im zehnten Bund, auf der vierten Saite im zwölften Bund und auf der ersten Saite ebenfalls im zehnten Bund.
- Somit haben wir für diesen Fall Durtonleiter-Pattern 4 als Grundlage für das Notenbeispiel ermittelt, kein anderes erfüllt die notwendigen Kriterien.
Das Beherrschen der Durtonleiter ist auch dann eine wichtige Stütze, wenn ein Stück nicht oder nicht ausschließlich aus Tonleiter-Tönen besteht. Ein Indiz für tonleiterfremde Töne sind Versetzungszeichen, die im Verlauf eines Stückes auftauchen. Wir erinnern uns: Vorzeichen, die am Anfang eines Stückes und jeder weiteren Zeile stehen, geben die Tonart des Stückes an. Versetzungszeichen (vereinzelt mitten im Stück), die also nur vereinzelt Töne erhöhen oder erniedrigen, weisen im Gegensatz dazu auf Töne hin, die nicht zur Tonart zählen.
Die folgende Übung enthält neben den Vorzeichen auch viele Versetzungszeichen.
- Anhand der vier Kreuze können wir die Tonart als E-Dur identifizieren, auch wenn offensichtlich zusätzlich einige nicht in der Tonleiter enthaltene Töne vorkommen.
- Der höchste Ton ist hier ein eingestrichenes a’, der tiefste Ton ein großes Fis.
- Auch wenn die Verlockung groß ist, das Beispiel in der uns besonders vertrauten ersten Lage zu spielen und so auch Leersaiten verwenden zu können, wollen wir zum Übungszweck pingelig sein: Der Ton a’ ist in der ersten Lage nicht vorhanden und wäre hier nur durch “Herumrutschen” zu spielen. Daher spielen wir die Übung besser in der zweiten Lage (II).
- Der Grundton E kommt hier zweimal vor: Auf der vierten Saite im zweiten Bund und auf der zweiten Saite im fünften Bund.
- Den Grundton auf der vierten und zweiten Saite gleichzeitig finden wir nur in Pattern 5, das uns damit als Grundgerüst für das Notenbeispiel dienen soll:
Die mit Versetzungszeichen erhöhten und erniedrigten Töne sind hier natürlich nicht enthalten. Trotzdem ist es hilfreich und unbedingt empfehlenswert, die E-Dur-Tonleiter als Grundgerüst zu sehen, zu dem wir hier beim Spielen immer wieder zurückkehren.
Es folgen noch drei kleine Übungen, die du selbst mit den genannten fünf Punkten analysieren und vorbereiten sollst, bevor du sie spielst.
Viel Erfolg und bis zum nächsten Mal!